Vogelgrippe und Ökolandbau

Landwirtschaft

Die Lösung ist ein Puzzle

Was im Falle der Vogelgrippe zu geschehen hat regelt bundesweit die Geflügelpestverordnung, die auf Rügen hätte zügig umgesetzt werden müssen. Der letzte große Ausbruch der Geflügelpest 2003 in den Niederlanden war unvermittelter und in der Durchführung besser organisiert. Das Friedrich-Loeffler-Institut hält zu Übungen an, die notwendigen Maßnahmen zu trainieren und Mecklenburg-Vorpommern hat seit Ende 2005 sogar einen eigenen Geflügelpest-Alarm-Plan. Umso enttäuschender ist die träge Reaktion auf Rügen, dass viele Sicherheitsmaßnahmen erst sehr spät umgesetzt werden konnten, weil Personal und Ausrüstung fehlten. Es mag zwar der Landrätin Kassner (PDS) als Entschuldigung dienen, das auf Rügen keine großen Geflügelhalter vorhanden sind, alle bisher im Wildvogelmonitoring durchgeführten Tests negativ gewesen sind ? doch angesichts der Sensibilität des Themas scheint die größte Gefahr für die Ausbreitung der Vogelgrippe neben den illegalen Importen auch die schlechte Administration zu sein. Ob allerdings der ABC-Trupp der Bundeswehr, wenn schon nicht bei der WM, dann jedoch schon mal beim Einsammeln toter Schwäne auf Rügen, nicht eher einem Kanoneneinsatz auf Spatzen gleicht, bleibt abzuwarten.

Gefährdung des Ökolandbaus
Wenn das Virus von Wildvögeln auf Nutztiere springt und Schäden durch Keulung der Bestände hervorruft, ist dieser nicht abzuschätzen. Während der BioFach in Nürnberg wollte sich Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) nicht festlegen. Träfe der Fall in Bayern ein, läge die Summe bei einem einstelligen Millionenbetrag, träfe der Fall in Niedersachsen ein, käme ein dreistelliger Millionenbetrag zusammen. Er versicherte jedoch, dass der DBV den Ökolandbau nicht in Stich lässt. Freilandhaltung gilt solange, bis mindestens 25 Prozent der Jahreszeit das Geflügel draußen gewesen ist. Auch mit einer möglichen zweimaligen Aufstallung während der Vögelzüge wird dieser Wert erreicht. Anders hingegen sieht es in den Niederlanden aus. Dort hat die Geflügelpest auch emotional großen Schaden angerichtet, erklärte Clemens Oude Groingers vom holländischen Anbauverband Biologica. In dem Nachbarland leben 15 Millionen Schweine, 100 Millionen Hühner und 16 Millionen Menschen auf engem Raum zusammen. 2003 musste ein Drittel der Geflügelpopulation getötet werden. Unter diesem Eindruck haben die Niederlande 2005 ein Gesetz erlassen, dass jede Freilandhaltung verbietet und damit den ökologischen Landbau auf Dauer schädigt. Biologica hat gegen diesen Erlass Klage eingereicht, verkündete Groingers.

Welche Hilfe hilft?
Bei der Geflügelpest sind alle betroffen: die konventionellen und die ökologischen Halter und Märkte. Aufstallen kann daher auch nur eine der möglichen Maßnahmen sein, die Tiere vor einer Infektion zu schützen, sagte Dr. Andreas Striezel vom Anbauverband Bioland. Er beschäftigte sich mit der Möglichkeit, die Tiere zu impfen. Einmal gibt es die Variante, die Tiere im Vorfeld präventiv zu impfen, was allerdings nicht unbedingt zielführend ist. Die Italiener versuchen das seit fünf Jahren, verzeichneten allerdings auch bereits 15 Ausbrüche in geimpften Beständen. Das Problem bei den Influenzaviren bestehe darin, dass der Virus genauso wie die menschliche Influenza äußerst mutagen ist. Möglicherweise müsse man jedes Jahr einen neuen Impfstoff für das Geflügel entwickeln, wie es bei Menschen auch geschieht. Zudem braucht das Tier für eine richtige Immunantwort seine Zeit, in der sich das Virus unkontrolliert ausbreiten muss. Das erhöhe die Gefahr einer Verbreitung zwischen den Betrieben. Gängige Impfpolitik ist nur erfolgreich, wenn der Impfstoff zuverlässig ist und das Virus sich nicht verändert.
Die zweite Variante ist die Impfung im Falle einer Gefahr, also nicht präventiv. Da scheint größere Übereinstimmung zu bestehen, und wird auch von Clemens Oude Groingers befürwortet. Der holländische Landwirtschaftsminister Cees Verman versucht zurzeit die EU für eine Impfkampagne vor dem nächsten Herbstvogelzug zu bewegen. Das allerdings erscheint zurzeit sehr optimistisch, denn Prof. Mettenleiter vom Friedrich-Loeffler-Institut sieht diesen Termin als frühesten an, einen marktfähigen Impfstoff vorliegen zu haben.

Zucht und Bäume
Der Ökolandbau müsse sich auch angesichts der Vogelgrippe auf seine Prinzipien berufen, forderte Helen Browning von der englischen Soil Association. Der beste Schutz der Tiere sei eine robuste Gesundheit. Gerade die ökologische Landwirtschaft hat mit ihrer biodiversen Ausrichtung ein genetisches Potenzial aufzuweisen, das kommenden Gefährdungen standhalten könnte. Ewiges Keulen der Bestände kann keine dauerhafte Lösung sein und die Impfoption solle nicht dazu führen, dass sie alle Anstrengungen bindet und andere Optionen benachteiligt. Die Züchtung kann als Lösung allerdings auch erst für die Zukunft eine Variante sein, denn auf die aktuelle Situation kann sie nicht reagieren ? und man hat auch noch gar nicht angefangen.
Groingers sieht im Pflanzen von Bäumen eine weitere Möglichkeit, das Übertragungsrisiko von den Wildvögeln zu minimieren - Gänse beispielsweise lieben für ihre Rast baumlose Flächen.
Ziel ist, auch da waren sich die Referenten einig, das Virus aus der EU herauszuhalten. Daher muss es erst wieder heraus gebracht werden.
Infizierte Vögel werden sich nicht dort aufhalten, wo die beste Logistik ist, sondern diese muss dort funktionieren, wo infizierte Vögel sein können. Mit einer administrativen Vorstellung wie auf Rügen wird das aber nicht gelingen.

Roland Krieg

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