Volle Scheunen - leere Kassen

Landwirtschaft

Der Wirtschaftsaspekt der guten Ernte

„Der Höhepunkt des Bauernjahres ist die Ernte“, sagte Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), am Freitag auf der Pressekonferenz zum Ernteabschluss in Berlin. Bis dahin hat die Natur den Bauern einiges an Nerven gekostet: Phänologisch ist die Vegetation gut zwei Wochen früher in das neue Jahr gestartet, der Regen zu Beginn der Getreideernte zwang die Bauern immer wieder zu Arbeitspausen, doch letztlich hat der August mit seiner stabilen Wetterlage dann ein gutes Ernteergebnis eingefahren. Die Bauern müssen noch nicht einmal den Trockner anwerfen – die Sonne spart die Trocknungskosten für die Einlagerung des Getreides.
Trotzdem gibt es Grund zur Klage. Am vergangenen Dienstag trat der Fachausschuss Getreide im DBV zu einer kurzfristig anberaumten Sitzung zusammen. Grund: „Fast historisch zu nennende Tiefstände“ des Getreidepreises. Brotroggen liegt 37 Prozent unter Vorjahresniveau, Brotweizen um 36 Prozent und Braugerste sogar um 45 Prozent, so dass Sonnleitner kaum noch empfehlen mochte, Braugerste für weniger als 10 Euro je Dezitonne im nächsten Jahr wieder anzubauen.

Der Bauer als Unternehmer ist gefragt
In diesem Jahr braucht der Teller den Tank. Die Bauern bekommen für den Brotweizen zwischen 10 und 12 Euro je Dezitonne, während der energetische Wert am Ölpreis gemessen, bei geringerer Qualität in der Verbrennung fast 24 Euro je Dezitonne erzielt. Für Sonnleitner spiegelt das die „Chance des neuen Marktes“ wider: „Wir Bauern können froh sein, dass wir die Bioenergie haben.“ Wenn der Teller den Bauern nicht ernährt, dann derzeit wenigstens der Tank.
Rechenbeispiel: Aus 100 Kilogramm Braugerste brauen die Brauereien fast 500 Liter Bier. Das sind 50 Kästen im Laden, doch der Bauer kann sich für die neun Euro kaum einen einzelnen davon leisten.

Der Rheinische Landwirtschaftsverband (RLV) hat für das Rheinland berechnet, dass die Getreidebauern rund 800 Gramm Getreide je Quadratmeter geerntet haben. Das reiche für ein Kilogramm Brot aus 16.000 Getreidekörnern. Gesät haben die Bauern etwa 400 Körner je Quadratmeter, so dass sie nach genügend Regen, Sonne und ackerbaulicher Pflege etwa das 40-fache ernten können. Aber die Preise sind besorgniserregend. Gegenüber 1950 liegt der Weizenpreis um ein Drittel niedriger. Damals hat der Getreidepreis den Brotpreis noch zu zwei Drittel bestimmt. Heute nimmt der Erzeugerpreis am Brotlaib nur noch einen Anteil von vier Prozent ein. Wären die Erzeugerpreise seit 1950 genauso stark gestiegen wie die Inflationsrate, bekämen die Bauern heute etwa 80 Euro je Dezitonne Weizen.

Die Preisdiskussion verdrängt die Meldungen über eine sehr gute Ernte. Zwar habe die Erntemenge von 49,9 Millionen Tonnen Getreide das gute Ernteergebnis aus dem Vorjahr nicht erreicht, liegt aber acht Prozent über dem Fünf-Jahresschnitt. Winterweizen liegt mengenmäßig auf der Höhe des Vorjahres, Wintergerste liegt mit 68,3 Dezitonne je Hektar über dem Ergebnis des Vorjahres, der Rückgang der Sommergerste wird mit den anhaltend niedrigen Preisen und dem damit rückläufigen Anbau begründet, Raps hat mit einem Ernteplus von 15 Prozent „alle überrascht“ und auch die ersten Ergebnisse der Obsternte liegen über denen von 2008. Trotz Hagelschlag gab es keine flächigen Frostschäden.

Erhebung Erzeugerpreise
Nachdem die Zentrale Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) im Kielwasser der CMA mitliquidiert wurde, sind Neuregelungen zur Erfassung der Erzeugerpreise notwendig geworden. Am Sonntag hat der sächsische Agrarminister Frank Kupfer mitgeteilt, dass Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ihre Erzeugerpreise künftig gemeinsam über das Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern ermitteln. „Die Erfassung der Preise landwirtschaftlicher Produkte ist eine wesentliche Voraussetzung für die Markt- und Preisberichterstattung in Gesamtdeutschland und somit auch in Sachsen“, sagte Kupfer. „Mit der Bereitstellung der Daten erfüllen wir nicht nur Verpflichtungen gegenüber der EU-Kommission. Vor allem für unsere Landwirte sind die Daten sehr wichtig. Sie können mit Hilfe von aktuellen Preisen ihre Verkaufsstrategien festlegen und Schlussfolgerungen für die Entwicklung ihrer Betriebe ziehen.“

Insgesamt zeigt die Ernte 2009 den Bauern vor allem die Probleme des Unternehmertums auf. Die Agrarmärkte haben sich globalisiert und ziehen schwankende Preise nach sich. Klima, Wechselkurse und internationaler Warenverkehr fordern nach Sonnleitner den Betrieb zum unternehmerischen Handeln auf. Risikovorsorge ist das Gebot der Zukunft. Die Betriebe, die mit Vorverträgen ihre Ernte früh preislich abgesichert hatten, konnten ihr Vermarktungsrisiko erfolgreich verringern, so der DBV. Sie haben höhere Preise erzielt, als die Bauern, die auf Tagespreise angewiesen sind. Wer das börsennotierte Vertragsspiel scheut, der kann Lagerhaltung betreiben und seine Ernte dann verkaufen, wenn der Preis besser ist. Meist stabilisiert sich der Getreidepreis im Herbst und Winter.
Für welche Methode sich ein Betrieb entscheiden sollte lässt Gerd Sonnleitner offen. Gegenüber Herd-und-Hof.de erklärte er, dass sich je nach Betrieb, je nach Marktfrucht und je nach Risikofreude des Bauern die eine oder andere Methode ergibt. Eine generelle Empfehlung will der Berufsverband nicht vorgeben.
Es geht dem DBV um die „Stärkung der Eigenvorsorge“. Dazu gehört auch die Risikoabsicherung wie beim Paradebeispiel Hagelversicherung. Mehr als 60 Prozent der Ackerfläche sind gegen Hagel versichert und die Versicherer bieten weitergehende Konzepte an: Gegen Frost, Auswinterung, Sturm und Starkregen. Das Bundesfinanzministerium verlange aber 19 Prozent Versicherungssteuer auf diese neuen Produkte. Je nach Einzelfall wären sie damit zwischen fünf und 20 mal teurer als die Hagelversicherung, so Sonnleitner: „Das können wir nicht akzeptieren!“
Als Grundlage für alle Investitions- und Risikoabsicherungen erneuert Sonnleitner seine Forderung nach einer steuerfreien Risikorücklage, wie sie in der Forst- und Versicherungswirtschaft möglich ist. Die CDU/CSU-Fraktion und der Bundesrat sollen das bereits unterstützen.

Getreideart

ha (zum Vorjahr)

t (zum Vorjahr)

dt/ha (z. Vj.)

Winterweizen

3.201.500 (1,2 %)

25.734.314 (0,1 %)

80,4 (-1,1 %)

Wintergerste

1.463.700 (3,2 %)

10.003.826 (6,8 %)

68,3 (3,4 %)

Sommergerste

448.100 (- 17,6 %)

2.219.169 (-14,6 %)

49,5 (3,6 %)

Roggen

738.700 (0,2 %)

3.919.806 (4,7 %)

53,1 (4,5 %)

Triticale

396.600 (0,6 %)

2.411.580 (1,3 %)

60,8 (1,9 %)

Hafer

163.600 (- 8,9 %)

758.071 (1,3 %)

46,3 (4,8 %)

Körnermais / CCM

462.900 (- 11,1 %)

4.519.245 (-11,5 %)

97,6 (- 1,5 %)

Deutschland

6.936.800
(- 1,4 %)

49.950.270
(- 0,3 %)

72,0
(1,1 %)

Q: DBV

Gute Ernteergebnisse: Welt
Der Internationale Getreiderat rechnet weltweit mit einer Getreideernte in Höhe von 654,3 Millionen Tonnen, denen ein Verbrauch von 642,0 Millionen Tonnen gegenübersteht. Das US-Agrarministerium liegt mit seinen Einschätzungen bei 656,5 Millionen Tonnen Getreide (ohne Reis). Die höchsten Lagerbestände seit dem Erntejahr 2001/2002 reichten derzeit für rund 100 Tage, was zwar die Versorgungslage entspannt, aber die Preissituation verschärft hat. Die Preise geraten unter Druck. Die Finanzkrise wird vereinzelt auch als Nachfragebremse angeführt.

Gute Ernteergebnisse: EU
Die EU hat die europäische Getreideernte bereits auf 285 Millionen Tonnen geschätzt, was die meisten Ernten der Vergangenheit übertrifft. Sie bleibt aber unter der Rekordernte von 2008 in Höhe von 310 Millionen Tonnen. In diesem Jahr wurde die Getreideanbaufläche um 2,8 Prozent verringert. In Spanien und Portugal hat die Trockenheit, in Mittel- und Osteuropa haben Regenfälle Ertrag und Qualität gemindert. Christian Gessl, Abteilungsleiter für Marktordnungen und Marktberichte in der österreichischen AMA rechnet mit einem weiteren Anstieg der Ethanolproduktion und einem Rückgang in der Mischfutterproduktion, weil die Tierbestände abnehmen.

Lesestoff:
1. Erntebericht
2. Erntebericht

Roland Krieg; Foto: roRo; Grafik: DBV

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