Was kostet Tierwohl wirklich?

Landwirtschaft

Die ökonomische Dimension des Tierwohls

Mehr Platz im Schweinestall, Außengelände und Futter ohne gentechnische Veränderung. Die Gesellschaft fordert deutlich mehr Tierwohl, als das Gesetz es vorschreibt. Es gibt eine sehr große Vielzahl an Tierwohllabel, die zwei- bis vier verschiedene Stufen vorsehen, ausschließlich im Biobereich Unterschiede machen und nur eines, dass auch den Handel mit einbezieht. Zudem hat der Lebensmittelhandel (LEH) auch noch selbst Abstufungen für verschiedene Haltungsformen vorgenommen. Das staatliche Tierwohllabel wollte einst ebenfalls die ganze Kette in ein gemeinsames Kriterienboot holen, ist davon aber aktuell weit entfernt.

Für Sven Häuser von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) ist die Lage klar: Verbraucher und Landwirte verirren sich im Label-Dschungel, sagte er Ende Februar auf der DLG-Wintertagung in Münster. Die drei eingangs erwähnten Kriterien beispielsweise erfüllen die dritte Stufe des Haltungslabels des LEH, die Stufe zwei des Deutschen Tierschutzbundes, Fleisch mit dem Etikett des Vereins Lebensmittel ohne Gentechnik und das QS-Siegel. Das staatliche Tierwohllabel ist mit dem des Handels unvereinbar und erhöht nach Häuser noch den Etikettenwald. Dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fehle die Sicherstellung der Finanzierung. Es muss auf eine einheitliche Kommunikationsstrategie setzen. Dafür müssten allerdings bestehende Label integriert werden. Aktuell gehen Haltungs- und Herkunftskennzeichnung durcheinander. Nicht nur für den Landwirt eine unbefriedigende Lösung.

Die Nutztierhalter stehen grundsätzlich vor dem Problem, den Umbau zu finanzieren. Mit dem neuen Finanzmodell der Initiative Tierwohl (ITW), die der Verein auf der Grünen Woche vorgestellt hat, ist die Finanzierung bis 2023 sicher. Beim staatlichen Tierwohllabel aber schießen die Kosten in die Höhe, wie Stefan Leuer von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen ausführte.

Beim gesetzlichen Standard ist die Fläche pro Mastschwein 0,75 qm groß. Beim ITW und der ersten Stufe des staatlichen Tierwohls sind es 0,9 und steigt auf 1,1 und 1,5 (inklusive Auslauf) bei den folgenden zwei Stufen an. Ohne Neubau reduziert sich die Zahl der Mastplätze bei 1.000 qm Fläche von 1.260 auf 850 in der zweiten Stufe des BMEL-Siegels. Schon beim ITW zeigt sich ein Verlust des Deckungsbeitrages von fünf Euro pro Mastschwein, der sich in der zweiten BMEL-Stufe auf 12 Euro mehr als verdoppelt.

Entscheidet sich der Landwirt für das Bauen eines neuen Stalles oder eine Erweiterung nehmen die Kosten pro Mastschwein einen ähnlichen Verlauf. Nach leuer sind weitere wesentliche Anforderungen wie GVO-freie Fütterung, Kupierverzicht, organische Beschäftigung und eine längere Säugephase in der Ferkelerzeugung beim staatlichen Tierwohllabel noch nicht einmal enthalten.

Leuer legt noch eine Folie auf, die einen bislang vernachlässigten Aspekt bewertet: Die Arbeitskosten. Mit dem gesetzlichen Standard fallen bei 250 Sauen mit 30 Ferkeln pro Sau und anschließender Mast 5.410 Arbeitsstunden für 2,7 Voll-AK an. Schon die Stufe eins des staatlichen Tierwohllabels erhöht den Arbeitszeitbedarf. In der dritten Stufe sind für den gleichen Bestand 9.398 Stunden bei 4,7 Voll-AK fällig. Nach Leuer ist völlig unklar, woher die Arbeitskräfte für die Steigerung um 74 Prozent kommen sollen.

Ohne eine Investitionsförderung ist ein Umbau in Richtung Tierwohl nicht möglich. Als Verbrauchssteuer schlägt Leuer 40 Cent pro Kilo Fleisch und Fleischverarbeitungsprodukte vor. Damit kommt er auf einen Mehraufwand von 19 Cent je kg Schlachtgewicht. Und dennoch: Eine Risikoprämie für Marktschwankungen und Abnahmeschwierigkeiten sind in allen Berechnung noch nicht einmal einkalkuliert.

Roland Krieg

Der Artikel erschien zuerst in der vfz Vieh und Fleisch Handelszeitung

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