Waldzustandsbericht Berlin-Brandenburg
Landwirtschaft
Märkischer Forst: Probleme werden eher mehr, denn weniger
Brandenburg ist mit rund 1,1 Millionen Hektar Wald eines der waldreichsten Bundesländer. Auf 37 Prozent der Fläche stehen der märkische Brotbaum Kiefer, Eichen, Birken oder Buchen. Rund die Hälfte ist im Landes- oder kommunalen Besitz.
Die Berliner haben auf 18 Prozent ihrer Stadtfläche Wald, ebenso meistens die Kiefer. Von den 29.000 Hektar liegen 13.000 ha in Brandenburg. Gestern haben Berlins Staatsekretärin für Stadtentwicklung Maria Krautzberger und Brandenburgs Agrarminister Dr. Dietmar Woidke den gemeinsamen Waldzustandsbericht 2007 in der Wildmeisterei des Forstamtes Belzig in Potsdam-Wildpark vorgestellt.
Erleichterung ohne Aufatmen
Seit den 1990er Jahren haben die Forsten durch den Rückgang industrieller Emissionen deutliche Besserungen gezeigt. Jedoch, so das Resümee Woidkes, zeigt der Gesundheitszustand der Wälder seit 1999 eine Stagnation und einen sogar wieder einen leichten Anstieg der Baumschäden. Die statistisch erfasste Verbesserung für 2007 kommt eher einer Erleichterung gleich. Gleichgeblieben ist die Fläche von 32 Prozent Wald ohne Schäden. Während die deutlichen Schäden abgenommen haben, nahmen die Schäden der Warnstufe 1 zu:
Hauptergebnisse der Waldschadenserhebung 2007 | |||
|
ohne Schäden |
Warnstufe |
Deutl. Schäden |
Berlin |
10 |
58 |
32 |
Brandenburg |
33 |
55 |
12 |
Gesamtregion |
32 |
55 |
13 |
Rund 80 Prozent des Brandenburger Waldes stellt die Kiefer, die sich toleranter gegenüber Stressfaktoren zeigt und daher die Brandenburger Ergebnisse in ein besseres Licht setzt. Die Berliner Wälder sind einem ungleich höherem Erholungsdruck ausgesetzt, was sich beispielsweise an Hundesauslaufzonen oder durch Mountainbiker in den Müggelbergen manifestiert. Der Straßenverkehr ist eine Dauerbelastung.
Zwischen den Baumarten zeigt sich die Situation viel differenzierter und ist in dem Bericht detailliert ausgewiesen. Trotzdem zeigt sich über alle Baumarten hinweg eine generelle Tendenz: „Überwiegend folgt einer stetigen Abnahme deutlicher Schäden eine stetige Zunahme der Kronenverlichtung“. Mit zunehmendem Stichprobenumfang weist der Bericht sogar eine Annährung „an eine quadratische Ausgleichsfunktion“.
Sorgenbaum Eiche
Joachim Rock vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) kann für Brandenburg keine guten Aussichten bereitstellen. Die Mark hatte in Teilen des Landes schon immer eine negative Wasserbilanz. Und diese wird sich erhöhen. Michael-Egidius Luthardt, Referatsleiter für Waldökologie und Waldschutz im Brandenburger Forstministerium, beschreibt beispielsweise den Herbst 2006: Er war drei Grad wärmer als das langjährige Mittel. Nur an zwei Tagen des gesamten Herbstes lag die Temperatur unter dem Mittel und damit bildeten die Bäume bis Ende November organische Substanz: sie wuchsen. Die Wasserbilanz lag mit 100 mm aber im Negativbereich.
Eigentlich haben die Eichen bis Ende September Stärke als Speicherkohlenhydrate in ihr Holz eingelagert und veratmen ihn für ihren reduzierten Stoffwechsel im Winter. Wenn es allerdings so warm ist, geht der Stoffwechsel nach oben und die Vorräte sind bereits im Mai aufgebraucht, erklärt Dr. Ralf Kätzel von der Landesforstanstalt Eberswalde. Nachschub liefern nur die Blätter über die Photosynthese.
Der Kühlschrank für den Wald |
Dokumentiertes Eichensterben hat es zwar bereits schon 1739 bis 1748 gegeben, aber die Schäden, unter denen die Eichen heute leiden stammen aus den 1980er Jahren. 33 Prozent der Eichen in Brandenburg und 66 Prozent in Berlin sind deutlich geschädigt.
Die Ursachen sind zahlreich: Trockenstress, Raupenfrass, strenge Winter, Luftschadstoffe, Mikroorganismen oder Bodenversauerung gehören zu den Parametern. Aber, so Dr. Kätzel, so einfach ist das nicht. Sind Spechtabschläge oder Bohrlöcher des Eiprachtkäfers zu sehen, dann ist es schon zu spät. Die Luftreinhaltungsmaßnahmen haben bereits gegriffen und können also nicht hauptsächlich verantwortlich sein. Raupenfrass hat es in den letzten Jahren auch nicht gegeben.
Was die Forstwissenschaftler derzeit herausfinden ist beunruhigender. Aus England haben sich die Eberswalder ein Wurzelradar geleast. Die Feinwurzeln, mit denen die Eichen hauptsächlich die Nährstoffe aufnehmen, sollten im Abstand zwischen fünf und sechs Meter vom Stamm zu finden sein. Die Messungen aber zeigen, dass die Feinwurzeln gleich in Stammnähe sind. Was und warum sich die Wurzelanatomie geändert hat, müssen die Experten erst noch herausfinden.
Eine weitere Feststellung haben sie gemacht, zu der derzeit jegliche Erklärung fehlt: Mit zunehmender Schadstufe erhöht die Eiche drastisch ihren Kohlendioxidausstoß in Stammfussnähe. Eigentlich sollte der Wald doch als Kohlendioxidsenke dienen.
Waldstrategien
Um Strategien und Gegenmaßnahmen zu entwickeln braucht man eine Datenbasis. Die Bundesregierung will den Waldzustandsbericht nur noch einmal je Legislaturperiode herausbringen. Gegenüber Herd-und-Hof.de äußerte sich Dr. Woidke dazu skeptisch: „Alle vier Jahre ist ein bisschen wenig.“ Einen Zweijahresrhythmus hält er für angemessener, um bei den neuen Erfordernissen auch rechtzeitig Maßnahmen einleiten zu können.
Witterungsextreme und Klimawandel erfordern regionale Anpassungsstrategien und gehen naturgemäß nur langsam voran. In den letzten 15 Jahren wurden in Brandenburg rund 50.000 Hektar Wald für 110 Millionen Euro in Mischwälder umgebaut. Mit jetzt 20 Millionen Euro im Jahr soll der Prozess forciert werden.
Das muss jedoch behutsam geschehen. So wurden in den 1980er gegenüber Schwefeldioxid tolerantere Fichten gezüchtet – und als die praktisch marktreif waren, gab es das Problem mit SO2 nicht mehr. Das Saatgutgesetz verbietet, beispielsweise ungarische Eichen in Deutschland auszusäen. Hier gebe es bereits administrative Ideen, das zu ändern. So werden wohl die Baumarten in Brandenburg mit Kiefer, Eiche, Buche, aber auch mit Ahorn, Birke oder Robinie die gleichen bleiben; doch ist noch nicht entschieden, welcher Herkunft.
Vor 150 Jahren haben die Förster auf die Herkunft noch nicht geachtet und pflanzten im heute südlichen Berlin die französische Kiefer, weil sie schneller wuchs und größere Erträge erzielte, als die märkische. In Zehlendorf und Grunewald sind die krummen Kiefern mit ihren hellen Rinden noch weit verbreitet.
Heute könne man gezielt nach der türkischen oder bulgarischen Traubeneiche suchen, die in vergleichbarem Habitat wächst und dem zukünftigen märkischem Sommer besser standhält.
Lesestoff:
Den Waldzustandsbericht 2007 und seine Vorgänger können unter www.mluv.brandenburg.de heruntergeladen werden.
Roland Krieg; Foto: MLUV