Warum ist das Schwein ein Huhn?

Landwirtschaft

Streitfall Platzbedarf

> Am 17. Dezember soll der Bundesrat über die Zukunft der Tierschutz-Nutzhaltungsverordnung entscheiden. Setzt Ministerin Künast die Verordnung wie dann beschlossen in Kraft verprellt sie ihre eigene Klientel, wird sie die Verordnung ablehnen, drohen empfindliche Strafen durch die EU, weil die Schweinehaltungsrichtlinie nicht wie vorgegeben in nationales Recht umgesetzt ist – so orakelt die Bauernzeitung. Schon alleine das ist den allermeisten Verbrauchern kaum noch verständlich. Vollkommen unverständlich ist die Verquickung zwischen der Legehennen- und der Schweinehaltungsverordnung. Der Agrarausschuss des Bundesrats will nur im Paket über Schweine und Hennen reden. Hier hat sich politisch etwas verselbstständigt, was kaum noch jemanden interessiert. Mit der laufenden Umsetzung der Legehennenverordnung hat der Verbraucher mit dem zukünftigen Verbot der Käfighaltung Anfang 2007 bekommen, wofür er sich entschieden hat. Ging es den Schweinen ähnlich schlecht?

Wie viel Platz braucht ein Schwein?
Dr. Bernd Eysing, leitender Kreisveterinär aus Borken, stellte auf dem Perspektivforum des Deutschen Bauernverbandes die unterschiedlichen Platzbemessungen für ein Schwein zwischen 50 und 85 kg zusammen: Nordrhein-Westfalen hält für eine Gruppe von 29 Tieren einen Platz von 0,75 qm pro Schwein für angemessen, bei mehreren Tieren reichen 0,64 qm. Die EU-Richtlinie setzt 0,55 qm fest, was die Dänen auch umgesetzt haben, während hingegen das Nachbarland Niederlande sogar 0,8 qm einhält. Das Bundeslandwirtschaftsministerium möchte sich auf einen Platzbedarf von 1 qm/Tier festlegen und zieht sich den Zorn des Deutschen Bauernverbandes zu: „Gerade eine praktikable Umsetzung der Schweinehaltungsverordnung sei wichtig, da in Deutschland bislang trotz bestehender EU-Richtlinie keine bundeseinheitliche Regelung für die Haltung von Schweinen existiert. Der Entwurf (des BMVEL) gehe in wesentlichen Punkten über den Standard der gültigen EU-Anforderungen hinaus und würde inakzeptable Wettbewerbsnachteile für die deutschen Landwirte durch den nationalen Alleingang zur Folge haben.“

Aktueller Forschungsstand
Während also Politiker und Verbände streiten, veröffentlichen Wissenschaftler des Giessener Instituts für Tierzucht und Haustiergenetik neueste Erkenntnisse, die der aid Infodienst zusammenstellt: Wird das Mastschwein im Verlauf größer, braucht es auch mehr Platz. In der Praxis hat sich allerdings das Prinzip „Alles raus – Alles rein“ durchgesetzt, d.h. alle Tiere werden eingestallt und gemästet und kommen auch als Gruppe zum Metzger. Ein „Mitwachsen“ der Buchtenfläche ist gar nicht praktikabel. So müssten bereits bei Mastbeginn die vorgeschlagenen 1 bis 1,2 qm pro Tier zur Verfügung stehen. Die Experten verweisen darauf, dass in der Praxis jedoch etwa 30 Prozent der Tiere vorausgestallt werden, so dass zum Mastende von ca. 116 kg von ursprünglich zwölf Tieren nur noch acht Tiere sich die Anfangsfläche von 0,7qm je Tier teilten. Damit verblieben pro Tier bei der Endmast tatsächliche 1,05 qm. Der Flächenbedarf werde aber nicht nur durch die Körpermasse, sondern auch durch Gruppengröße, Stallklima und Fußbodengestaltung beeinflusst. Mit zunehmender Gruppengröße nehme die freie Fläche pro Schwein zu, da Mastschweine sich bei normalen Temperaturen gerne mit Körperkontakt aneinander legen. Das liegende Schwein braucht dann nur 0,56 qm und die übrige freie Fläche steht für Bewegung zur Verfügung. Auch Versuche mit unterschiedlich großen Buchtenflächen haben ergeben, dass die Schweine bei „indifferenter“ Temperatur von etwa 19 °C zusammen liegen. Eine 25prozentige Vergrößerung der Fläche von 0,65qm/Tier für 60 bis 110 kg schwere Schweine habe keine Vorteile erbracht. Lediglich bei höheren Temperaturen (max. 28 - 32 °C) führt die Erweiterung der Buchtenfläche zu einer thermischen Entlastung der Tiere. Wirkungsvoller als eine Flächenvergrößerung sei dann aber eine Dusche. Die hitzebedingte erhöhte Atemfrequenz sei in Versuchen deutlich gesenkt und die Tageszunahmen verbessert worden, wenn die Tiere eine einmalige Dusche für eine Minute (bis 28 °C Tagestemperatur) bzw. drei Duschen von je zwei Minuten in zweistündigem Abstand bei über 32 °C erhielten.

VLE

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