Wald: Genutzt oder geschützt?

Landwirtschaft

Metropole regional?

Die Diskussion um die Waldstrategie 2020 polarisiert. Wollte der Wald allen Ansprüchen genügen, müsste er in Deutschland 30 statt 11 Millionen Hektar Fläche bedecken. Wer mit Holz energetisch oder stofflich den fossilen Rohstoff Erdöl ersetzen will, kommt um eine Nutzung nicht herum. Auf der anderen Seite bietet gerade der Wohlstand in Deutschland dem Umweltschutz auch eine romantisierende Ebene des Naturschutzes an, sich eine Traumlandschaft schaffen zu wollen. Die Kunst besteht darin, beides miteinander zu verknüpfen.

Den Wald wieder nutzen lernen
„Der Wald hat einen hohen Sympathiewert und wir müssen sehen, dass es auch so bleibt“, kommentiert Dr. Urban Rid aus dem Bundesumweltministerium. Das eigentlich bescheidene Ziel bis 2020 jetzt 18 Prozent der Primärenergie aus erneuerbaren Quellen zu generieren, macht alleine die Herausforderungen den Verbrauchern noch nicht klar. Das Ziel könne erreicht werden wenn die Energieeffizienz verbessert wird, so Rid, und Abfall sowie Reststoffe in die Verwertung miteingeführt werden. Der Ausbau der Kraftwärmekopplung gehört dazu. Dennoch wird die Biomasse, und damit das Holz, eine wesentliche Rolle spielen. 70 Prozent der erneuerbaren Energien werden heute bereits aus Biomasse erzielt – 29 Prozent beim Strom und 94 Prozent auf dem Wärmemarkt. Die Nutzung der Biomasse und vor allem die Nutzung des Waldes wird verstärkt werden müssen.
Und das, obwohl der Wald auch ein Opfer der Klimaerwärmung ist. Nach Rid ist der heiße und trockene Sommer von 2003 ein Beispiel gewesen, was uns in Deutschland künftig erwartet. Unter Trockenheit, Orkane und Starkregen leiden auch die Wachstumsprozesse der Biomasse.

Baum an der OderWelchen Wald braucht der Naturschutz?
Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz hält den Gesamtvorrat an ökologisch besonders wertvollen Totholz in Deutschland mit einem bundesweiten Mittel von 11,5 m3 je ha für nicht ausreichend. Vor allem umfasst das stehende Totholz lediglich 2,4 m3 je ha. Der Anteil historischer Waldnutzungsformen wie Nieder-, Mittel und Hutewald betrage weniger als ein Prozent der Fläche. Zur Zielerreichung der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zählt Jessen vor allem den Schutz alter Waldstandorte und den erhalt alter, traditioneller Nutzungsformen. Im Privatwald soll der Vertragsnaturschutz auf 10 Prozent der Fläche erhöht werden. Ein Viertel der Rotbuchenwälder weltweit wächst in Deutschland. Deshalb bildet das Naturerbe Buchenwälder einen Schwerpunkt in der globalen Verantwortung.
Q: Tagungsband 1

Die Dimensionen begreifen
Als der größte Energieversorger Berlins, Vattenfall, ankündete, sein Braunkohlekraftwerk Klingenberg in Lichtenberg auf Biomasse umzustellen, um damit den größten Teil Ostberlins mit Strom und Wärme aus regenerativen Energien zu versorgen, kam im März 2009 eine deutliche Versorgungsnachfrage auf dem Tisch. Neben bestehenden Bioenergiedörfern begibt sich die Metropole Berlin auf den Weg in die nachhaltige Zukunft?
Klingenberg soll 150 MW Heizwärme aus Biomasse liefern, so Dr. Jan Grundmann von Vattenfall Europe New Energy GmbH auf dem Waldstrategiesymposium. Geplant ist eine Anlage mit zwei Mal 20 MW elektrischer du einer für 75 MW Heizenergie. Daraus resultiert ein Bedarf von rund 400.000 Tonnen Biomasse im Jahr, die Berlin zugeführt werden muss. Lichtenberg liegt dabei ziemlich mitten in der Stadt.
Während Klingenberg noch in der Planungsphase ist, wartet Vattenfall nur noch auf die Genehmigung zum Umbau des Heizkraftwerks im Märkischen Viertel. 2011/2012 soll das wärmegeführte Biomasseheizkraftwerk ans Netz gehen. Vattenfall will besonders die Biomasse Waldrestholz nutzen – aus Brandenburg. Dr. Grundmann sagte, dass beispielsweise der Verband der Privatwaldbesitzer nach Bekanntgabe der Pläne bereits auf den Energieversorger zugekommen wäre, um sich nach den Lieferbedingungen zu erkundigen. Den Umgang mit großen Mengen Biomasse kennt Vattenfall aus Schweden und Finnland – wenn es im Spätsommer auf dem Lagerplatz nach Oliven duftet. Dann werden Olivenkerne aus dem Mittelmeerraum herangefahren, um die eine Million Tonne Biomassebedarf der dortigen Heizwerke zu decken.
Vergleichbare Konzepte gibt es für Berlin. Natürlich will man hauptsächlich das Restholz aus den Brandenburger Wäldern entnehmen und sich dabei auf die Kronenbestandteile beschränken. Dann stehe man nicht im Wettbewerb mit der stofflichen Stammholznutzung, so Dr. Grundmann Beide Nutzungen sollen sich ergänzen.

Brandenburg reicht nicht aus
Die Förster sehen das anders. Berlin liegt mitten in einer Landschaft sandiger Böden, auf denen schon alleine wegen der Nährstoffbilanz die Kiefern nicht mehr als zwei Mal in 140 Jahren geerntet werden sollten. Die Restriktion erhöhe den Beschaffungsradius auf mindestens 150 Kilometer, wobei die Logistikkosten letztlich einen Angebotspreis von 10 Euro je Festmeter übrig ließen. Dafür könne kein Waldbesitzer das Holz bereit stellen. Je höher jedoch der Holzpreis werde, desto eher lohne es sich dann aus Effizienzgründen nicht nur auf das Kronenholz, sondern auf den ganzen Stamm zurückzugreifen und befinde sich dann doch im Wettbewerb mit den stofflichen Verwertern.
Vergleichbare Beschaffungsgrößen seien allerdings für Stuttgart und München realisierbar, denn in Süd- und Südwestdeutschland erzielen die Wälder das doppelte Wachstumspotenzial und damit auch die doppelte Kronenholzmenge wie die sandigen Flächen Brandenburgs.
Den Preiskorridor von 10 Euro je Kubikmeter verneinte Dr. Grundmann allerdings gegenüber Herd-und-Hof.de. Er wollte zwar nicht verraten, wie viel letztlich bezahlt würde, doch lägen die Vorstellungen Vattenfalls „deutlich darüber“. Auch der Energieversorger weiß, dass der Radius von 150 Kilometer rund um Berlin nicht ausreiche. Klingenberg wird bereits heute über Binnenschifffahrtsstraßen mit Kohle versorgt. Da liegt es nahe das europäische Schifffahrtsnetz zu nutzen und die Biomasse überregional aufzukaufen. Bulgarien und Rumänien sind nicht zuletzt auch wegen ihres Biomassepotenzials in die EU aufgenommen worden. Ob die beiden Länder im Radar Vattenfalls liegen, wollte Herd-und-Hof.de wissen. Dr. Grundmann wollte diese Aussage weder verneinen noch bestätigten. Aber das Schifffahrtsnetz sei eine gute Option für die Logistik der Biomassebeschaffung. Details werden derzeit noch nicht verraten, doch läuft es auf eine Drittelung hinaus: Ein Teil stammt aus der näheren Umgebung, ein Teil von überregionalen Märkten und ein Teil werde von Kurzumtriebsplantagen stammen, so Dr. Grundmann.

HolzfaellungTendenziell ist der Holzvorrat in den Schutzgebieten niedriger als außerhalb, doch einen deutlichen Unterschied gibt es nach Ermittlungen von Holger Polley, stellvertretender Leiter des Instituts für Waldökologie und Waldinventuren in Eberswalde, nur in Naturschutz- und Natura-2000-Gebieten. Die Wälder in Schutzgebieten weisen mehr Totholz auf, haben eine höhere und naturnähere Baumartenzusammensetzung sowie einen höheren Anteil alter Bestände. Auf die Fläche bezogen ist der Holzvorrat geringer.
Q: Tagungsband 1

Wald im Fokus der Politik
Warum der Wald und die Biomasse so im Fokus der Ökonomie und Öffentlichkeit stehen, erklärt Holger Gassner von RWE Innogy Essen, dem jüngsten Kind der RWE, das sich mit erneuerbaren Energien beschäftigt: Das EEG, die Biotreibstoffquote und das erneuerbare Wärmegesetz richten die Aufmerksam unter dem gemeinsamen Oberziel der Kohlendioxideinsparung auf die Biomasse und forcieren dort den Nutzungsdruck. Dabei sei es falsch, Die Versorgung nur auf Deutschland einzuschränken. Die Balancierung von Nachfrage und Treibhausgasen sollte international verlaufen.
Während László Maráz vom Deutschen Naturschutzring die Trennung von Naturschutz und Nutzfläche präferiert, will Michael Prinz zu Salm-Salm von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände beides auf der gleichen Fläche vereint sehen. Es könne niemand auswählen, welche Fläche unter Naturschutz und welche für die Nutzung ausgewählt werden sollte, assistierte Prof. Dr. Arno Frühwald vom Johann Heinrich von Thünen-Institut. Man könne auch nicht alle Entlohnungen in den Holzpreis hineinlegen. Güter wie die Schönheit des Waldes, Biodiversität und Trinkwassersicherung wollen auch Verbraucher haben, die kein Holz kaufen. Das müsse anders geregelt werden. Prinz zu Salm-Salm stellt sich eine internationale Entlohung des eingelagerten Kohlendioxids vor.

Verhältnisse einpendeln
Maráz nutzte die Gelegenheit, die Forstwirte zu korrigieren. Es ist nicht nur der Umweltschutz, der über einen Nutzungsverzicht den Betrieben Wertverluste zufügt. Dazu gehören viel auch zu früh genutztes Holz oder zu hohe Wildbestände. Es gebe mehrere „Stellschrauben“ an denen ökonomisch gedreht werden müsste.
Was in den nächsten Jahrezehnten genau passiert, so Prinz zu Salm-Salm, wisse man nicht. Man habe lediglich Modelle und Vorstellungen. So will sich das Waldsymposium auch als Richtschnur verstehen, zumindest für alle Interessensgruppen einen Minimalkonsens zu formulieren.
Auch für den zweiten Teil wird es einen Tagungsband geben, das Bundeslandwirtschaftsministerium wird aus dem Symposium heraus ein Positionspapier formulieren, aus dem wiederum eine feste Position der Politik werden soll.

Lesestoff:
Teil I des Symposiums gibt es hier.
Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe finden Sie unter www.fnr.de
Der erste Tagungsband ist als Sonderheft 237 erschienen: Seintsch, B und Dieter, M. (Hrsg.) Waldstrategie 2020, Tagungsband zum Symposium am 10. und 11. Dezember in Berlin; ISSN 0376-0723; www.vti.bund.de
Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung hat politische Strategien untersucht. Wie wird sich der Wald entwickeln, wenn sich der Staat gar nicht, nur helfend oder moderierend eingreift. Die Szenarien und ihre Auswirkungen gibt es unter www.waldzukuenfte.de
Artikel auf Herd-und-Hof.de zum Thema Holzforschung finden Sie hier: IGW 2009 (Eberswalde und Städtebau), Bildung von Forstbetriebsgemeinschaften; Bayern und Österreich testen Bauholz
Zum Thema Klimawandel: NRW hat kürzlich seine Strategie gegen den Klimawandel vorgestellt, bei der auch die heimischen Wälder eine Rolle spielen.
Wie die Wälder der Zukunft aussehen könnten hat kürzlich die Abschlusstagung des NEWAL-NET gezeigt.

Roland Krieg; Fotos: roRo

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