(W)arme Schweine
Landwirtschaft
Zittern für die Thermoregulation
Schweine sind ungewöhnliche Säugetiere. Sie sind die einzigen Paarhufer, die für ihre Nachkommen ein Nest bauen. Sie haben große Würfe mit vielen gut entwickelten Nachkommen – die aber ein Problem haben: sie sind mit einer saumäßigen Thermoregulation ausgestattet.
Die Wärmebildung in Tieren resultiert im Wesentlichen aus dem Erhaltungsstoffwechsel und zum Teil aus der Nahrung, die verdaut wird. Dabei tritt die Wärmeabgabe quasi als Energieverlust des Futters auf, die der Bildung von Fleisch oder Milch nicht mehr zur Verfügung steht.
Es fehlt das richtige Fett
Jungtiere und überwinternde Nagetiere haben eine Fettschicht, die den Ferkeln fehlt. Das sind Fettzellen, die besonders viel Lipochrom enthalten und daher gelb gefärbt sind. Dieses Fett wird als „braunes Fett“ bezeichnet und liegt um die Schulterblätter herum sowie im Nackenbereich, in der Achselhöhle und entlang großer Blutgefäße. Auch die Menschenkinder sind mit dem braunen Fettgewebe ausgestattet. Die Winterschläfer können am Ende des Winterschlafes mit Hilfe dieses Fettgewebes ihre Körpertemperatur innerhalb von drei Stunden von 8 auf 37 °C erhöhen – ohne zu zittern, was als schnelle Muskelkontraktion durch Bewegung ebenso Wärme generiert.
Verantwortlich dafür ist ein bestimmtes Protein, dass an der inneren Membran der Mitochondrien, den Zellkraftwerken, sitzt und den Protonenfluss bei der oxydativen Phosphorylierung durch die Membran reguliert. Dabei strahlt das „Uncoupling protein 1“ (UCP1) Hitze ab. Dieses Protein hat den Säugetieren in der Evolution den Vorteil verliehen, auch nachts aktiv zu bleiben und vor allem den „Kältestress“ der Geburt zu überstehen.
Ferkel müssen zittern
Bislang hat kein Wissenschaftler bei Schweinen braunes Fettgewebe oder UCP1 nachweisen können. Lange wurde vermutet, dass bei der Domestikation der Schweine durch die Menschen, die Fähigkeit der zitterfreien Thermogenese über das braune Fettgewebe verlorengegangen ist. Neue Forschungen konnten allerdings zeigen, dass Schweine das UCP1 Protein jedoch bereits vor 30 Millionen Jahren verloren haben.
Frida Berg, Ulla Gustafson und Leif Andersson aus den Fachbereichen der Mikrobiologie und Tierzucht der Universität Uppsala in Schweden konnten in aufwändigen Genomvergleichen zwischen Mensch, Rindern und Schweinen den Verlust der DNS-Sequenz nachweisen, der für die Bildung von UCP1 notwendig ist.
Schweine sind Tiere der Tropen und Subtropen und daher nicht Eigentlich auf das Protein und das Fettgewebe angewiesen. Lediglich unser Wildschwein musste sich daher bei der Wanderung in die nördlichen Klimate Besonderheiten einfallen lassen, seine Ferkel den niedrigeren Temperaturen anzupassen. Daher also der Nestbau, der selbst bei Temperaturen von – 20 °C ein behagliches Zuhause von 20 Plusgraden erreicht. Und im Zweifelsfall müssen die Ferkel zittern.
Den Ferkeln einheizen
Damit es die Ferkel ausreichend warm haben, wurden in der Landwirtschaft verschiedene Techniken entwickelt, die Umgebungstemperatur zu erhöhen. Im wesentlichen wird dabei zwischen Raum- und Zonenheizsystemen unterschieden. Energiesparender sind allemal die Zonenheizsysteme mit Dunkelstrahlern, Infrarotstrahlern, Wärmeplatten, Gasstrahler oder Fußbodenheizungen.
Bei der Ferkelaufzucht nehmen dabei die Energiekosten fast den gleichen Anteil ein, wie die Futterkosten. Bei der einstreulosen Tierhaltung hat die HU Berlin in einer Arbeit von 2005, Energiekosten für eine Ferkelnestheizung mit zwei bis fünf Euro je Wurf ermittelt.
Liegematten aus Naturfasern erzielten in Brandenburger Praxistests jedoch das gleiche Aufzuchtergebnis. Hanfmatten fördern dabei das natürliche Liegeverhalten der Ferkel, so das Ergebnis einer Arbeit von Katharina Meyer vom Institut für Agrar- und Stadtökologie. Die weiche und wärmende Liegefläche hat den Tieren das größte Wohlbehagen bereitet. Bei ausgeschalteter Ferkelheizung entwickelten sich die Tiere mindestens genauso gut, wie die Kontrollgruppe ohne Matte, aber mit Heizung. Für die Betriebskosten der Bauern kam Katharina Meyer zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Naturfasermatten und dem Ausschalten oder dem Reduzieren der Ferkelheizung nach wenigen Tagen, bereits von einer Reduzierung der Heizkosten ausgegangen werden darf.
Die schwedische Arbeit über den „Gen-Verlust“ wurde online bei www.plosgenetics.org publiziert: Berg, Gustafson, Andersson: The Uncoupling Protein 1 Gene (UCP1) Is Disrupted in the Pig Lineage: A Genetic Explanation für Poor Thermoregulation in Piglets; August 2006; Volume 2; Issue 8; e129
VLE