Von der Hagel- zur Mehrgefahrenversicherung

Landwirtschaft

Dürreversicherung in Deutschland

Die letzten Apriltage 2016 werden Hunderte von österreichischen Landwirten im Süden und Osten des Landes nicht mehr vergessen. Ein heftiger Wintereinbruch riss Hagelnetze herunter, knickte Obstbäume und ganze Maisfelder wurden unter Massen an Schnee vergraben. Mittlerweile wird der Schaden aus zwei Wintertagen Ende April mit rund 250 Millionen Euro angegeben. Auch in Baden-Württemberg begrub Schnee blühende Rapsfelder unter sich.

„Das Wetter war schon immer nicht genau kalkulierbar“, sagte Dr. Rainer Langner auf der 4. Ackerbautagung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) am 09. Mai in Berlin. Der Vorstandsvorsitzende der Vereinigten Hagel beschrieb, was hinter den agrarpolitischen Forderungen nach einer „Versicherungslösung“ gegen Wetterextreme steckt.

Die ersten Hagelversicherungen gab es Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland. Auf dem Weg zur Mehrgefahrenversicherung haben aber mittlerweile die Nachbarn die Nase vorn. Der Temperaturanstieg im Klimawandel fördert Wetterextreme und verlegt den Start der Vegetation nach vorne. Wintereinbrüche wie Ende April haben dann große Auswirkungen. Für einzelne Betriebe wird so ein elementarer Schaden zur Existenzfrage.

Italien, die Niederlande und Polen fördern den Abschluss solcher Versicherungen. Auch in den USA wurde die Versicherungslösung in den 1990er Jahren flächenmäßig ausgebaut. Dort sind gut 90 Prozent der Fläche versichert. In Südostasien werden derzeit die meisten Neuversicherungen abgeschlossen. Indien und der Mittlere Osten haben jüngst damit begonnen. Weltweit sind 78 Prozent der Versicherungsprämien subventioniert. In Südtirol bis zu 80 Prozent. Die polnische Regierung hat im Haushalt gerade 400 Millionen Euro dafür bereit gestellt. Deutschland kocht auf kleiner Flamme: Die Abschlüsse einer Mehrgefahrenversicherung bei Mais und Weizen gegen Sturm und Starkregen haben erst 2013 zugenommen, nachdem die Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf den Satz der Hagelversicherung mit 0,03 Prozent gesenkt wurde.

Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des DBV, erklärte die Zurückhaltung: Der Abschluss einer Versicherung ist Sache der Landwirte. Fördergelder sollten eher für andere Unterstützung ausgegeben werden. Ob dann aber „ad hoc“-Zahlungen als Hilfe nach Wetterextremen für den Staat eine preiswertere Lösung sind, bezweifelt Dr. Langner. Denn die Wetterextreme werden sich häufen.

Neu im deutschen Versicherungsportfolio ist eine Dürreversicherung. In Italien, Litauen Luxemburg und den Niederlanden ebenfalls bereits Standard. Das Problem: Dürreschäden sind schwer zu beziffern. Die Lösung: Mit der Bodenfeuchte als Prozent der nutzbaren Feldkapazität (nFK) im Landkreis wird ein Index festgelegt, dessen Unterschreitung den Versicherungsfall auslöst. Die Höhe der Entschädigungsleistung ergibt sich aus der Differenz der Ertragsdaten einer Kultur im Landkreis zum Gebietsertrag im Dürrejahr. Die Berechnung ist eine reine Rechenaufgabe, ein Vororttermin nicht nötig. Der Betriebsertrag spielt keine Rolle. Das Geld wird erst im Frühjahr des Folgejahres ausbezahlt, nachdem alle Daten verfügbar sind. Auf diese Weise können zwischen 30 und 50 Prozent des Produktionswertes abgesichert werden. In Jahren mit einem „normalen Ertrag“ oberhalb der Indices nFK und Dürregebietsertrag wird nur die Versicherungsprämie fällig.

Roland Krieg

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