Waldentwicklungsmodelle
Landwirtschaft
Ressourcenvorteile des klimaplastischen Wald
Der Abschlussbericht des Verbundprojekt zur „Nachhaltigen Entwicklung von Waldlandschaften im Nordostdeuteschen Tiefland“ (NEWAL-NET), der diese Woche in der Humboldt Universität Berlin vorgestellt wurde, fasst jedoch nicht nur gesellschaftsrelevante Thesen für das Verstehen von Nachhaltigkeit zusammen, sondern hat auch handfeste, Ressourcen schonende Vorteile.
Sichtbar wurden die Unterschiede überhaupt erst durch gigantische Rechenleistungen. So wurden die Auswirkungen verschiedener Modelle auf Treibhausgasemissionen aus 60.000 Einzelsimulationen aufgebaut, für die Computer mehr als 1.000 Rechenstunden leisten mussten.
Damit die Entwicklungsstadien nicht nur auf dem Papier und in Tabellen gezeigt werden können, hat „Silvisio“ dem Betrachter die 3D-Realität gezeigt. Je nach Schwerpunkt können Förster, Jäger oder Landschaftsplaner am Monitor durch die zukünftigen Auswirkungen ihrer Planungen streifen und Korrekturen vornehmen.
Als Referenzmodell dient die Fortschreibung der aktuellen Waldbewirtschaftung bis in das Jahr 2100. Grundlage der Waldentwicklungsmodelle ist der Klimabericht des IPCC und die klimaplastischen Wälder wurden anhand einer milden und einer strengeren Klimaveränderung hochgerechnet.
Der Sortenmix
Der reine Kiefernforst stellt auf den Endmoränen für die Waldbesitzer die höchste Risikostufe dar. Baumartenmischungen können den Klimaänderungen viel besser entgegentreten und wie bereits im ersten Teil beschrieben mit gegenteiligen sekundären Dickenwachstum bei Wetterfluktuationen den Wald in all seinen Funktionen besser gesund erhalten. „Dabei wächst die Klimaplastizität mit der Amplitude der Baumarten“, so Dr. Jenssen: Je mehr unterschiedliche Bäume, desto klimastabiler der Wald. Insgesamt haben die Forscher 42 Zielstrukturen erarbeitet; zwei Beispiele:
Mengenanteile nach Klimaverhältnissen, |
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Buche |
30 |
25 |
Hainbuche |
30 |
35 |
Winter-Linde |
10 |
25 |
Berg-Ahorn |
20 |
5 |
Douglasie |
10 |
10 |
Nadelbäume werden auch in Hundert Jahren noch den größten Anteil im Wald bilden, doch könnten die Reinbestände auf einen Flächenanteil von sechs Prozent zurückgehen, so Dr. Jenssen. Sie werden allerdings auf die ärmeren bis mäßig versorgten Standorte zurückgedrängt werden. Wer einen Baumartenmix in 20 Jahren haben möchte, der muss allerdings schon heute mit dem Aufwerten des Waldes beginnen.
Die Grundwasserbildung
Bereits heute ist der Wasserspiegel des Redernswalder See im Untersuchungsgebiet nahe der Autobahn Berlin-Stettin, um drei Meter abgesunken. Seit den 1970er Jahren finden Messungen statt, die für eine gute Dokumentation sorgen. Seen sind wichtige Strukturelemente im Wald und beeinflussen die Wasserführung in einer Region erheblich, so Marco Natkhin vom Institut für Landschaftswasserhaushalt am ZALF. Über der Wasserfläche verdunstet viel mehr Wasser als über Land und der Wasserspiegel ist unter anderem vom Einströmen des Grundwassers abhängig. Wie viel Grundwasser im Boden gebildet wird, ist abhängig von der Vegetation:
Grundwasserbildung in mm/Jahr |
Kiefer |
Buche |
Gras |
Grobsand |
55 |
128 |
200 |
Grobsand über Lehm |
50 |
126 |
255 |
Mittelsand |
31 |
87 |
189 |
Von Laubbäumen im Wald profitiert der See also mehr als von Kiefernbeständen. Am Beispiel des Redernswalder Sees haben die Forscher die Jahrzehnte bis 2100 hochgerechnet. Wird an der Waldbewirtschaftung nichts geändert wird der See ganz verlanden. Läge er inmitten eines klimaplastischen Waldes steigt der Wasserspiegel ab 2068 wieder an. Unter besten Klimabedingungen käme er wieder in die Nähe seines alten Wasserstandes zurück. Der Wert der Grundwasserneubildung zwischen verändertem Neubestand und unveränderter Waldbewirtschaftung lässt sich anhand der Modelle berechnen: Die klimaplastischen Wälder bilden zwischen 20 und 40 mm Grundwasser mehr im Jahr. Aber wegen der langen Umwandlungszeiträume und bei Niederschlägen von weniger als 500 mm im Jahr machen sich die Vorteile erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts bemerkbar.
Treibhausgase
Die Bilanzierungen von Treibhausgasen sind wesentlich komplexer, doch konnte Dr. Rainer Gasche vom Forschungszentrum Karlsruhe, dass klimaplastische Wälder Vorteile gegenüber den dominierenden Kiefernwäldern aufweisen.
Treibhausgasemissionen in kg/ha/a im optimierten Wald |
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Kiefer in Buche |
Kiefer in Eiche |
|
CO2 2050 |
+ 257 |
+ 747 |
+ 338 |
+ 289 |
|
N2O 2050 |
- 174 |
- 125 |
- 134 |
- 80 |
|
CH4 2050 |
+ 13,8 |
- 0,77 |
+ 0,7 |
- 0,56 |
Die erhöhte Kohlenstoffspeicherung wird durch den Unterbau von Laubbaumarten erreicht, die sowohl die C-Speicherung als auch die C-Vorräte im Ökosystem erhöhen, wobei Dr. Gasche darauf hinwies, dass waldbauliche Maßnahmen nach Vorgaben des Kyoto-Protokolls auf die nationale Kohlendioxidbilanz angerechnet werden können. Während des Umbaus allerdings kommt es zu vermehrten Kohlenstoffemissionen durch bodenbürtige Prozesse der Ammonifikation und Nitrifizierung. Dies werden später durch die erhöhte Einlagerung der Laubbäume mehr als kompensiert. Auch führt der klimaplastische Wald zu geringeren Methan- und NOx-Emissionen, die um einiges klimawirksamer sind.
Dendrocopos medium
Viele verschiedene Bäume, viele verschiedene Strukturen – das bedeutet auch vielfältigen Lebensraum für Tiere. Auch damit kann der klimaplastische Wald wuchern. Am Beispiel des Mittelspechts (Dendrocopos medium) zeigt Dr. Reinhard Klenke von der Gesellschaft für Naturschutz und Landschaftsökologie in Kratzeburg die Verschiebung seines Lebensraums durch den Klimawandel nach Norden. In Mecklenburg-Vorpommern, wo er derzeit noch zu Hause ist, würde er bei unveränderter Waldbewirtschaftung verschwinden. Der Waldumbau hingegen sichert sein Habitat auch bis 2100 hinaus.
Generell bietet auch der Kieferforst Kleinvögeln Raum für Beute, doch sind die Sichtschutze nicht vorhanden, so dass die Vögel diesen Raum nicht erobern. Im klimaplastischen Wald ist das anders. Sein Strukturreichtum bietet sowohl der horizontalen (Gruppierung) als auch der vertikalen (Schichtung) Lebensvielfalt Platz. Insbesondere kleinräumig agierende Wirbeltierarten profitieren von diesen Wäldern. Grobporige Laubbaumarten bieten einer Fülle an Insekten Schutz und Winterruhe.
Verbraucher helfen mit
NEWAL-NET ist Grundlagenforschung aus der heraus generelle Prinzipien herausgearbeitet wurden, die angepasst auch auf andere Standorte übertragbar sind. Das heißt, das heute vorgefundenen Bedingungen fortgeschrieben wurden. Der Anteil des Forst an der Landnutzung ist gleich geblieben und die gerade erst im Aufbau befindlichen Kurzumtriebsplantagen zur Energiegewinnung konnten in den Modellen nicht berücksichtigt werden. Der Wald alleine wird auch nicht die Lösung für die Wasserarmut sein, denn die Sünden der Meliorationsvergangenheit können nur mühsam und aufwändig wieder ausgeglichen werden, wie eine andere Tagung zeigte.
Aber auch die Verbraucher tragen ihren Anteil. Die Landschaftswerkstatt Schorfheide-Chorin hat eine umfangreiche Materialsammlung zusammengestellt, in der die aktuellen Akteure zu den Schwierigkeiten des Waldumbaus Stellung nehmen. Der Inhaber eines Sägewerks in Vietmannsdorf stellte darin fest, dass es kaum noch eine Nachfrage nach Laubbäumen gibt. Kaum jemand kauft noch Möbel aus Eiche und Buche, sondern kauft die Do-it-yourself-Möbel aus Nadelholz. Möbel, die bei einem Umzug schnell wieder ausgetauscht werden. Ein Zitat aus der Materialsammlung: „Der Wald zeigt uns unser eigenes Gesicht.“
Lesestoff:
Der Abschlussbericht des NEWAL-NET wird im Juni 2009 fertig sein. Die offizielle Seite gibt es nciht mehr. Hier geht es zu Teil I: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/klimaplastische-waelder.html
In Eberswalde fand im November 2007 eine Kieferntagung statt.
Roland Krieg