Viele Themen auf der AMK in Potsdam
Landwirtschaft
+++ 05.09.14 +++ 14:30 Uhr +++
AMK beschließt viele ArbeitskreiseTermingenau kurz vor der Landtagswahl in Brandenburg fand die Herbstkonferenz der deutschen Agrarminister (AMK) in Potsdam statt. Daher gehörte die Auseinandersetzung in der brandenburgischen Landwirtschaft auch zur Agenda der bundesweiten Konferenz. Mehr als 3.000 Teilnehmer demonstrierten letzten Sonntag in Potsdam gegen „Massentierhaltung“ und für eine „ökologische Ausrichtung der Landwirtschaft“. Michael Wimmer vom Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-Brandenburg: „Wir hoffen, dass die Agrarminister die Signale der Demonstrierenden verstanden haben. Wer denkt, Deutschland müsse weiter Billig-Lebensmittel für den Weltmarkt produzieren und die agrarindustriellen Probleme, z.B. die Massentierhaltung, nicht ernst nimmt, hat nicht mehr das Vertrauen der Verbraucher! Es braucht den Mut zu einer echten Agrarwende! Wir werden genau hinschauen bei den angekündigten Verbesserungen der Nutztierhaltung und Wegen zu mehr statt weniger Ökolandbau in Europa.“ Angst macht den Ökobauern vor allem das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Die Auswirkungen auf die deutsche Landwirtschaft sieht Jochen Fritz von „Meine Landwirtschaft“ negativ. Eine weitere Globalisierung werde weitere Bauernhöfe zum Aufgeben zwingen.
Milch
Bereits seit Februar fallen die Notierungen für Milchprodukte. Im EU-Binnenmarkt waren in den letzten Monaten Rückgänge zwischen 20 und 25 Prozent zu verzeichnen, klagte deer Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) zur AMK. Molkreien haben ihre Milchauszahlungspreise wieder auf 35 und weniger Cent je Kilogramm zurückgefahren. Nach Analyse der European Dairy Farmers (EDF) liegen die Erzeugungskosten jedoch bei 49,3 Prozent. Und das nicht nur bei den kleinen Betrieben in Regionen des absoluten Grünlands. Die aktuelle Studie des European Milkboards errechnet auch für die Großbetriebe in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern Erzeugungspreise von 43 Cent je Kilogramm. Der BDM-Vorsitzende Romuald Schaber sieht die Entwicklung mit Sorge und forderte von der AMK ein wirksames Sicherungsnetz. Instrumente wie die private Lagerhaltung und im Notfall Exporterstattungen reichten nicht. Von den deutschen Agrarministern erwartet er den konkreten Vorschlag für eine zeitlich begrenzte Begrenzung der Milchproduktion.
Für eine wirkungsvolle Stabilisierung trat auch Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner zur AMK ein. Er begrüßte die aktuellen Maßnahmen der EU vor dem Hintergrund des russischen Importembargos. Allerdings forderte er höhere Interventionspreise für Milch und Milcherzeugnisse.
Zwar hat die AMK neue Instrumente eingefordert, verweist, sagt aber auch: „Bei der Prüfung ist darauf zu achten, dass diese sich nicht zu Lasten stabiler und sich entwickelnder Milcherzeugerbetriebe auswirken.“ Eine Nachfrageorientierte Mengenregelung wird demnach keinen Platz finden. Wichtiger ist der AMK, dass auch nach dem Ende der Milchquote im März 2015 die Superabgabe bis zum Sommer noch weiter bestehen bleiben wird. Der Bund solle sich in Brüssel dafür einsetzen, dass die Milchquote noch bis Ende des Wirtschaftsjahres endde Juni bestehen bleiben soll. Zufrieden ist Christian Meyer damit aber nicht. Er foderte wirksame Instrumente auch nach Ende der Quote „für bessere und fairere Preise.“ Eine Protokollerklärung aber gab es nicht.
TTIP
Nicht zum ersten Mal hat Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken aus Rheinland-Pfalz mehr Transparenz bei den TTIP-Verhandlungen eingefordert und berief sich auf den letzten Beschluss der AMK und wiederholte Forderungen durch das Europäische Parlament. Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und das Saarland unterstützten den Antrag. Das fand ohne Einschränkung die Mehrheit der Agrarminister.
Revision der Öko-Verordnung ohne Revolution
Der Vorschlag der EU zur Reform der EU-Öko-Verordnung fand bislang keine Unterstützung in Deutschland. Sowohl der Bauernverband als auch die Biobranche lehnten eine Totalrevision ab. Brunner fürchtet, dass zu viel Bürokratie kleine Betriebe von der Umstellung abhält Außerdem soll das finanzielle Risiko einer Verunreinigung nicht beim Verursacher, sondern beim Biobetrieb liegen. „Wenn wir den Ökolandbau wirklich voran bringen wollen, dann brauchen wir eine behutsame Entwicklung des europäischen Rechts und keine komplett neuen Regeln“, sagte Thüringens Agrarminister Jürgen Reinholz in Potsdam.
Die AMK fasste drei wichtige Positionen: Eine Umkehr vom Grundprinzip der Prozessorientierung und die Aufgabe eines zweistufigen Kontrollsystems sind abzulehnen. Eine undifferenzierte Abschaffung der Ausnahmeregelungen sind zu vermeiden; und: Die wesentlichen Regeln sind im europäischen Primärrecht und nicht über delegierte Rechtsakte zu verankern.
Tierschutz
In diesem Jahr ist das Thema Tierschutz ganz groß auf die Agenda gekommen. Zum einen wurde rechtzeitig zur AMK eine Auswertung des Wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung publik, die bei Tiertransporten zahlreiche Verstöße festgestellt. Priska Hinz, Landwirtschaftsministerin in Hessen, forderte mehr Schwerpunktkontrollen bei den Tiertransporten. Spätestens 2016 soll es ein länderübergreifendes Konzept geben.
Aber auch generell forderte Dr. Hermann Onko Aeikens, Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt, dass Verstöße konsequenter geahndet werden sollen. Besonders Problemfälle regten die öffentliche Debatte immer wieder an. „Es sind systematische Verstöße gegen die Tierschutzbestimmungen vor allem durch bestimmte Tierhalter mit sehr großen Beständen zu beobachten. Die Erfahrungen der zuständigen Kontrollbehörden zeigen, dass die derzeitigen Rahmenbedingungen im Bereich der amtlichen Tierschutzüberwachung in bestimmten Tierhaltungsanlagen nicht so effektiv und wirksam sind, wie erforderlich.“ Die deutliche Mehrheit der Landwirte hingegen hält sich an den Tierschutz. Die Gesetzgebung beim Bund liegt, soll Beschlüsse schneller durchbringen. Ab einer bestimmten Betriebsgröße müsse ein Tierschutzbeauftragter Vorschrift werden. Der Tierschutz beginne bereits in der Zucht. Die Tiere müssen mehr auf Gesundheit und Robustheit ausgewählt werden. Um „wandernde“ Tierhalter mit Verstößen zu begegnen, forderte Dr. Aeikens ein bundesweites Register zu ausgesprochenen Verboten.
Noch nicht bundesweit, aber jetzt auch in Hessen: Das Land untersagt die Tötung männlicher Eintagsküken und diese Verfügung an die hessischen Brütereien versandt.
Der Deutsche Tierschutzbund protestierte zur AMK mit einer weiteren Forderung: Dem Verbot der Schlachtung trächtiger Tiere. Rund zehn Prozent der geschlachteten Milchkühe sollen trächtig sein, unterstützte Alexander Bonde, Agrarminister in Baden-Württemberg, die Forderung. Die AMK fordert ein grundsätzliches Abgabeverbot gravider Rinder sowie ein Transportverbot für trächtige Tiere über das letzte Zehntel ihrer Trächtigkeit hinaus. Des Weiteren müsse ein Informationsgebot über den Trächtigkeitsstatus bei der Abgabe zur Schlachtung abgegeben und für Betäubung und Tötung der Feten sollen Regelungen geprüft werden.
Jörg Vogelsänger, Landwirtschaftsminister in Brandenburg, bezeichnete das Thema Tierschutz als eines der großen bei der AMK. Vor allem habe es einen Beschluss ohne weitere Protokollerklärung gegeben. Die Gesetzgebung sei schließlich ausreichend – es mangele jedoch an deren Wirksamkeit und Umsetzung. Dr. Robert Kloos, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, der Bundesminister Christian Schmidt vertrat, weil der in Brüssel auf der EU-Agrarministerkonferenz ist, bestätigt ebenfalls die Einigkeit zwischen Bund und Länder. In rund zwei Wochen werde Schmidt einen Chartaprozess vorstellen, der das Thema auf eine breite Basis stellt .Sowohl Niedersachsens Meyer, als auch Dr. Till Backhaus, Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern wollen die Haltungssysteme verbessern, damit die Nutztiere artgerechter untergebracht sind. Dr. Backhaus sprach sich für ein Tierhaltungs-TÜV aus. Das Thema „tierbezogene Indikatoren“ wurde zurückgezogen.
Frischfleischkennzeichnung
Bonde hat auch ein klassisches Verbraucherthema ins Spiel gebracht. Er stellt sich eine einfache und unbürokratische Frischfleischkennzeichnung vor, die in der Eierkennnzeichnnug ein gutes Vorbild finde. So könnte bei Fleisch die Null für die Ökohaltung stehen, die 1 für einen vorhandenen Freilandauslauf, die 2 für mehr Platz und die 3 bezeichnet Betriebe, die gesetzliche Standards einhalten. Zur Prüfung hat die AMK einen Arbeitskreis eingerichtet.
Weiterentwicklung der GAK
Die „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) soll weiterhin zentrales Element der ländlichen Entwicklung bleiben. Sie soll an das Maßnahmespektrum der ELER-Programme angepasst werden und die Novellierung der GAK im Januar durch eine Arbeitsgruppe erfasst werden. Auch hierüber gab es einen Konsens ohne Protokollnotiz. Dr. Aeikens zeigte sich erfreut, dass in der GAK ein „Sonderprogramm für den präventiven Hochwasserschutz aufgenommen wird. Mit einer Unterstreichung: „Neue Maßnahmen brauchen neues Geld!“
Digitales Land
Damit die ländliche Entwicklung auch einen digitalen Anschluss erhält, unterstützen die Agrarminister die „Digitale Agenda“ Deutschlands, die vor kurzem vorgestellt wurde. Da jeweilige Vorsitzland der AMK soll als Vertreter der Bundesländer zur Netzallianz Deutschland hinzugezogen werden. Der Bund solle ein „Weißes-Flecken.Programm“ für den ländlichen Raum aufstellen: Gelder aus der Versteigerung von Funkfrequenzen sollen für den Breitbandausbau genutzt werden.
Gentechnik
Die Bundesrepublik soll für das nationale „Opt-out“-Verfahren für die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen stimmen, was wiederum durch einen „Opt-out“-Prozess der Bundesländer bestimmt wird. Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen gaben zu Protokoll, dass die Bundesländer ein Verbot aussprechen können, sollte es kein nationales Opt-Out geben.
Nanopartikel beim Pflanzenschutz
Die Nanotechnologie kommt. Auch für Wirkstoffe bei Pflanzenschutzmitteln. Bis zum Frühjahr 2015 soll der Kenntnisstand über diese Verwendung zusammengetragen werden.
Russlands Embargo
Die Hilfen für die von Russlands Embargo betroffenen Märkte wurden gut geheißen. Bayern, Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sprachen sich zudem für eine Diversifizierung der Exportstrategien aus, dass Betreibe nicht nur überwiegend in ein Zielland verkaufen. Emotionale Kritik gab es von Dr. Backhaus. Der Lebensmittelhandel nutze das Embargo, um neue Preisrunden einzuführen. Auch schon vor dem 07. August wurde das Exportverbot nach Russland in die Börsenpreise für Getreide eingepreist. „Es gibt wieder Wetten auf den Hunger in der Welt“, sagte Backhaus. „Abscheulich“ findet er auch die Apfel-Vergleiche, mit denen Politiker, wie zuletzt Bundesminister Schmidt, den heimischen Konsum gegen Putins Embargo anfeuern wollen. Solche Sprüche entsprächen nicht der Dramatik des Geschehensns in der Ukraine.
Niederlande
Wegen angeblich in Deutschland flächig vorkommenden Bovinen Virusdiarrhoe des Typ 2 hat der niederländische Schlachtkälbersektor die Bundesrepublik nahezu ganz als „Risikogebiet“ deklariert. Der Bund soll bei der EU-Kommission vorstellig werden, weil diese Aussage wettbewerbshemmend sei.
Düngeverordnung
Einige Bundesländer beschweren sich über den fehlenden Novellierungsentwurf zur Düngeverordnung. Dr. Kloos hingegen verweist auf zahlreiche Treffen mit den Amtschefs. Dr. Aeikens assisstierte. Der Bund könne erst Ergebnisse vorlegen und die Beratungen nicht gleich allen mitteilen. In der nächsten Woche will der Bund der EU auf die zweite Stufe der Vertragsverletzungsverfahren antworten. Sollte dieses eingeleitet werden droht ein dreistelliger Millionenbetrag wegen fehlnder Umsetzung der EU-Richtlinie.
Afrikanische Schweinepest
Minister Backhaus erinnerte daran, dass es keine Impfmöglichkeiten gegen die Afrikanische Schweinepest (ASP) gebe. Sollte sie nach Deutschland kommen, werde sie großen Schaden im Hausschweinebestand anreichten. Die AMK fordert eine aktuelle Risikoeinschätzung ein und will das Küchen- und Speiseabfälle von Schiffen und Flugzeugen nicht mehr unbehandelt entsorgt werden. Dr. Backhaus bezeichnete es als Skandal, dass gegen Krankheitserreger wie die ASP genauso wie gegen Ebola aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr geforscht werde.
Eiweißversorgung von Ökotieren
Die AMK spricht sich für eine Verlängerung des erlaubten Einsatzes konventioneller Eiweißfuttermittel in Höhe von fünf Prozent für Monogastrier aus. Vor allem im Ökolandbau brauche es mehr Forschung, um den tierartengerechten Einsatz von Futtermitteln bei Schweinen und Geflügel sicher zu stellen. Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt setzen sich zudem dafür ein, dass bei ökologisch erzeugten Futtermitteln auch naturidentische Aminosäuren zugelassen werden.
Roland Krieg