Wann ist was grüne Gentechnik?

Landwirtschaft

Neue Züchtungsmethoden in der Diskussion

Die Züchtung verändert sich. Haben die Bauern zunächst einmal per Augenschein die Pflanzen für die nächste Aussaat ausgesucht, geben heute Genomanalysen Auskünfte über vielversprechende neue Nutzpflanzengenerationen. Mit dem Einbau artfremder Gene hat auch in der Landwirtschaft die Gentechnik Einzug gehalten und ist bis heute höchst umstritten. Mittlerweile können Züchter beispielsweise mit der Cisgenetik Gene inklusive Steuerungselemente in eine Pflanze einbringen, die aus der Nachbarpflanze stammen oder einer Pflanze, die sich immer wieder mit der Nutzpflanze kreuzt. Wo verlaufen heute die Grenzen zur Gentechnik, wenn die Ergebnisse zwischen „Gentechnik“ und „Traditionell“ kaum noch voneinander zu unterscheiden sind?

Wissenschaft verschiebt in ihrer Eigenschaft Grenzen. Da muss nicht nur der Geist, sondern auch die Gesetzgebung mitkommen. Und die ist langsam. Das Gentechnikgesetz EG 2001/18 (Freisetzungsrichtlinie) regelte genau, welche Züchtungsmethoden zur Gentechnik gehören. Aber die Wissenschaft ist mittlerweile weiter.

Im Oktober-Agrarrat der EU hat Deutschland ein Papier zu neuen Züchtungsmethoden eingebracht, das Anklang fand [1]. Nicht alle neuen Züchtungsmethoden sollen als grüne Gentechnik gelten. Neue Techniken sind schon länger in Entwicklung [2]. Doch das deutsche Papier wies keine Beispiele auf, welche Techniken derzeit in der Diskussion sind. Das Bundeslandwirtschaftsministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat im Nachgang eine Liste für Herd-und-Hof.de zusammengestellt:

- Oligonukleotid gerichtete Mutagenese (OgM): bei der OgM werden DNA-Abschnitte mit einer Länge von 20-100 Nukleotiden in die Zelle einge­bracht, um ortsspezifisch Mutationen zu erzeugen.

- DNA-Nukleasetechniken oder Genome Editing Techniken:

- - - Zink Finger Nuklease Techniken 1, 2 und 3 (ZFN 1, ZFN 2, ZFN 3),
dient zum Einbringen von Mutationen, einschließlich größerer Segmente in ein Genom.

- - - TALENs (Transcription Activator-like Effector Nucleases)

- - - CRISPR/Cas (Clustered Regulatory Interspaced Short Palindromic Repeats).

- Cisgenese und Intragenese: Übertragung eines kompletten Gens inklusive der ursprünglichen Steuerungselemente aus der gleichen oder einer kreuzungskompatiblen Art in das Genom des Empfängerorganismus.

- Pfropfung (nicht in der Tierzucht nutzbar): klassische Methode der Veredlung, wobei gentechnisch veränderte Pflanzen als Wurzelstock oder Spross genutzt werden.

- Agro-Infiltration (nicht in der Tierzucht nutzbar): Behandlung von Pflanzen mit Suspensionen gentechnisch veränderter Bakterien zur Übertragung genetischen Materials.

- RNA-abhängige DNA Methylierung (RdDM): Beeinflussung der Ausprägung eines Merkmals durch Modifizierung der Regulationssequenzen.

- Reverse Breeding - Umkehrzüchtung (nicht in der Tierzucht nutzbar): Erzeugung von Pflanzen mit erwünschten Eigenschaften über mehrere Züchtungsschritte (Inzuchtlinien), die gentechnisch veränderte Intermediate mit einschließen können.

Die Freisetzungsrichtlinie ist Prozess-orientiert und unterscheidet Züchtung nach dem Wie und nicht nach dem Ergebnis, ob die Pflanze im Resultat von einer „künstlichen“ oder „natürlichen“ Zuchttechnik unterschieden werden kann. Das schreibt Prof. Dr. Ludwig Krämer in seinem Gutachten „Legal questions concerning new methods for changing the genetic conditions in plants“ im Auftrag von Greenpeace. So hat das Bundesamt für Verbraucherschutz (BVL) einen Raps nach OgM-Technik als nicht zur Freisetzungsrichtlinie zugehörig zugelassen. Hingegen „interpretiert“ Prof. Krämer die OgM-Technik als der Richtlinie zugehörig.

Bis Jahresende sollen Entscheidungen gefallen sein. Im Bundestag-Agrarausschuss Anfang November hat der Bericht der Bundesregierung auch keine Klarheit erzielt. Der Bericht fiel nach Ansicht Harald Ebners, Sprecher für Gentechnik und Bioökonomiepolitik bei Bündnis 90/Die Grünen, „dürftig aus“ und wies ebenfalls keine Auflistung auf.

Wie am Ende über einzelne Techniken entschieden wird, bleibt unklar. Offen ist, ob die Jahresfrist ausreicht. Harald Ebner zu Herd-und-Hof.de: „Die Bundesregierung versucht durch Fakten-Schaffen an der Grenze der Legalität etwa bei der Cibus-Zulassung und ihr diplomatisches Agieren in Brüssel ganz offenbar massiv darauf hinzuwirken, dass die neuen Gentechnik-Methoden vom EU-Gentechnikrecht ausgenommen werden. Das ist auch im Ausschuss für Landwirtschaft durch Äußerungen des parlamentarischen Staatssekretärs wieder deutlich geworden. Dahinter stehen ganz klar starke wirtschaftliche Interessen – denn derartige Organismen müssten dann gar nicht erst geprüft und zugelassen werden. Sie könnten einfach so auf Acker und Teller kommen. Das wäre aber grob fahrlässig, denn es handelt sich dabei sehr wohl um Gentechnik, wie auch zwei neue Gutachten bestätigen. Minister Schmidt und die Bundesregierung zeigen hier ein weiteres Mal, wie herzlich egal ihnen die besorgte Haltung der Menschen in Sachen Gentechnik in Wirklichkeit ist – trotz gegenteiliger Lippenbekenntnisse etwa im Koalitionsvertrag.“

Die Gentechnikkritiker halten sich an dem Gutachten von Prof. Krämer fest. Die Bundesregierung nicht. Sie prüfe es noch, wie sie in der letzten Woche auf Anfrage von Ebner mitteilte. Der EU-Kommission liege das Gutachten ebenfalls vor. Die Bundesregierung werde es jedoch nicht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zukommen lassen, da nach Ansicht der Bundeslandwirtschaftsministeriums und des BVL „die EFSA für die Frage der rechtlichen Einstufung der neuen Züchtungstechnologien nicht zuständig ist.“

Die Diskussion wird in das nächste Jahr gehen, das übrigens schon als Mendeljahr ausgewiesen ist.

Lesestoff:

[1] EU-Agrarrat: Züchtungsverfahren

[2] Smart Breeding, TALEN und Co.

Roland Krieg

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