Was fehlt in der Ackerbaustrategie?

Landwirtschaft

Anhörung zur Ackerbaustrategie im Bundestag

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat nach Vorlagen aus der Agrarbranche Ende Dezember 2019 eine eigene Ackerbaustrategie vorgelegt [1]. Neben den fachlichen Aspekten soll der Pflanzenbau vor dem Hintergrund des Klimawandels auch den gesellschaftlichen Wünschen Rechnung tragen. Nach einer öffentlichen Konsultation hatte der Ausschuss für Ernährung im Bundestag Experten zu einer Anhörung geladen. Die Ackerbaustrategie 2035 fand im Wesentlichen Zustimmung bei Wissenschaftlern und Landwirten, bleibe aber hinter den Erwartungen zurück.

Tierhaltung fehlt

Prof. Dr. Frank Ewert, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), vermisst die Zusammenführung der vielen Einzelaspekte in eine kohärente Gesamtstrategie. Die Forderung nach geschlossenen Nährstoffkreisläufen sei mit der Realität regionaler Cluster der Tierproduktion nicht in Einklang zu bringen und erfordere eine nationale Strategie. Ewert will Themen wie die Biodiversität, Erosions- und Ressourcenschutz  nicht auf den einzelnen Betrieben verorten, sondern in der gesamten Agrarlandschaft. In dem Diskussionspapier des BMEL fehlten weitgehend die Themen Agrarförderung und internationaler Bezug.

Dennoch bräuchten die Landwirte vor Ort klare angepasste Strategien. Dr. Thomas Gäbert ist Vorstand der Agrargenossenschaft Trebbin eG in Brandenburg, die auf der Betriebsebene des Mehrfamilienunternehmens Aspekte der Ackerbaustrategie bereits umsetzt. Die Genossenschaft versucht Umwelt- und Ressourcenschutz mit der Lebensmittelversorgung zu verbinden und stellt den Boden in die Mitte der Aufgaben. Auf den schwierigen Sandböden Brandenburgs soll der Humusgehalt erhöht werden. Da Flächen für Besiedlung und Aufforstung verloren gehen, müsse die Produktivität auf den verbliebenen Flächen erhöht werden. Auf dem Betrieb steht die ganzjährige Bodenbedeckung im Fokus. Das aber heißt auch, es müssen für alle Glieder der Fruchtfolge Absatzmärkte zur Verfügung stehen, sagte Gäbert.

Dieses Manko sieht auch Dr. Hubert Heilmann von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei in Mecklenburg-Vorpommern. Für die fehlenden Absatzmöglichkeiten werden in der Ackerbaustartgei keine Lösungen benannt. Für Heilmann ist die Kombination aus Ackerbau und Tierhaltung sinnvoll, was allerdings in dem BMEL-Papier fehlt. Heilmann kritisiert, dass die EU zwischen den Ländern unterschiedliche Bedingungen für die landwirtschaftliche Erzeugung mit beispielsweise einzelnen Notfallzulassungen für verbotene Pflanzenschutzmittel zulasse, aber auf den Agrarmärkten keine Ausnahmen hinnehme. Für die europäische Agrarpolitik sei die Ackerbaustrategie keine Vorlage. Dazu müsste sie auf EU-Ebene für alle Landwirte in Europa gelten.

Flächenimporte und Agrargelder

Prof. Dr. Henning Kage von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel sieht bei Flächenverbrauch und Agrargeldern noch andere Zwickmühlen. Der Gunststandort mit guten Boden- und Klimabedingungen reiche nicht für die Selbstversorgung aus. Alleine für Lebensmittel beanspruche Deutschland rund fünf Millionen Hektar Ackerfläche außerhalb des Landes. Flächen für die Erzeugung von Rohstoffen neuer Energien sind noch nicht einmal mitgerechnet. Dieser Flächenimport solle nicht weiter erhöht werden, was nur gelänge, wenn sich der Konsum an Lebensmitteln reduziert oder die Produktionsleitung des Ackerbaus mindestens erhalten bleibe. Kage fordert ein Umdenken in der Förderung des Ökolandbaus, sobald dieser einen Anteil von 20 Prozent in der Landwirtschaft erreicht hat. Die geringeren  Erträge würden den Flächenimport befeuern.

Änderungen in der Agrarfinanzierung steht Kage skeptisch gegenüber. Im Mittel haben konventionelle Ackerbaubetriebe nach statistischen Berechnungen des BMEL zwischen 2014/15 und 2018/19 im Mittel lediglich 444 Euro je Hektar Gewinn erzielt. Direktzahlungen und Zuschüsse belaufen sich auf durchschnittlich 365 Euro. Eine Änderung der Direktzahlungen auf andere Parameter als auf die Fläche sind nach Kage nur schrittweise möglich: „Das ist ein Prozess, der braucht Zeit.“

Innovationen

Landwirt Phillip Krainbring aus Niedersachsen will die Fördergelder für die großen Aufgaben des Ackerbaus so verteilen, dass die Konzepte in der Ackerbaustrategie umgesetzt werden können. Daher müsse die Tierhaltung in das Gesamtpapier eingebracht werden. Mischkulturen und Eiweißpflanzen in der Fruchtfolge sowie Mais-Bohnen-Gemenge für die Biogasanlage brauchen Märkte, damit neue Anbausysteme etabliert werden. Krainbring ist wie fast alle Experten für einen gezielten Einsatz von Glyphosat als Breitbandherbizid. Seiner Meinung nach sind Bodenschutz durch minimale Bodenbearbeitung und intensive mechanische Unkrautbekämpfung nicht vereinbar.  

Der Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Hubertus Paetow, nutzte die Gelegenheit für die Klarstellung der Pflanzenschutzmittelvorgabe im Strategiepapier Farm-to-Fork. Nicht die Zahl der Wirkstoffe, sondern deren Risiko soll um die Hälfte reduziert werden. Das Verbot von Glyphosat 2023 sei als Ausstieg keine Lösung. Verlören die deutschen Landwirte hochwirksame Mittel mit geringem Risiko, müssten die Produkte aus Ländern mit Notfallzulassungen importiert werden. Für Paetow sind Effizienzsteigerung und Innovation Schlüssel für den modernen und umweltschonenden Ackerbau. Das sei wichtiger als eine Vermarktungsförderung.

Auf dem Weg zum Wandel

Pflanzenbauwissenschaftlerin Prof. Dr. Carola Pekrun von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) kann sich vorstellen, dass Glyphosat in Regionen nach dem Erosionskataster weiterhin sorgsam eingesetzt wird. Sie teilt die Auffassung von Dr. Kage, dass Deutschland sich keine weitere Extensivierung leisten kann. Zudem müsse der Ackerbau in den Moorgebieten zur Renaturierung für die Wiedervernässung aufgegeben werden. Einsparpotenzial sieht Dr. Pekrun in der Futterproduktion, die beispielsweise zwei Drittel der Getreideanbaufläche umfasst. Darüber müssten Wissenschaft und Politik mit den Verbrauchern sprechen. Falls der Fleischverzehr unverändert hoch bleibe, könnten weder die Treibhausgase gesenkt noch die Flächen sinnvoll, auch ausschließlich für die Artenvielfalt, genutzt werden. Gesundheitlich betrachtet reichte ein Viertel des aktuellen Fleischkonsums für die ausgewogene Ernährung aus.

Biolandwirt Jan Wittenberg ist der einzige, der sich für das Verbot von Glyphosat ausspricht. Auf seinem Betrieb in Südniedersachsen setzt er die pfluglose Bodenbearbeitung mit einer vielfältigen Fruchtfolge, bei der auf Wurzelkonkurrenzen achtet um. Die Bodenbearbeitung sei flach, waagerecht und abschneidend, wie er beschreibt. „Wir müssen alle nicht pflügen, wenn Glyphosat wegfällt“, betonte er. Auch Wittenberg stellt den Boden in den Mittelpunkt des landwirtschaftlichen Betriebes. Seine ganzjährige Bodenbedeckung biete den Bodenlebewesen das ganze Jahr über „etwas zum Fressen, zum Verstecken und Wandern.“ Die Grünstreifen in der konventionellen Landwirtschaft sind hingegen nur zeitlich und räumlich begrenzt und bringen die Biodiversität nicht auf die ganze Fläche. Den Diskussionen um Genom-Editierung und Digitalisierung  steht Wittenberg skeptisch gegenüber. Beides werde überhöht und finanziere nur die Industrie. „Wir brauchen mehr Landwirte und mehr Höfe“, sagte Wittenberg.

Prof. Dr. Hubert Wiggering vom Institut für Umweltgeowissenschaften und Geographie an der Universität Potsdam bezeichnet die überhöhte Stickstoffdüngung und en mangelnden Humusaufbau als Kern der Ackerbaustrategie. Vom Boden ausgehend bis zum Klimawandel sei die Landwirtschaft in der Vergangenheit in eine Schieflage geraten, die durch eine multifunktionale Landwirtschaft wieder zurechtgerückt werden könne. Die Wechselbeziehungen zwischen Pflanze, Tier und Boden dürfen nicht verloren gehen.

Fazit

Es gibt also neben einigen Details auch noch das große Thema Tierhaltung, bei dem die Ackerbaustrategie nachgebessert werden solle. Die Wissenschaft spricht sich gegen das Glyphosatverbot aus und mit den neuen Züchtungsmethoden wird mehr Innovation in der Landwirtschaft gefordert.

Auf Frage von Kirsten Tackmann (Die Linke) ergab sich noch ein weiterer Aspekt: Es gibt in Deutschland viel Agrarforschung, die auch in ihren Fachblättern viel veröffentlicht. Aber publikumswirksam ist das nicht. Ob es eine Akademie der Agrarwissenschaften geben könne, wie es sich Tackmann vorstellt, wurde nicht beantwortet. Es gibt die Deutsche Agrarforschungsallianz DAFA, erläuterte Wiggering. Aber selbst die ist außerhalb „der Szene“ kaum bekannt. „Wir machen eher eine Wissenschaftsbegleitung“, kommentierte Wiggering. Die Agrarier bräuchten eine neue Forschungsstrategie, die sich um die Schnittstellen kümmerte. Das sieht auch Dr. Ewert: Die Agrarforschung ist zu komplex und zu wenig abgestimmt. Gerade bei den Trasnformationsthemen bräuchte es längere Forschungshorizonte als drei Jahre.

Lesestoff:

[1] Ackerbaustrategie 2035: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/fuer-wen-ist-die-bmel-ackerbaustrategie.html  

Landwirte sind skeptisch: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/landwirte-erwarten-eine-realistische-ackerbaustrategie.html

Roland Krieg

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