Was essen wir nach der Wahl?

Landwirtschaft

Ist Agrarpolitik kein Wahlkampfthema?

Am Dienstagabend hat der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) die Parteien zum Gespräch eingeladen, um ihre Absichten für eine Ernährungswende nach der Bundestagswahl auszuloten [1]. Zweieinhalb Wochen vor der Wahl sollte das Thema noch einmal auf den Tisch gebracht werden, denn für Dr. Alexander Beck aus dem BÖLW-Vorstand, spielen derzeit Umwelt und Ökologie kaum eine Rolle in den Debatten. Dabei sei es höchste Zeit, an einer Reform der Ernährungswirtschaft zu denken. Das Thema Essen und Trinken finde sich übergeordnet in einem ganzen Problembündel wieder: Börsenhandel mit Nahrungsmittelspekulation, Recht auf Nahrung, nachhaltige Entwicklung, Wahl der Ernährungsstile oder die Tierhaltung: Die Themen bieten Auseinandersetzung für die Wahl, wie Lebensmittel produziert werden und was am Ende auf die Teller kommt.

Der Ökolandbau zielt auf eine Kreislaufwirtschaft ab. Das sei zwar vielen bekannt, aber es mangelt an der Umsetzung. Die Bundestagswahl kann ein Zeichen setzen, mehr in ökologische Nachhaltigkeit und Tierwohl zu investieren. Für Beck müssen sich die Politiker an den drei Forderungen betriebliche Ökobilanz, Internalisierung externer Kosten und nationalem Wohlstandsindex messen lassen [2].

Wähler fragen nach

Bis auf die CDU/CSU hatte jede Partei einen Vertreter ausgesendet. Für die SPD nahm Brigitte Zypries teil, die in das Kompetenzteam von Peer Steinbrück für den Verbraucherschutz geholt wurde und jetzt nach eigenen Angaben „in die Landwirtschaft wächst“.

Für Dr. Kirsten Tackmann (Die Linke) und Bärbel Höhen (Bündnis 90 / Die Grünen) ist der Wahlkampf keinesfalls arm an Agrarthemen. Auf ihren Veranstaltungen fragen die Wähler nach Regionalsiegel, Ökolandbauförderung und Tierschutz. Nur die großen Medien nähmen die Themen nicht auf, klagte Tackmann.

Deutsche Landwirtschaft und Welthunger

Hans-Michael Goldmann (FDP) verwahrte sich gegen die „Märchen“ der Exportsubventionen. Europa baut sie seit Jahren ab und wird sie Ende 2013 auf null gesetzt haben. Entwicklung und Welthunger sind ein Thema, dass aber nicht einseitig besprochen werden sollte. Die Kleinbauern in den Entwicklungsländern brauchen zwar Schutz, würden aber die Millionenstädte alleine auch nicht ernähren. Zur Beseitigung von Armut und Hunger müssen die Südländer einen Mix aus verschiedenen Landwirtschaften aufbauen.

Für Bärbel Höhen ist eine realisierte Eiweißstrategie in Europa eine Entlastung des Flächenrucksacks, den der westliche Konsum in anderen Ländern beansprucht.

Daher soll nach Tackmann die europäische Landwirtschaft wieder auf ihre Versorgungsfunktion zurückgebaut werden. Produktion für Agrarexporte sollen unterbunden werden.

Zypries will die Warenterminbörse wieder auf ihre ursprüngliche Funktion der Preisbildung zurückführen. Dazu soll es Transparenz, Mindesthaltezeiten und Positionslimits geben. Heute sei die WTB Teil des Finanzmarktes mit aggressivem Kapital.

Keine Agrarexzesse

Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND, forderte von den Parteien einen Grundkonsens, dass die Landwirtschaft nicht nur reine Produktion ist. Dauermaisfelder am Hang haben beispielsweise ihren Anteil an der Flut im Sommer mitgetragen. Geld für die immense Entschädigung sei da, aber kaum, um präventiv Schäden zu verhindern. Prof. Weiger forderte einen wirklichen Bodenschutz, der von der Bundesregierung als Schutz vor dem Naturschutz missinterpretiert werde.

Brigitte Zypries will den Flächenverbrauch in der Bundesrepublik wirksam verringern und bis 2020 den Anteil des Ökolandbaus auf 20 Prozent steigern.

Goldmann hingegen sieht die Probleme des Ökolandbaus weniger in der fehlenden Förderung, als mehr in fehlenden Vermarktungsmöglichkeiten und wachsender Bürokratie. Die Forderung, 15 Prozent der Gelder aus der ersten in die zweite Säule zu stecken entlarvt er als Finanztrick, weil die von den klammen Bundesländern nicht kofinanziert werden müssen. Eine Verringerung der Direktzahlungen in der ersten Säule würde mehr den kleinen als den großen Betrieben schaden. Den Strukturwandel würde das nicht aufhalten.

Während Bärbel Höhn die Einführung einer Stickstoffabgabe ankündigt, verteidigte Kirsten Tackmann die großen Strukturen in Ostdeutschland, sofern sie genossenschaftlich bewirtschaftet werden. Das außer-landwirtschaftliche Kapital müsse aus den Betrieben fern gehalten werden. Nur weil Flächen gemeinschaftlich bearbeitet werden, werde das Modell ideologisch oft verbrämt. Vor allem Brandenburg könnte viel mehr Ökolandbau vertragen, weil in der Mitte das „Bundesdorf“ eine entsprechende Käuferschicht aufweist. Doch seien die Verarbeitungsstrukturen defizitär.

Das Ziel der FDP ist, die erste Säule der Direktzahlungen ganz abzuschaffen. Dadurch würden die effektiven Agrarbetriebe überleben. Das gilt auch für den Ökolandbau: „Wir wollen ihnen gar nichts zahlen“. Aber erst ab 2019. Goldmann sagte ebenfalls: „Die zweite Säule ist keine Bauernsäule.“ Damit muss der ländliche Raum Wegebau, Datenleitungen und Daseinsvorsorge finanzieren. Wer an ein Umschichten der Gelder denkt, der könne es nicht gleich der Landwirtschaft geben.

Lesestoff:

[1] BÖLW fordert auf der Grünen Woche die Ernährungswende

Vor kurzem hatte er die Parteien einem Check zurBundestagswahl unterzogen

[2] Die Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität hat einen neuen Wohlstandsindex formuliert, der das Bruttosozialprodukt ablösen soll

Roland Krieg

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