Wässerwiesen sollen wiederbelebt werden
Landwirtschaft
Wiesen unter Wasser erhöhen Artenvielfalt und Ernteerträge
Spätestens die Römer hatten mit der Wässerung von Wiesen
die Erträge gesteigert. Vermutlich haben bereits die Kelten gewässernahe Wiesen
zeitlich begrenzt unter Wasser gesetzt. Katrin Schwineköper vermutet in ihrer „Geschichte
der Wässerungsgenossenschaften am Beispiel der Stadt Freiburg“ [1], dass die
Stadtbächle in Freiburg ursprünglich ein zur Bewässerung angelegtes Grabensystem
waren. Dokumentiert sind die Bewässerungswiesen bei einer Schenkung an das
Kloster Tennenbach im Jahr 1220. Da gab es aber schon Streitigkeiten um den
Produktionsfaktor Wasser. Genossenschaften haben dann die Vereinbarungen
zwischen verschiedenen Wassernutzern niedergelegt. Besonders begehrt waren zunächst
die nährstoffreichen Abwässer der Stadt. Das Gras und Heu dieser Wiesen verlor
aber schnell an Wert und Qualität.
Die Blüte der so genannten Runzgenossenschaften,
abgeleitet vom alemannischen Wort „Runz“ für Rinnen, mit denen das Wasser auf
die Wiesen geleitet wurde, war Ende des 19. Jahrhunderts. 1851 wurde in Baden-Württemberg
sogar ein Wiesenkulturgesetz geschaffen mit dem Wässerungsanlagen auch gegen
den Einspruch von einzelnen Besitzern angelegt werden konnten. Eine der größten
Runzgenossenschaften war die 1839 gegründete „Brechtem-Silberhof-Runz“ mit 180
Mitgliedern und einem „Runzmeister“. Dieser organisierte mit Hilfe von
Runzknechten die Bewässerung von 78 Hektar Wiesen.
Nach dem 2. Weltkrieg ging das Geschäft zurück. Die
Anlagen waren zu teuer und die Wiesenbewirtschaftung erfuhr eine
Mechanisierung. Als Retentionsfläche erfährt die Wiesenwässerung wieder neue
Aufmerksamkeit. Nördlich von Freiburg sind die „Elzwiesen“ wieder in
traditionellem Kulturbetrieb.
Erfahrungen auf dem Gut Koselau
Albrecht Thaer, er als Gründer der Agrarwissenschaften gilt, übernahm 1795 die Administration von Gut Koselau in Holstein und prüfte, ob die über Wiesen fließende Mühlenaue für die Bewässerung der Wiesen geeignet sei [2]. Thaer beschrieb zunächst einmal den Aufwand für die Bewässerung mittels Holzdämmen und Rinnen, was nicht nur Arbeit, sondern auch Material kostete. 121 Reichthaler und 28 Schillinge für Material und 36 Reichsthaler und 36 Schilling für den Arbeitslohn hat Thaer dem Gut für das erste Jahr in Rechnung gestellt. Im zweiten Jahr wurde es etwas teurer. Es muss sich aber gerechnet haben. Vor der Bewässerung hat Thaer 239 Fuder Heu von den Wiesen geerntet. In den vier aufeinanderfolgenden Jahren nach der ersten Bewässerung hat Thaer 321, 290, 313 und sogar 436 Fuder Heu in die Scheune gebracht. Die beiden mittleren Jahre verzeichnete Thaer als ungünstige Heujahre, was umso mehr für den positiven Effekt der Wiesenbewässerung spricht.
Umfang der Wiesenbewässerung
Thaer hat Wert darauf gelegt, dass es zu keiner
Überstauung kommt. Er hat seine Be- und Entwässerungsanlagen so gebaut, dass
das Wasser in beständigem Fluss bis maximal Grasnarbe, über die ganze Fläche
verteilt hinweg fließt. Das setzte eine ständige Säuberung der Abzugsgräben für
deren volle Funktionstüchtigkeit voraus.
Thaers Wiesenbewässerung ist aber zeitlich umfangreich
eingeplant. Er hat die Bewässerung in den Herbsttagen vorgenommen, nachdem die
Kühe von der Weide in den Stall geholt wurden und bis zum Frost andauern
lassen. Endete der Frost im Frühjahr hat Thaer das Wasser wieder auf die Wiesen
gelassen und bis Ende Mai die Berieselung fortgeführt. In Süddeutschland aber
wurden das Wasser in kürzeren Zeiten auf die Wiesen geführt, so Thaer. Der
Wechsel von Bewässerung und Trockenheit hat wohl höhere Erträge hervorgebracht.
Voraussetzung war aber immer, das ausreichend Wasser zur Verfügung stand. Der
Mühlenbach auf Gut Koselau bekam sein Wasser aus Mühlenteichen, die am
Bachoberlauf der Müller nutzte. Dieser habe „des Nachts nicht immer Wasser laufen“
lassen, bedauerte Thaer.
Neues Forschungsprojekt
Das Institut für Umweltwissenschaften an der Universität
Koblenz-Landau greift die Geschichte wieder auf und wird dabei mit 170.000 Euro
von der Deutschen Bundestiftung Umwelt (DBU) gefördert. Projektleiterin Dr.
Constanze Buhk: „Wir wollen aus drei Perspektiven das vielseitige
Landnutzungskonzept der traditionellen Wasserwirtschaft untersuchen: aus Sicht
der Landwirtschaft, des Tourismus und des Naturschutzes“. Im Vordergrund steht
die Vermutung, dass über Jahre hinaus die Nährstoffversorgung der Wiesenböden
verbessert wird und die Heuernte dadurch steigt. Nebenbei könnte die Vielfalt
an Tieren und Pflanzen auf den bewässerten Flächen steigen. Mineraldünger habe
zu einer Vereinheitlichung der Pflanzenwelt geführt. Am Ende sollen Landwirte und
die Bevölkerung, die Wässerwiesen einschätzen.
Im Projekt sollen Bäche im April und im Juli und August
aufgestaut werden und für jeweils zwei Tage Gras und Kräuter unter Wasser
setzen. „Die Wiesen sollen nicht versumpfen und die Bäche nicht austrocknen“,
wiederholt Dr. Buhk das alte Credo von Thaer. Das Wasser kann aber in dieser
Zeit bis in alle Poren dringen und die Wiesen den ganzen Sommer über
ausgezeichnet mit Wasser versorgen.
Für die Wiederbelebung der Wiesenbewässerung wären alle
Regionen denkbar, in denen diese Form der Landnutzung schon einmal Tradition gewesen
sei. Aus ökonomischer Sicht werden die Ernteerträge mit denen verglichen, die
über eine Mineraldüngung hervorgebracht werden.
Lesestoff:
[1] Schwineköper, Katrin, Schüle, Eva-Maria und Konold, Werner: „Zur Geschichte der Wässerungsgenossenschaften am Beispiel der Stadt Freiburg“, In: Alemannisches Jahrbuch 1995/96, S. 257 – 292
[2] Albrecht Thaer, Annalen des Ackerbaus, 1805, Berlin
Roland Krieg