Von Schwerin lernen, heißt …
Landwirtschaft
Schon wieder Backhaus!
Der in Mecklenburg-Vorpommern „ewige“ Landwirtschaftsminister Till Backhaus kommt schon manchmal hemdsärmelig rüber – aber immer authentisch. Das ist für einen bodenständigen Agrarier aus der SPD eine Seltenheit. Berlin ist für den mittlerweile 23 Jahre im Amt weilenden Minister ein „Haifischbecken“, wie er es dem Autor gegenüber einmal sagte. Zudem weiß er, was er in Schwerin hat. Sein Landesvolk kritisiert ihn immer mal wieder. Aber was ihm sogar bundesweit zu einem guten Ruf verholfen hat, ist seine Vorausschau. Er appellierte, wenn auch oft umsonst, an die Kommunen sich rechtzeitig vor dem Auslaufen der Förderung Ost wirtschaftlich divers aufzubauen. Er hat als erster weit vor Brüssel eine konkrete Blaupause für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) erarbeiten lassen [1]. Oder baut Zäune, bevor die Afrikanische Schweinepest eindringt. Auf Landesebene funktioniert so etwas. Und ruckelt sich im Notfall zusammen. In Berlin sind das die ersten Pflastersteine auf den Weg in die politische Isolation.
Dennoch kann Berlin immer mal wieder nach Schwerin schauen, ob da nicht wieder etwas vorbereitet ist, was an der Spree noch in nebulöser Diskussion liegt. Beispielsweise das Segment Landwirtschaft im Koalitionsvertrag. Immerhin ist Backhaus auch Teilnehmer in der Arbeitsgruppe Landwirtschaft der möglichen Ampelkoalitionäre.
Landwirtschaft im hohen Norden
Die Landwirtschaft hat es gegenüber dem rot-gelb-grünen Sondierungspapier in Berlin in der rot-roten Regierungskoalition in Schwerin zu einem eigenständigen Kapitel geschafft. Auch der Ergebnisbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft steht im am Montag vorgestellten Koalitionsvertrag drin. Die landeseigenen Flächen werden nicht weiter privatisiert und sollen für den ökologischen Landbau mit landwirtschaftlichen Familienbetrieben genutzt werden. Backhaus ist der einsame Rufer im Osten, der die Restflächen der Bodenverwertungs- und –verwaltungs GmbH (BVVG) an die Bundesländer übertragen will. Den Ausverkauf des Bodens wollen SPD und Linke begrenzen und „Share Deals sind in die Genehmigungspflicht des Grundstücksverkehrsgesetzes einzubeziehen.“ Vom Bund erwartet Backhaus eine finanzielle Unterstützung für den Ausbau der Ökolandwirtschaft in den nächsten fünf Jahren auf 20 Prozent. Unerfahren ist das Land mit der Ansiedlung von neuen Verarbeitungsbetrieben für die Agrarproduktion nicht. Das wollen die beiden Parteien künftig stärker fördern. Agroforstsysteme werden Teil der Agrar- und Umweltmaßnahmen.
Aufmerksamkeit erfahren auch die Forschungsinstitute wie das Gut Dummerstorf, das mit dem Thünengut Tellow als Lehr- und Versuchsgut zu einer bundesweit anerkannten Agrarforschungsstelle ausgebaut werden soll. Das ist schon deutlich mehr, was von Berlin in Richtung Agrarforschung zu erwarten ist. Die dem Bundeslandwirtschaftsministerium nachfolgenden Behörden, wie das Julius Kühn-Institut, BLE und BVL sowie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) müssen sich, trotz Unabhängigkeit, bei Änderung der Berliner Ressortausrichtung auf neue Schwerpunkte einstellen. Noch mehr Umwelt, wenn Agrar und Umwelt zusammengehen, oder wirtschaftlich betont, wenn Agrar in das Wirtschaftsministerium verschwindet.
Für die digitale Landwirtschaft stellt Schwerin die Satelliten-Korrektursignale und eine Datenplattform für relevante landwirtschaftliche Daten kostenfrei zur Verfügung. Während Berlin noch mit der Borchert-Finanzierung hadert und die Zukunftskommission nur dem Namen nach kennt, will Backhaus eine MV-Nutztierstrategie 2030 auf den Weg bringen. Das Land hat nach der Wende ein Drittel seines Tierbestands verloren. Lebendtiertransporte für Schlachtungen in Drittländer sollen verboten werden.
Allein eine Frage ist derzeit noch offen: Hängt Backhaus noch eine Amtszeit in Schwerin dran?
Lesestoff:
Der GAP-Hammer aus Schwerin: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-gap-hammer-aus-mv.html
Roland Krieg
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