Wann der Ökolandbau Europa ernährt

Landwirtschaft

Studie listet drei Bedingungen für 100 Prozent Ökolandbau in Europa auf

Oekolandbau
Agro-ecological scenario for Europe 2050

Landwirtschaft und Naturschutz. Zwei Sektoren, die einst Eins waren, die im Zuge der Industrialisierung, des Bevölkerungswachstums und der veränderten Arbeitsteilung in der Gesellschaft auseinander gingen und aktuell wieder zusammengebracht werden müssen. Zu oft wird die Sichtweise „Landwirtschaft und Naturschutz“ auf die Trennung „Konventionell oder Ökologisch“ übersetzt. Andere Formen der nachhaltigen Landbewirtschaftung werden neben dem Ökolandbau zu wenig thematisiert.

Die Sichtweise auf die Landwirtschaft

Dazu gehört auch die vernachlässigte Sichtweise, dass Landwirtschaft in allen seinen Formen lediglich die Angebotsseite darstellt. Solange die Konsumenten ihr Ernährungsverhalten nicht umstellen, produzieren die Landwirte auch nichts anderes. Weder die konventionellen, noch die ökologischen Bauern.

Die aktuell verfahrene Situation bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) resultiert aus der Sachtrennung der Landwirtschaften bei unveränderter Ernährungsweise. Beispiel: Weil die Konsumenten es wollen, haben Ökoprodukte eine vergleichbare Verarbeitungstiefen  erreicht, wie konventionelle Fertigware. Weil Veggiefleisch doppelt so teuer wie echtes Fleisch ist, greifen zu Beginn der Grillsaison Konsumenten vermehrt auf Aktionsware vom Rind und Schwein zurück. Wer also mehr teurere Fleischersatzprodukte anbietet, verursacht eine indirekte Landnutzungsänderung, da mehr Billigfleisch mit Billigfutterimporten nachgefragt wird – so der WWF.

Dennoch wird der Bundestagswahlkampf im Bereich der Landwirtschaft mit der einseitigen Parole „Mehr Ökolandbau“ angefeuert werden. 100 Prozent Ökolandbau im Jahr 2050 sind tatsächlich möglich, wie der französische Wissenschaftler Gilles Billen im Fachmagazin „One Earth“ gerade veröffentlicht hat. [1]. Er forscht an der Sorbonne Universität in Paris an der Fakultät Umwelt, Transfers und Interaktionen in Gewässersysteme und dem Boden (CNRS) und hat die Arbeit mit anderen Experten aus weiteren europäischen Universitäten koordiniert.  

Drei Vorbedingungen

Demnach hat sich die Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg durch eine intensive Nutzung von Mineraldüngern, regional spezifiziert und sich in die globalen Lebens- und Futtermittelströme integriert. Nach Billen ist der Verlust an Stickstoff in die aquatischen Ökosysteme und die Atmosphäre trotz aller Reduzierungen das anhaltende Problem für die Umwelt und die menschliche Gesundheit.

Der Import von Futtergetreide ist seit den 1960er Jahren zu steigendem Maße durch den Import von Sojabohnen und Futterschrote ausgetauscht worden. Der damit verbundene Stickstoffimport aus Südamerika hat Europa als tierisches Produkt und Obst und Gemüse wieder verlassen.

Für die Wissenschaftler steht die Ernährung bei den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts weit oben auf der Liste. Sie halten einen vollständigen Umbau der europäischen Landwirtschaft in ein ökologisches, nachhaltiges und artenfreundliches System bis zum Jahr 2050 für möglich.

Weniger Fleisch

Aber nur unter drei Vorbedingungen, wie sie explizit betonen. Die wichtigste Änderung müsse auf der Ernährungsseite stattfinden. Die Konsumenten müssen weniger Fleisch konsumieren. Erst das reduziere die intensive Viehhaltung, für die nach wie vor Importfuttermittel in die EU eingeführt werden müssen. Die Tierhaltung könne dann wieder auf die traditionellen Grünlandstandorte zurückgeführt werden und heimisches Futter landet im Trog. Das schließt den oberen Teil der Grafik, bei der Stickstoff aus Futtermitteln über die Veredlung im Nutzvieh auch wieder auf Dauergrünland zurückgeführt wird. Die mehrjährigen Klee-Grasgemenge sind in der Grafik über die Stickstoffbindung der kleinen Leguminosen (Klee) aufgezeigt.  

Mehr Leguminosen

Für die Artenvielfalt und gesunde und weitere Fruchtfolgen könne der verstärkte Anbau von Leguminosen, die den Stickstoff aus der Luft mit ihren Wurzelbakterien binden, die Düngeleistung mineralischer Produkte reduzieren. Die Grafik zeigt in Abhängigkeit der klimatischen und pedogenen Standortbedingungen die Größenordnung der Stickstofffixierung als Betriebsmittel für Acker- und Grünland.

Nutzvieh erhalten

Als drittes Prinzip müsse die Tierhaltung auf jeden Fall aufrecht erhalten werden. Die starke Beziehung des N-Stranges zwischen Ackerland und Nutzvieh in der Grafik, zeigt eindeutig, wie wichtig Nutztiere sind. Billen und sein Team widersprechen damit nicht nur den Abschaffungswünschen der Nutzviehhaltung, sondern sprechen sich für eine Reintegration der Tierhaltung in den Ackerbau. Die Spezialisierung in Ackerbau- und Nutzviehregionen unterbinde einen optimalen Nährstoffkreislauf. Dazu gehört auch die Nutzung menschlicher Stoffwechselendprodukte, wie die Grafik auf der rechten Seite zeigt.

Die Etablierung dieses Systems verringere die Stickstoffverluste um die Hälfte und komme ohne Importfuttermittel aus.

Lesestoff:

[1] Billen, G. et al.: Reshaping the European agro-food system and closing its nitrogen cycle: The potential of combining dietary change, agroecology and circularity. One Earth Vol. 4, Issue 6, p 839-850, June 18, 2021 https://doi.org/10.1016/j.oneear.2021.05.008

Roland Krieg; Grafik: Gilles Billen

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