Vorsorge bei der Grünen Gentechnik
Landwirtschaft
Minister trifft Kritiker
Der Begriff „Grüne Gentechnik“ bezeichnet die Anwendung gentechnisch veränderter Pflanzen mit einem hohen Innovations- und wachstumspotenzial“, so die Universität Bayreuth. Am 10. April luden die Bayreuther zusammen mit der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel (BfEL) zu einer öffentlichen Vortragsveranstaltung in das Schloss Thurnau. Im Rahmen der zweiten „Bayreuth-Kulmbacher Fachgespräche“ stellten sie das breite Spektrum der Anwendungsgebiete der Gentechnik vor: Die Erzeugung krankheits- und schädlingsresistenter Nutzpflanzen, Steigerung landwirtschaftlicher Erträge bei ungünstigen Bodenvoraussetzungen, die Verbesserung der Qualität und Haltbarkeit von Lebensmitteln, die Produktion von Impfstoffen oder die Möglichkeit, tierische Produkte mithilfe molekulargenetischer Verfahren bis zum Erzeuger zurück zu verfolgen.Gefahr ohne Nachweis?
Die nordbayrischen Fachgespräche verwiesen auch auf den allgemeinen weltweiten Einsatz der Grünen Gentechnik: auf mehr als 70 Prozent der Sojaanbaufläche stehen gentechnisch veränderte Pflanzen. Forscher des BfEL am Standort Kulmbach konnten zusammen mit der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig Befürchtungen entgegentreten, die Verfütterung gentechnisch veränderter Pflanzen an Nutztiere bewirke eine Kontamination von Lebensmitteln, die aus dem Fleisch dieser Tiere hergestellt wurden. In keinem Fall konnte in dem Gewebe, so hieß es, DNA-Fragmente aus dem Futter nachgewiesen werden.
Trotzdem lehnen Verbraucher die Grüne Gentechnik mehrheitlich ab, was zuletzt auf der Internationalen Grünen Woche vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in einer „symbolischen Volksbefragung“ erneut erfasst wurde. 93 Prozent der 2.000 befragten Besucher lehnten die Grüne Gentechnik ab. Von einem Verbrauchermarkt kann daher nur wenig die Rede sein. Aber auch die EU sieht in einem 300-Seiten umfangreichen Dokument an die Welthandelsorganisation (WTO) die Gentechnik kritisch. Sie hat zwar selbst mehrere Genpflanzen zugelassen, will aber mit diesem Dokument das Importverbot für Genprodukte aus Argentinien, Kanada und den USA rechtfertigen. Am 18 April nahm der Zusammenschluss europäischer Umweltverbände, Friends of the Earth, das Dokument in Wien unter die Lupe. Die Kommission gibt zu: „Es gibt einfach keinen Weg zu ermitteln, ob die Einführung von Gentech-Produkten irgendwelche anderen Effekte auf die menschliche Gesundheit hat. (…) es gibt keinen eindeutigen, uneingeschränkten, wissenschaftlich klaren Grenzwert, um zu entscheiden, ob ein Gentech-Produkt sicher ist oder nicht.“ Es sei ein „begründeter und rechtmäßiger Standpunkt“, dass schädlingsresistente Pflanzen nicht angebaut werden sollen, bis alle Auswirkungen auf den Boden bekannt seien.
Mit der Neuregelung der Kenzeichnung wurde das Importverbot gegen die drei Länder allerdings 2004 bereits wieder aufgehoben.
Die Klammer der Koexistenz
Mehrheitlich wird auch nicht mehr eindringlich gefordert, die Grüne Gentechnik abzuschaffen. Dazu bekommt man sie nicht mehr aus der Welt. Die Koexistenz ist zur Zeit die Klammer, die Befürworter und Gegner an einen Tisch bringt. So soll es möglich sein, gentechnisch veränderte Pflanzen und einen Landbau, der auf Gentechnik verzichtet, nebeneinander existieren zu lassen. Im Koalitionsvertrag der Regierung heißt es, dass Grüne Gentechnik verantwortlich zu nutzen ist. Das Gentechnikgesetz soll so geregelt werden, dass Forschung und Anwendung gefördert werden können, aber Mensch und Natur geschützt sind. Dazu gab es zwischen Landwirtschaftsminister Horst Seehofer und ökologischen Verbänden und Instituten am letzten Donnerstag ein Informationsgespräch.
Dr. Joachim Lohse, Geschäftsführer des Öko-Instituts sagte zum Thema Koexistenz nach dem Treffen: „Die Wahlfreiheit für den Verbraucher ist nur dann sichergestellt, wenn es im Bereich der Landwirtschaft und der Lebensmittelwirtschaft klare und verlässliche Mechanismen gibt, wie mit der so genannten Grünen Gentechnik umgegangen wird. Das Öko-Institut fordert deshalb vor allem klare Regeln für die Koexistenz von Bewirtschaftungsformen mit und ohne Gentechnik. Denn dafür gibt es kein Patentrezept, stattdessen müssen für jede Nutzpflanzenart eigene Maßnahmen ergriffen werden.“
Befürworter der Gentechnik sehen in der Koexistenz kein Problem und argumentieren gerne damit, dass beispielsweise Mais nicht auskreuzen kann, weil er während des kalten Winters sowieso nicht überlebt. Eine parallele Nahrungskette muss auch nicht unbedingt erheblich teurer sein, wie eine britische Studie bezifferte.
Hingegen sieht Dr. Prinz Felix zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) darin einen Stolperstein: „Echte Wahlfreiheit verlangt, dass die Kosten für Vorsorgemaßnahmen von denjenigen getragen werden, die sich von der neuen Technologie Gewinne versprechen. Sonst kommt es zu der grotesken Situation, dass die Menschen höhere Preise für normale Lebensmittel zahlen müssen, weil einige wenige auf den Einsatz der Gentechnik setzen.“ So fordert de BÖLW bei der Anhörung, dass das Verursacherprinzip bei der Haftung, insbesondere für real entstehende Schäden durch GVO-Verunreinigung egal in welcher Höhe ungesetzt werden muss. Auch die Kosten der Auskreuzungsüberwachung auf Nachbarfelder müssten von den Verwendern der Gentechnik mitbezahlt werden. Ein Futterwagen, der für beide Landwirtschaften gemeinsam genutzt würde, müsste jedes Mal sehr aufwendig gereinigt werden, um auch an den Förderschnecken jegliche Verunreinigungen zu vermeiden – oder zweimal gekauft werden.
Anfang April wies aber der Deutsche Bauernverband (DBV) bereits darauf hin, dass eine Koexistenz nicht nur für Deutschland geregelt werden müsse. Alle EU-Mitgliedsstaaten arbeiten zur Zeit nationalen Rechtsvorschriften aus, die durchaus unterschiedlich zueinander sein können. Die EU überlässt die Regelungskompetenz den Ländern, was zu Wettbewerbsverzerrenden Situationen führen kann, warnte der DBV.
Wessen Markt?
Wenn schon nicht die Verbraucher den Nachfragemarkt für gentechnisch veränderte Produkte bilden, so muss es dann einen Angebotsmarkt dafür geben. Ende des letzten Jahres tagten in Rostock Wissenschaftler und Politiker bei der Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft. Dabei zeigte sich, dass der Trend bei Lebensmitteln dahin geht, nur noch zusätzlich veredelt einen Wert darzustellen. Auftretende Zielkonflikte werden ausschließlich über die Wertschöpfung verhandelt.
Einen ausführlichen Bericht über die Thurnauer Tagung sowie Kurzfassungen der Fachvorträge sind jetzt im Internet nachzulesen: www.uni-bayreuth.de/aktuelles/bk-gentechnik-tagung.html
Den Bericht der EU finden Sie unter www.foeeurope.org/biteback/EC_case.htm
Die vollständige Stellungnahme des Öko-Instituts lesen Sie unter: www.oeko.de/oekodoc/280/2006-004-de.pdf
VLE