Wasser: Ware, Waffe, Menschenrecht

Landwirtschaft

Wassertagung der TU Berlin

>Das kleine Dipolmolekül Wasser ist eines der zentralsten Stoffe dieser Erde. Kaum etwas, was nicht aus Wasser besteht. Egal was wir trinken: es besteht überwiegend aus Wasser. Wasser transportiert, verdünnt und löst auf. Wasser hat auch eine geballte Urkraft, wie es uns zur Jahreswende deutlich wurde. Für die meisten ist Wasser immer da. Was vor dem Wasserhahn passiert, ist nicht immer deutlich. Dort sitzen auch riesige Probleme: Ein Zehntel der Nutzpflanzen wird mit Abwässern bewässert. Mit nahezu 2,6 Milliarden Menschen hat rund die Hälfte der Weltbevölkerung keine sanitären Einrichtungen. In Indien holte die letzte Generation das Wasser mit Eimern aus flachen Teichen – die heutige muss es bereits mit elektrischen Pumpen aus 300 Meter Tiefe holen. Aber die Probleme sind näher als mancher vermutet.

Kubus und KOOP luden ein
Die Kooperationsstelle Wissenschaft/Arbeitswelt (KOOP) und die Kooperations- und Beratungsstelle für Umweltfragen (kubus) der TU Berlin setzten gestern im Ernst-Reuter-Haus „den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft“ über das Thema Wasser in Gang. Mit einem dichten Programm gab es eine Facette verschiedener Blickwinkel, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben konnte. Es sollen noch mehrere Tagungen folgen.
In ihrem Grußwort stellte Dr. Strate, Vizepräsidentin der TUB, „dem zentralen Thema dieses Jahrhunderts“ die Bereitschaft der Berliner Wissenschaft entgegen: Wasser ist einer von sieben Forschungsschwerpunkten und die Probleme lassen sich alleine anlagentechnisch nicht mehr lösen. Das gewählte Thema spiegele die vielfältige Herausforderung wieder, die sich aus steigendem Verbrauch, aber auch aus steigender Belastung, sowie einem schlechten Wasserhaushalt ergibt. Über 150 Teilnehmer aus Politik, Schule und Umweltverbänden unterstrichen die Bedeutung der Tagung.

Wasserkriege
Nordamerikaner und Europäer haben pro Kopf und Jahr rund 10.000 Kubikmeter Wasser zur Verfügung. Sind es rechnerisch nur noch 2.000, dann spricht Dr. Waltina Scheumann, vom Berliner Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung, von einer lokalen Knappheit, bei 1.000 Kubikmeter von einem chronischen Mangel und bei weniger als 500 Kubikmeter Wasser pro Kopf und Jahr von einem lebensbedrohlichen Zustand. Das gelte bereits für 17 Länder auf diesem Globus. Bevölkerungswachstum, sich verändernde Lebensstile und steigende Wirtschaftsentwicklung werden die Nachfrage nach Wasser weiter über das Angebot steigen lassen. Sie legte das Augenmerk auf die rund 260 Flüsse, die entlang verschiedener Anrainerstaaten Konfliktpotenzial beherbergen. Die so genannte „Rambo“-Situation bezeichnet die Lage, dass ein Oberanrainer das Wasser aus einem Fluss rücksichtslos für die Bewässerung der Landwirtschaft oder für Trinkwassergewinnung nutzt und den nachfolgenden Staaten am weiteren Unterlauf des Flusses weniger Wasser zur Verfügung steht. Zwar haben solche Situationen ein sehr hohes Konfliktpotenzial, doch eine Untersuchung der „Transboundary Freshwater Dispute Database“ aus den USA verzeichne vor 4.500 Jahren den letzten echten Wasserkrieg. Es werden zwar insgesamt 1.800 Konflikte aufgezeichnet, so Dr. Scheumann, doch werden diese zu 67 Prozent kooperativ geklärt. Über 3.600 bestehende Verträge bestätigen das. Erstaunlicherweise haben solche Vereinbarungen eine unglaubliche Standfestigkeit. Der Indus zwischen Indien und Pakistan war nach der pakistanischen Unabhängigkeit so eine Konfliktregion. Mit Hilfe der Weltbank gab es 1960 eine bilaterale Vereinbarung, die trotz aller nachfolgender Kriege bis heute eingehalten wird. Eher zu bewaffneten Konflikten führen innerstaatliche Auseinandersetzungen, wenn die Wasserpreise auf ein für die Bevölkerung unerträgliches Maß angehoben werden, wie es letztes Jahr in Bolivien geschah.

Staatlich oder Privat?
Was in Bolivien die Wasserpreise um 300 Prozent ansteigen ließ und den Menschen ein Viertel des Einkommens raubte, waren die höheren Gebühren infolge der Privatisierung der Wasserversorgung. Die Proteste waren erfolgreich und die Privatisierung wurde zurückgenommen. Angesichts leerer Kassen in den Entwicklungsländern und klammen Schatullen mittlerweile auch in Europa, gilt die Privatisierung der Wasserwirtschaft als Mittel, marode Versorgungswege zu erneuern und zu investieren. Mathias Ladstätter von der Gewerkschaft ver.di und zuständig für die Bereiche Ver- und Entsorgung, sowie der Wasserwirtschaft, betreut rund 30.000 Mitglieder aus diesem Wirtschaftszweig. 90 Prozent von ihnen sind im öffentlichen Dienst. Er führt zwar an, dass es noch einen Nachholbedarf an Bestandsaufnahmen und Analysen gibt, was Privatisierungen für die Wirtschaft und den Verbraucher erzielen, doch seine Vergleiche lassen bereits Schlüsse zu. Er lehnt den „Verkauf von Tafelsilber zum Stopfen von Haushaltslöchern“ generell ab. Auch die Wasserwirtschaft sei „eine unverzichtbare Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge“, wie die Bereitstellung von Schwimmbädern oder dem öffentlichen Nahverkehr. Die Gewerkschaft sieht darin die Einhaltung „sozial ausgewogener Preise und eine Sicherung von Leistung und Wirtschaftlichkeit“. Die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe gebe beispielhaft wieder, dass Arbeitsplätze abgebaut, Gebühren erhöht und Investitionen zurückgefahren werden. In den Entwicklungsländern konzentrieren sich die transnationalen Konzerne auf die lukrativen Städte und wohlhabenden Stadtteile. Diese Projekte werden von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) unterstützt. Versorgungssicherung und Wasseraufbereitung in den armen Regionen werde der Entwicklungshilfe überlassen. Der Weltgipfel in Johannisburg 2002 setzte sich zum Ziel, die Zahl der Menschen ohne Zugang zu hygienischem Wasser bis 2015 zu halbieren. Um das noch zu erreichen, so der Gewerkschafter, müssen täglich 300.000 Menschen an die Versorgung angeschlossen werden. Nur fünf Prozent der jährlichen Militärausgaben weltweit würden das realisieren helfen.

Das Thema geht jedoch auch weitestgehend an der Öffentlichkeit vorbei. Die starke kommunale Versorgung wie in der Bundesrepublik gilt in der EU als eigenes Modell. In England sind die Wasserbetriebe privatisiert. Auf politischer Ebene passiert eine ganze Menge, wie Britta Pielen vom Ecologic-Institut für Internationale und Europäische Umweltpolitik, vortrug. Im Gegensatz zu Strom ist Wasser ein heterogenes Gut, dass durch Transportleistung, die auf Grund der hohen Masse teuer ist, auch noch an Qualität verliert. In der Regel ist noch eine Aufbereitung notwendig. Ein Qualitätsmangel bedeutet gleich eine Gesundheitsgefährdung. Trotzdem könnte eine Liberalisierung der Siedlungswasserwirtschaft ähnlich wie bei Strom Vorteile bringen. Daher hat die Bundesregierung in dem Beschluss über die nachhaltige Wasserwirtschaft vom 31.03.2002 mehrere Modernisierungsparameter aufgestellt, deren „präzise Maßnahmen“ noch in Planung sind, so Pielen. So werde eine steuerliche Gleichstellung von privaten und gewerblichen Nutzern gegenwärtig noch geprüft. Brächte das den Bürgern eine Mehrbelastung oder überwiegt die Mindereinnahme durch gewerblichen Steuerausfall? Es soll Bewertungsparameter geben, mit denen die Leistung der privaten Unternehmen verglichen werden kann und überregionale Kooperationen sollen möglich sein. Verwaltet wird auch auf europäischer Ebene. Im so genannten Grünbuch 2003 wurde bereits definiert, dass „Wasser als Dienstleistung von allgemeinen wirtschaftlichen Interesse“ sei. Daher gelten dann die allgemeinen Wettbewerbsregel für das Gut Wasser. Es gäbe jedoch noch viele offene Fragen: Wird eine Privatisierung eine Strukturänderung erzwingen, welche Rolle werden die Leistungsparameter haben und soll es für die Kommunen eine Ausschreibungspflicht geben? Welche Auswirkungen werden die Antworten auf das hohe Leistungspotenzial der Wasserwirtschaft in Europa haben?

„Unsichtbares“ Wasser...
Aus den Augen – aus dem Sinn. Doch Wasser, das unseren Körper, das Bad oder die Waschmaschine verlässt geht noch seinen weiteren Weg, Von den 124 Litern Wasser, die ein Berliner täglich verbraucht werden nur 3 Prozent als Trinkwasser verbraucht. Bad und Toilette verbrauchen über 90 Liter, die Waschmaschine etwa 47 Liter. Abwasser kosten Geld und müssen gereinigt werden. Und sie können wieder verwendet werden. Warum also nicht in kleinen Gemeinden oder Tourismuszentren eine zentrale Abwasserbehandlung einrichten und quasi eine „Zer0-Outflow“ Gemeinde etablieren? In Deutschland, Österreich, Italien und Griechenland gibt es Pilotprojekte, die eine nachhaltige Hygiene als Teil der nachhaltigen Entwicklung definieren. Wasseruhren, Trenntoiletten, Pflanzenkläranlagen und Regenwassernutzung sind bereits funktionierende Technologien, die Wasserverbräuche senken, als Faulschlamm nach Trocknungsprozessen Mineraldünger in der Landwirtschaft ersetzen helfen, keine teuren Leitungsnetze brauchen und den Lebensstandard in Dorfgemeinden erhöhen. So beschreibt Gisela Hoffmann von kubus das Projekt der Nullemission-Gemeinde, dass auch außerhalb der EU in Ägypten, Tunesien und Marokko getestet wird. Gerade in Ländern mit niedrigeren Einkommen, wenig Abwasserbehandlung und daher schlechter Qualität hat das Projekt einen hohen Stellenwert. Auch in der Türkei gibt es Pilotprojekte. Dort wird Mitte März die erste ZER0-M Conferece on Sustainable Water Management stattfinden. Näheres finden Sie unter www.zer0-m.org.

Karsten Schischke von der TUB stellte einen weiteren und überraschenden Wasserverbrauch vor, der den Menschen nicht gegenwärtig ist: Die Computertechnik. Für die Herstellung eines Mikrochips werden etwa 500 Liter Wasser benötigt. Die empfindlichen Chips müssen in Reinraumbedingungen hergestellt werden. Der Reinigungsprozess der Räume findet mit hochreinem Wasser statt. Wasser mit Mineralien könnte „Kalkflecken“ auf den Chips hinterlassen. Die Chipsherstellung verbraucht etwa 40 Prozent des Gesamtwassers bei einem Computer, so Schischke. Auch wenn 95 Prozent des Wassers wiederverwendet werden, so gibt es alleine 160 Millionen PC auf der Welt. Und der Mikrochip steckt mittlerweile in vielen Spielzeugen, im Telefon, der Mikrowelle und anderen Geräten des täglichen Bedarfs. Einen Teil der negativen Bilanz korrigiert der Computer bei seiner Nutzung, denn mit seiner Hilfe können auf verschiednen Internetportalen wassersparende Anbautipps für die Landwirtschaft veröffentlicht werden. Der Mikrochip in der Waschmaschine hat den Wasserverbrauch von 180 Liter für 5 kg Wäsche im Jahr 1965 auf heute unter 40 Liter reduziert. Teurer wird es erst wieder, wenn der Computer abgeschafft wird. Im chinesischem Stadt Guyu gibt es Berge von ausgedienten Computern, die früher auch einmal aus aller Welt importiert worden sind. Die Menschen flammen die PVC Ummantelung der Kabel ab, um an die Kupferdrähte zu verkaufen. Die Mikrochips werden mit Säure behandelt, um an das aufgedampfte Gold zu kommen. Das Grundwasser in Guyu ist nicht mehr genießbar. Karsten Schischke ist auch Mitglied des ReUse Computernetzwerkes, dass vom Forschungsministerium unterstützt wird. Die Idee ist, die Lebensdauer der Computer zu verlängern, so dass auch der Wasserverbrauch bei der Herstellung und Entsorgung günstiger wird. Informationen finden Sie auf www.reUse-Computer.org.

... sichtbar machen
Das Thema Wasser scheint die Menschen meist nur über die Gebührenfrage zu interessieren. Abwasser und Wassergebrauch für Computer scheinen weit weg, solange das Wasser noch aus dem Hahn tropft. Daher beklagte Dr. Hartwig Berger vom Ökowerk e.V. in Berlin die zu geringe Wasseröffentlichkeit bei den anstehenden Diskussionen. Im Ökowerk auf dem Grunewalder Teufelsberg gibt es zur Zeit eine Ausstellung über die Berliner Wassergeschichte, der Situation im Grunewald und vieles mehr über Wasser. Dr. Berger hat die Ausstellung für Kinder und Erwachsene konzipiert. Termine und Preise finden Sie unter www.oekowerk.de.

Diskussion und Thesen
In der anschließenden Diskussion forderte Herr Heinzmann von den Berliner Wasserbetrieben die Zuhörer auf „Mehr zu baden“. Nachhaltigkeit sei nicht nur ökologisch zu betrachten, sondern auch ökonomisch und sozial. Die Berliner Wasserleitungen brauchen mehr Wasser, um funktionsfähig zu bleiben und nicht Faulwasser zu bilden. Wasser sparen bedeute steigende Tarife und weniger Investitionen in der Zukunft.

Die Antwort für oder gegen eine privatisierte Wasserwirtschaft ist noch offen. Medikamentencocktails in Fäkalien sollen auch bei der Nullemissions-Gemeinde nicht auf das Feld und nicht jeder Reisbauer hat einen Internetanschluss. Man darf auf die Folgetagungen gespannt sein. Die einladenden Kooperationsstellen finden Sie im Internet unter:
www.tu-berlin.de/zek/koop
www.tu-berlin.de/zek/kubus

Roland Krieg

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