Waldstrategie, Waldgesetze und Vermischtes
Landwirtschaft
Waldstrategie 2020
Ein Drittel der Landesfläche
in Deutschland ist Wald. Auf rund 11 Millionen Hektar leistet der Wald einen
Beitrag für Klima, Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Aus diesen Bereichen
zielen auch die verschiedenen Ansprüche auf den Wald. Er bindet CO2,
ist Erholungsraum, bietet Arbeit und nachwachsende Rohstoffe.
Was dem Wald noch fehlte,
war eine Strategie. Die verabschiedete das Bundeskabinett am Mittwoch.
Waldstrategie 2020
Ziel der Strategie ist eine „ausgewogene
und tragfähige Balance zwischen den steigenden und teilweise konkurrierenden
Ansprüchen der Gesellschaft“ zu finden. In den neun Handlungsfeldern
Klimaschutz, Bodenschutz, Erholung, Forschung, Eigentum, Rohstoffe,
Biodiversität, Waldbau und Jagd werden Herausforderungen und Chancen benannt. Daraus
leitet sich Forschungsbedarf ab. Zum Beispiel:
Seit einigen Jahren wird der
Wald umgebaut. Als Kernelement sieht die Waldstrategie die Anpassung des Waldes
an die künftigen Klimaverhältnisse an und den Aufbau von Mischwäldern. 39
Prozent der deutschen Wälder sind schon mit „beachtlichem Laub- und
Mischwaldanteil“ versehen. Die jüngeren Bestrebungen machen die Waldinventuren
deutlich. In der Altbestockung sind noch 62 Prozent Nadelbäume, in der
Jungbestockung nur noch 29 Prozent. Wert wird dabei auf die Holzvorräte gelegt.
Mit 330 Vorratsfestmeter ist
Deutschland Europameister im Holzvorrat. Weil aber die Nachfrage steigt will
die Bundesregierung mit der Strategie auch einen Beitrag zur Sicherung der
Rohstoffversorgung leisten. So soll die Waldfläche weiter ausgebaut und der
Flächenverbrauch für Siedlungs- und Infrastrukturmaßnahmen reduziert werden.
Klein strukturierter Privatwald müsse besser erschlossen werden.
Dr. Gerd Müller,
Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, betont,
dass alle Nutzungsformen ihren Beitrag leisten müssen. Rund 47 Prozent des Waldes
stehen in privatem Eigentum, 20 Prozent sind Kommunalwald und 33 Prozent in
staatlichem Besitz.
Wirtschaftsforst
Dr. Max Lehmer, umweltpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag begrüßt die Waldstrategie als wichtigen Beitrag zum Ausgleich der verschiedenen Nutzungsinteressen. Der Wirtschaftssektor Forst und Holz erzielt im Jahr einen Umsatz von mehr als 168 Milliarden Euro und sichert 1,3 Millionen Arbeitsplätze, vor allem im ländlichen Raum.
Moderne Waldwirtschaft schützt
Der Deutsche Bauernverband
(DBV) begrüßt ebenfalls die Waldstrategie 2020. Angesichts der steigenden Erwartungen
an den Wald, müsse die „effiziente Nutzung der bedeutendsten Biomasse
Deutschlands“ an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Doch
die Nutzung dürfe dabei nicht vernachlässigt werden. Als gravierenden Schwachpunkt
sieht der DBV die Absicht der Bundesregierung, die biologische Vielfalt im Wald
durch nicht bewirtschaftete Flächen, Steigerung des Totholzanteils und
Vermehrung von „Naturwaldzellen“ sowie durch Vernetzung der Natura 2000-Flächen
weiter verbessern zu wollen. Schon die Umsetzung dieser Ziele sei ein massiver
Eingriff in die Eigentumsrechte der Waldbesitzer. Jeder zweite Bauer bewirtschaftet
nach Angaben des DBV auch eine Waldfläche.
Der DBV weist darauf hin,
dass bereits zwei Drittel der Wälder „mit mindestens einer Schutzkategorie wie
beispielsweise Naturparke, Naturschutz oder FFH-Gebiete belegt“ sind. 70
Prozent der Wälder sind von unabhängigen Dritten auf ihre nachhaltige Bewirtschaftung
hin zertifiziert.
„Holzhunger“
Nabu-Geschäftsführer Leif
Miller kritisiert die Waldstrategie und warnt vor einem „Holzhunger“ im Zuge
der Energiewende, die den Wald leer fegen werde. Miller will sich gegen die
Anhebung der jährlichen Holzeinschlagsmenge auf 100 Millionen Kubikmeter
wehren. Das entspräche einer Erhöhung von 60 Prozent der durchschnittlichen
Menge der letzten Jahre. In der Waldstrategie fehlten eindeutige Definitionen
und Zielvorgaben. So sei es unerklärlich, „warum die von der Regierung
festgelegten Ziele, nämlich dass fünf Prozent der deutschen Waldfläche bzw.
zehn Prozent des öffentlichen Waldes einer natürlichen Waldentwicklung
überlassen werden sollen, nicht auch explizit in der Waldstrategie genannt
werden.“
Immerhin wolle die
Waldstrategie den Einsatz von Holz effizienter gestalten. So sollen vorrangig
langlebige Holzprodukte verwendet und ein verstärktes Recycling umgesetzt
werden.
„Dürftige Strategie“
Als „dürftig“ hat Cornelia Behm,
Sprecherin für Ländliche Entwicklung und Waldpolitik der Bündnisgrünen, die
Waldstrategie bezeichnet. Es sei nicht zu erkennen, „welche Konsequenzen die
Bundesregierung aus dem prognostizierten Holzmangel ziehen will. Die Frage, ob
der Ausbau der energetischen Holznutzung tatsächlich wie geplant stattfinden
sollte, und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, drängt aber angesichts von Prognosen,
dass bis zum Jahr 2020 die Holznachfrage in jedem Jahr über 30 Millionen
Kubikmeter übe dem heimischen Angebot liegen wird.“ Weil die Bunderegierung
keine Antworten darauf habe, wurden die entsprechenden Passagen aus dem Entwurf
gestrichen.
Zur Unterstützung des
Waldumbaus fordert Behm eine steigende Akzeptanz von Laubholz in den
holzverarbeitenden Betrieben. Nur das könne einen Anstieg von Nadelholzimporten
verhindern.
Auch das Thema Jagd komme zu
kurz. Die Waldstrategie hätte eine Chance sein können die hohen Wilddichten
anzugehen. „In den Regionen, in denen sich aufgrund hoher Wilddichten der Wald
nicht ohne Zaun natürlich verjüngen kann und Wildschäden überhand nehmen, bleibe
die Vitalität der Wälder und gewinnbringende Holzerträge auf der Strecke“, so
Behm.
Nationalparkinitiativen BW und RP
Zeitgleich wurde am Mittwoch
auf der Schutzgebietskonferenz EUROPARC über die Initiative Baden-Württembergs
diskutiert, einen Nationalpark einzurichten. Prof. Beate Jessel, Präsidention des Bundesamtes für Naturschutz, begrüßte die
Initiative als Ausweitung von Großschutzgebieten für den Erhalt der
Biodiversität. Nach Ansicht von Prof. Jessel müssten in Deutschland weitere
Schutzgebiete ausgewiesen werden, um das Fünf-Prozent-Ziel einer natürlichen
Waldentwicklung der Nationalen Biodiversitätsstrategie zu erreichen. Greenpeace
schlug im April dieses Jahres einen Buchenwald-Verbund
der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz vor. Rund 50.000
Hektar solle das grenzüberschreitende Wildnisgebiet haben.
Ebenso gestern hat die grüne
Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken aus Rheinland-Pfalz eine vergleichbare
Idee konkretisiert. Auf bis zu 10.000 Hektar soll sich Wald zu 75 Prozent frei
entwickeln können. Der Wald soll in öffentlicher Hand und unzerschnitten sein.
Fünf Regionen kommen in Frage: Der Saargau-Hochwald, Hochwald-Idarwald, Soonwald,
Baumholder, was derzeit noch militärisch genutzt wird, und der Pfälzerwald.
Die Mischung macht´s
Wälder in Monokulturen sind bei
Stürmen, Trockenheit, schädigenden Pilzen und Insekten eher gefährdet als
Mischwälder. Das Innovationsnetzwerk Inka Klimaanpassung Brandenburg Berlin
(INKA BB) erprobt derzeit, wie Mischwälder den zusätzlichen Risiken begegnen
können. Die weiten Kiefernwälder Brandenburgs bilden einen dunkelgrünen
Kronenteppich und verbreiten ihren charakteristischen Geruch. Doch
nadelfressende Insekten finden ideale Bedingungen. „Schädlingen bietet sich
hier sozusagen ein „All-you-can-eat-Buffet“, erklärt Dr. Jens Schröder von der
Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE) in Eberswalde.
Mischwälder sind daher ein
forstlicher Risikoausgleich und eine Gefahrenabwehr. Unter ihnen bildet sich
auch mehr Grundwasser und der Erholungswert ist höher. Das heißt aber nicht,
dass die Brandenburger auf ihren „Brotbaum“ Kiefer verzichten müssen: „zum
einen wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung als Rohstoff, zum anderen wegen
des übergeordneten Prinzips der Risikostreuung“, so Dr. Schröder.
Im Norden und Süden von
Brandenburg arbeitet die HNE mit Privatwaldbesitzern, dem Landesbetrieb Forst
und Kommunen zusammen. Wissenschaftlich wird untersucht wie Kiefern, Eichen und
Birken auf die Grundwasserbildung und die Förderung der Landschaftsentwicklung
haben. So wird beispielsweise gemessen, wie viel Niederschlag durch das
Kronendach den Boden erreicht.
In Holzproben werden die
Jahresringe ausgewertet. Damit können die Waldexperten eine Beziehung zwischen
Baumwachstum und Witterungsverhältnissen herstellen. Also, wie der Baum auf die
sich verändernden Klimabedingungen reagiert.
Einen Tipp hält Dr. Schröder
bereits parat: Besonders im Süden und Osten Brandenburgs herrschen Bedingungen,
die Buchen nur kümmerlich wachsen lassen. „Nach den Szenarien zur
Klimaentwicklung werden sich diese „buchenfeindlichen“ Verhältnisse eher
ausdehnen, so dass bei einer Anpassung an die Klimawandelfolgen nicht zu
empfehlen ist, großflächig auf die Buche zu setzen.“
Weltbeste Waldgesetze
Am Mittwoch wurden in New
York die Preise der Hamburger Stiftung World Future Council vergeben. In diesem
Jahr wurden die weltbesten Waldgesetze ausgezeichnet. Alexandra Wandel,
Direktorin der Stiftung, will mit den Preisen auf vorbildliche Gesetze
aufmerksam machen.
Ruanda ist es gelungen, die
Entwaldung aufzuhalten. Die Regierung will einmal 30 Prozent des Landes mit
Wald bedeckt haben. Seit 1990 ist der Anteil bereits auf Grund massiver
Aufforstungsprogramme um 37 Prozent angestiegen. Ruanda erhielt den goldenen
Preis.
Gambia erhält den silbernen Preis
für sein kommunales Waldprogramm, das die nachhaltige Bewirtschaftung der
Wälder dadurch fördert, indem die Kommunen die Verantwortung für die Wälder vom
Staat übertragen bekommen.
Ebenfalls eine silberne
Nadel erhielt der amerikanische „Lacey Act“, der den Import und Handel mit
illegal produzierten Holz- oder Pflanzenprodukten verbietet.
Lesestoff:
Die Waldstrategie der Bundesregierung finden Sie hier: www.bmelv.de/waldstrategie2020
Reportage: Waldbodenkalkung im
Oberharz
Abschlusskonferenz: Newal-Net:
Klimaplastischer Wald
Waldforschung in Brandenburg beim ZALF, dem Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg: www.inka-bb.de
In Erlangen steht ein Baum
der twittert
Rechnen Sie mit: Wie viel
Holz steht im Wald? Die Winkelzählprobe
Der Wald-Wild-Konflikt
Waldgesetze: www.worldfuturecouncil.org
Roland Krieg