Vitamine satt unter dem Funkturm

Landwirtschaft

Fruit Logistica eröffnet

> Drei Gründe führte Dr. Christian Göke, Geschäftsführer der Messe Berlin GmbH heute Mittag an, warum die Obst- und Gemüsemesse Fruit Logistica auch im 13. Jahr so erfolgreich ist: Fast alle Anbieter und Fachbesucher, die jeweils weltweit eine bedeutende Rolle in diesem Wirtschaftszweig haben, treffen sich einmal jährlich an der Spree, um an Ausstellungsständen mit hoher Qualität Informationen auszutauschen. Mit 83 Prozent internationaler Beteiligung hat die Fruit Logistica einen vergleichbaren Stellenwert wie die Internationale Tourismusbörse. Göke sieht die Obst und Gemüse- „Branche, die rundherum positiv besetzt ist“.

Zahlensalat
Aus allen Teilen der gesamten Wertschöpfungskette präsentieren auf rund 48.000 qm Hallenfläche 1.355 Aussteller aus 64 Ländern zwischen dem 10.02. und 12.02.05 neue Produkte, neue Technik und neue Logistik rund um Obst und Gemüse. Albanien, Bangladesh, El Salvador und Irland sind vier von elf erstmalig vertretenen Ländern.
Weltweit werden rund 800 Millionen Tonnen Gemüse und 500 Millionen Tonnen Obst erzeugt. Europa ist noch vor Nordamerika die Hauptimportregion. Hier produzieren fast eine Million Betriebe Gemüse und noch einmal zwei Millionen Obst. In Süd- und Osteuropa sind dabei allerdings auch viele Kleinstbetriebe, die im Nebenerwerb wirtschaften. Sie alle erzeugen 95 Millionen Tonnen Obst und Gemüse.
Auch die Vitaminbranche brummt, wie zur Zeit die gesamte Ernährungsindustrie. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten etwa 2.600 Fruchthandelsunternehmen nach Schätzungen der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) 16,5 Milliarden Euro Umsatz. Die Deutschen essen mehr: 120 kg Obst und 84 kg Gemüse pro Kopf und Jahr. Zusammen sind das mit 3,2 kg mehr als im Vorjahr.
Das beliebteste Obst ist der Apfel (21,45 kg / Haushalt), danach folgen mit 17,7 kg die Banane, Orangen mit 10,43 kg und 6 Kilogramm Clementinen und Mandarinen. Im Gemüsefach liegt die Tomate mit 10,89 kg deutlich vor der Gurke (7,44 kg) und der Möhre mit 6,82 kg.
Die Messe ist täglich zwischen 09:00 und 18:00 Uhr geöffnet, sammelt sich in den Messehallen 1 bis 4 und kostet 20 Euro Eintritt. Die Dauerkarte 48 €.

Viel Licht und wenig Schatten
Wer bei Obst und Gemüse noch an Holzstände auf dem Wochenmarkt denkt, oder an selbstgemalte Hinweisschilder neben der Bundesstraße, der irrt. 300 Produkte werden aus 100 Ländern gehandelt, verkündet Günther Schweinsberg, Geschäftsführer des Fruchthandel Magazin. Da steckt eine imponierende logistische Leistung dahinter. Obst und Gemüse ist für den Handel ein „Renditebringer“, der allerdings auch gefährdet ist.
Mittlerweile haben auch die Discounter den Frischemarkt entdeckt und üben einen starken Preisdruck auf die Händler aus. Die Produzenten in Spanien, Italien und Franreich „haben angefangen zu rebellieren“, sagt Schweinsberg. In Frankreich werde die Einführung einer Preiskontrolle gefordert, was jedoch „die wirtschaftlichen Probleme nicht löst“.
Getragen wird die Branche durch das Image. Obst und Gemüse sind „Träger der besonderen Botschaft „Gesundheit“, so der Fachmann. Kaum jemand kann gegen den Verzehr etwas negatives anbringen. Programme wie „ 5 am Tag“ oder der Schulapfel fördern natürlich auch die Branche. Schweinsberg warnt jedoch davor, Lebensmittel in „gesund“ und „weniger gesund“ einzuteilen, wie es in England vorgesehen ist. Bei Obst und Gemüse sei diese Einteilung sowieso nicht zu befürchten.
Diesbezüglich fällt öfters einmal ein Schatten auf die Vitaminspender, wenn Pestizidrückstände veröffentlicht werden, wie zuletzt vom Verbraucherministerium Nordrhein Westfalen, dass in sieben Prozent der Salatproben Höchstmengenüberschreitungen festgestellt hat. Ein heißes Thema: Bei 300 Produkten aus 100 Ländern sei die Kontrolle schwierig, so Schweinsberg. Greenpeace veröffentliche Daten nur, um durch die Aufmerksamkeit Spenden einzusammeln. Ursula Horzetzky aus dem Verbraucherministerium und Mitglied im Vorstand „5 am Tag“ sieht es differenzierter: Es läuft zur Zeit ein weiteres Pflanzenschutzmittel-Reduktionsprogramm. Daneben muss mehr kontrolliert und die betroffenen Produkte vom Markt genommen werden. Aktuelle Meldungen seien oft nur Ausreißer in den Messreihen, was allerdings nicht das Problem verharmlosen solle. Sie möchte nicht, dass sich beim Verbraucher der Gedanken festsetze, Obst und Gemüse schaden der Gesundheit. Produkte aus Deutschland sind weniger belastet und der Verbraucher könne das seinige dazu tun, wenn er es vor dem Verzehr wasche. (s. dazu auch die Diskussion von der Internationalen Grünen Woche auf Herd-und-Hof.de vom 24.01.2004).
Ursula Horzetzky sieht in Obst und Gemüse einen unverzichtbaren Bestandteil gesunder Ernährung. Ernährungsabhängige Krankheiten verursachen in Deutschland etwa 70 Milliarden Euro pro Jahr. www.5amtag.de feiert nun fünfjähriges Bestehen und sorgt mit vielen Aktionen, besonders bei Kindern und Jugendlichen, für einen höheren Verzehr. Bei dieser Zielgruppe sieht sie allerdings auch noch eine Herausforderung an die Marketingexperten, Obst und Gemüse nicht nur mit dem „erhobenen Zeigefinger“ zu verkaufen und keine Reaktionen hervorzurufen, wie „Ich bin doch kein Kaninchen“. Mit 300 Gramm liegt der Verbrauch noch deutlich unter den empfohlenen 650 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). (s. dazu auch Herd-und-Hof.de vom 30.10.2002). Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung hatte am Anfang dieser Woche auch wegen anderer Kritik, dass Obst und Gemüse nicht gegen Krebs helfe, eine Stellungsnahme veröffentlicht (s. Herd-und-Hof.de vom 08.02.2005.)

Eines bleibt allerdings bedenklich: 300 Artikel werden gehandelt und die Discounter ereichten 2004 bereits einen Frischeanteil von 41 Prozent. Da dort vornehmlich die beliebtesten Obst- und Gemüsesorten angeboten werden, besteht die Gefahr, dass durch die Discounter eine Sortenverarmung in der Verbraucherwahrnehmung entsteht. Wer kennt noch mehr als fünf Apfelsorten? Ohne Pestizide und mit vielfältigeren Obst- und Gemüsesorten kann der ökologische Landbau wuchern. Die deutschen Verbände sind allerdings nicht auf der Messe vertreten und konzentrieren sich auf der BioFach in Nürnberg, die in 14 Tagen stattfindet.

Alle lieben Deutschland
Franciso Borras Escriba ist Director Commercial der spanischen Anecoop S. Coop aus Valencia. Das ist ein Zusammenschluss von über 100 kleineren Betrieben aus ganz Spanien, der mit Obst, Gemüse, Wein und Olivenöl handelt. Vor 30 Jahren erst gegründet ist die Anecoop bereits Marktführer in Spanien. Tochtergesellschaften gibt es europaweit. Für den Handel ist Deutschland mit 80 Millionen Verbrauchern immer ein gutes Zielgebiet, erklärte Borras. Vor allem kaufen die deutschen Handelsketten gerne zentral ein und verteilen die Ware dann auf ganz Europa. Für ihn ist Deutschland auch deshalb so beliebt, weil die Warenpräsentation außerhalb des Discountbereichs nicht so stark zwischen hohen und normalen Qualitäten differenziert, so wie es in Frankreich und England der Fall ist. Hier könne leichter Massenware abgesetzt werden, weil die deutschen Verbraucher mehr auf den Preis und weniger auf die Qualität setzen: „Deutschland ist nicht der größte Markt für Premiumprodukte“, so Borras.

Deutschland: Verteilt gute Ware weltweit und begnügt sich selbst mit billigen Produkten!? So ist der Blick von außen auf das Discountland Deutschland.

roRo

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