Wackelkandidat Janusz Wojciechowski wackelt

Landwirtschaft

Wojciechowski bleibt zu vage

Janusz Wojciechowski

Der polnische Kommissionkandidat Janusz Wojciechowski galt als Wackelkandidat. Zuvoe hatte Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits ihre Kandidaten Rovana Plumb aus Rumänien und Laszlo Trocsanyi wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten verloren. Auch Wojciechowski hatte offene Reisegelder nachgezahlt, die EU-Betrugsagentur OLAF das Verfahren eingestellt.

Erst zum Schluss der Anhörung zu seiner Kandidatur im Agrar-Ausschuss des Europaparlamentes kam dieses Thema zur Sprache. Er habe die Gelder vor den Untersuchungen zurückgezahlt, sagte er, und sei Opfer einer Überzahlung der EU-Agentur gewesen und kein Täter.

Das allerdings hat den zu Beginn nervös in die Runde blickenden Polen nicht aus der Bahn geworfen. Im Verlauf der Anhörung fand er zu sich und arbeitete mit gefalteten und zum Spitzdach gefalteten Händen. In der Lehre über die Gestik sind das Zeichen von Überlegenheit und Abwehrhaltung. Das er dennoch nach der Anhörung nur sehr wenig Applaus erhielt und in einer Nachsitzrunde neue Fragen schriftlich beantworten muss, hat er seinen vagen Antworten zu verdanken.

Wojciechowski vermied den Eindruck, seine PiS-Partei habe ihn in die Kommission geschickt, um mehr polnische Interessen durchzusetzen. Er erinnerte an Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, die mit ihren Visionen die Agrarpolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft „EWG“ umsetzten. Die europäische statt der polnischen Karte spielte Wojciechowski auch mit dem Hinweis aus, dass der Europäische Rat und das Europaparlament für die Nivellierung der Ungleichheiten in Europa zuständig sind.

Dem Agrar-Standardsatz, die Landwirtschaft nachhaltig, modern und effektiv zu gestalten, folgte jedoch wenig. 12 Jahre war er Mitglied des Agrarausschusses und hat als Mitarbeiter beim Europäischen Rechnungshof Berichte über Fehler in der Agrarpolitik verfasst [1]. Um den „Green Deal“ von Ursula von der Leyen kommt er nicht herum. Wie dieser umgesetzt werden könnte, hat er nicht benannt. Wojciechowski möchte einen Unterschied zwischen intensiver und Industrieller Landwirtschaft machen, befürwortet kleinere bäuerliche Betriebe und spricht sich in den schriftlichen Antworten für eine verpflichtende Kappung aus. Mündlich hingegen will er über alles noch einmal diskutieren. Im Rahmen des Delivery Modell sollen die Mitgliedsländer selbst entscheiden, wie viel Geld sie zwischen den Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in beide Richtungen verschieben. Das Referenzsystem sollen Umweltmaßnahmen sein. Der mögliche Agrar-Kommissar erlaubt Präzisions-Landwirtschaft neben dem ökologischen Landbau, will tradiertes Wissen auch als Innovation in der Landwirtschaft zählen. Er passte Antworten an den Fragesteller an.

Wojciechowski sprach viel über eine langfristige Vision für die Landwirtschaft, wollte aber nichts Konkretes benennen. Er will die Vision mit dem Europaparlament gemeinsam entwickeln, obwohl ein Vorschlag sicherlich besser in die Bewerbungsrunde gepasst hätte.

Der Agrarhandel gehöre zur Ernährungssicherheit Europas hinzu, wie der Exporterfolg europäischer Premiumprodukte in Drittländer. Gleichzeitig will er die Landwirte vor schädlichen Importen schützen.

Wirklich Neues hat Wojciechowski nicht aufgezählt. Vielleicht, dass die Direktzahlungen regional an die individuellen Bedürfnisse der Länder angepasst werden könnten. Ohne das aber näher zu erläutern.

Wojciechowski konnte zu aktuellen Ereignissen für sein Ressort nichts beitragen. Mitte September hatte von der Leyen damit überrascht, dass die Abteilungen für die staatlichen Beihilfen im Agrar- und Fischereiressort aus der Generaldirektion Agri in die Generaldirektion Wettbewerb übertragen werden. Was auf den ersten Blick nach einer Verwaltungsreform aussieht, kann auch weitreichende, vor allem ablehnende Folgen für die Notifizierungen länderspezifischer Wünsche bedeuten.

Heute bekommt der Kandidat neue Fragen vorgelegt, um konkreter zu werden. Die Antworten entscheiden darüber, ob er innerhalb der nächsten beiden Wochen noch einmal eine Chance für eine Anhörung bekommt.

Lesestoff:

[1] Vereinfachung darf nicht zu Verunsicherung führen: https://herd-und-hof.de/handel-/vereinfachung-darf-nicht-zu-unsicherheit-fuehren.html

Roland Krieg; Foto: Screenshot der Anhörung

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