Wasserfläche Weizenfeld

Landwirtschaft

Wasser macht Ernte unmöglich

Was wie die Arbeit auf dem Reisfeld anmuten könnte, ist in Wahrheit der Weizenanbau in Nordostdeutschland. Anfang Juni brauchten die Bauern nach der langen Frühjahrstrockenheit noch etwas Regen für die Zeit der Kornfüllung. Damit bekommt das Getreide erst die richtige Qualität. Doch hat der Dauerregen der letzten Wochen viele Felder überflutet, der Boden nimmt das Wasser nicht mehr auf, die Gräben sind voll und halten das Wasser auf dem Feld zurück. Das Getreide, das noch auf dem Acker steht, steht im Wasser. Mähdrescher versinken wie auf dem Foto im Landkreis Mütitz in Mecklenburg-Vorpommern. Udo Folgart, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, berichtete von einem Mähdrescher, der sich im havelländischen Paaren auf einem 27er Boden, praktisch reinem Sand, festfuhr und nur mit zusammen 900 PS Schlepperleistung wieder festen Boden erreichte.
Malte Voigts, Prokurist der Rhinland Agrar GmbH im havelländischen Kremmen
, wartet auf einen Mähdrescher mit Raupen und Ketten, der eigentlich im Münsterland zu Hause ist. Der Lohnunternehmer ist mit dem Gerät in Norddeutschland unterwegs, um in den kurzen Regenpausen, für die Bauern das Getreide zu ernten. Mittlerweile ist die Qualität schon egal. Hauptsache die Ernte ist eingefahren, der Boden wieder frei für die Herbstbestellung, denn am 25. August sollte der Winterraps im Boden sein.

Viel Wasser, wenig Abfluss

Udo Folgart, Malte Voigts und Vorsitzender Friedemann Karl vom Kreisbauernverband Oberhavel luden am Mittwoch zur Feldbesichtigung. Viele Flächen sind derzeit nicht mehr befahrbar, um die Raps- und Getreideernte zu Ende zu bringen.
Zum einen resultiert die Situation aus den gewaltigen Regenmengen der letzten Wochen. Im Havelland hat es im Juli 211 mm Niederschlag gegeben. 55 mm sind normal. Ähnlich ist es in Vorpommern. Da fielen sogar 267 mm.
Zum anderen resultiert das Wasserbad auf den Feldern aus den mangelhaft gepflegten Meliorationsgräben. Verkrautung und umgestürzte Bäume verringern die Fließgeschwindigkeit erheblich. Friedemann Karl berichtet, dass im Raum der „schnellen Havel“ zwischen Zehdenick und Oranienburg die Fließgeschwindigkeit von 20 auf vier Kubikmeter in der Sekunde verringert ist.
Für die Gewässer der 2. Ordnung sind die Landeigentümer zuständig, die für die Pflege eine Umlage an die Wasserbehörde zahlen. Doch staut sich das Wasser dort auch, weil nach Karl die Gewässer der 1. Ordnung, für die das Land zuständig ist, nicht in Ordnung sind. Das Wassermanagement funktioniere nicht, was bei so einer Extremsituation wie in diesem Jahr deutlich wird. Im Frühjahr muss das Wasser gegen die Trockenheit auf der Fläche behalten werden, bei starkem Niederschlag muss es aber auch wieder abfließen können.
Das Präsidium des Landesbauernverbandes Brandenburg reklamierte am Vortag den schlechten Zustand der Gräben bei Landwirtschaftsminister Vogelsänger. Die Wasser- und Bodenverbände hätten nur noch 70 Prozent der üblichen Mittel für die Grabenpflege. Auf Unverständnis stoßen „überzogene Anforderungen“ beim Naturschutz. Der Biberschutz führe zu zusätzlichen Überschwemmungen und treibe die Hochwasserkosten in die Höhe. „In einem abgestimmten und leistungsfähigen Gewässerbewirtschaftungskonzept sollte das Wohl und der Schutz der Menschen und des Eigentums an erster Stelle stehen“, so Folgart in seiner Eigenschaft als Landesbauernpräsident.
Derzeit hilft die Witterung den Bauern aber auch nicht. Es wird kaum heiß und trocken, um das Wasser durch Verdunstung nach oben abführen zu können, so Folgart. Morgens gibt es fast schon herbstliche Taubildung, so dass die Felder nicht trocknen.

Betriebliche Folgen

Malte Voigts hat noch 100 Hektar Raps und 120 Hektar Weizen auf den Feldern stehen. Wo bislang geerntet wurde ist der Ertrag um rund ein Drittel niedriger als im Vorjahr. Die Qualitäten zeigen erhebliche Defizite. Mehlausbeute und Backqualität werden mit Hektolitergewicht und Fallzahl bestimmt. Beim Hektolitergewicht für die Mehlausbeute liegt der Weizen mit 68 kg/hl unter dem Soll von 78 kg/hl. Bei der Fallzahl schafft der Weizen nur noch auf 157 statt 220 und der Roggen liegt mit 64 deutlich unter dem Soll von 120, so Voigts.
Normalerweise kostet der Einsatz des Mähdreschers zwischen 75 bis 85 Euro je Hektar zuzüglich 20 Euro Diesel. Für den Raupenmähdrescher muss Voigt zwischen 50 und 70 Euro draufzahlen.
Was die Ernte am Ende wirklich kostet steht noch gar nicht fest. Durch die Regenunterbrechungen müssen die Felder mehrmals angefahren werden. Nach der Ernte muss eine sorgsame Bodenbearbeitung die tiefen Spuren auf den Äckern zusätzlich beseitigen. Und möglicherweise müssen die Bauern ihre Planungen für das nächste Jahr noch ändern, wenn die Witterung und der Bodenzustand keine pünktliche Herbstsaat mehr zulassen.
Zudem staut sich das Wasser tage- und wochenlang im Boden und verschließt die horizontalen und vertikalen Poren. Fließt das Wasser ab, nimmt es viele gelöste Nährstoffe mit. Zusammen mit einem verringerten Bodenleben werden die Auswirkungen der überfluteten Felder möglicherweise noch im nächsten Erntejahr sichtbar werden.

Aktueller Erntestand Brandenburg


Schwierig ist standortabhängig auch die Situation im Futterbau. Die lange Frühjahrstrockenheit hat beim ersten Schnitt rund 30 Prozent weniger Ertrag gebracht. Seit dem es regnet, wachse das Gras zwar ausgesprochen gut, doch an den Niederungsstandorten sind auch die Wiesen überflutet und können nicht befahren werden. Das Stauwasser lasse zudem die wertgebenden Süßgräser faulen, so dass mit Einbußen beim Futterwert gerechnet werden muss.

Terminkontrakte

Terminkontrakte gelten als Preisabsicherung für die Bauern. Sie können zu festen Preisen und Qualitäten schon vor der Aussaat die Ware verkaufen und wissen, mit welchen Geldern sie im Herbst fest rechnen können. Sinken die Marktpreise unter den Vertragspreis, haben sie sogar noch Gewinn gemacht, stiegen die Preise über den Vertragspreis ist das unternehmerische Risiko daneben gegangen. Doch in diesem Jahr zeigt sich die Schwäche des Systems. Die Verträge legen Menge und Qualitäten fest. Beides ist von der Witterung abhängig und sowohl bei der Menge als auch bei der Qualität liegen diesmal viele Verträge darunter. Zumindest die Menge kann in Einzelabsprachen auf das nächste Jahr verschoben werden, doch besteht der Händler auf die Vertragskonditionen, dann wird bei Nichterfüllung eine Vertragsstrafe fällig. Die Bauern verlieren dann nicht nur Erntemengen und Qualitätszuschläge, sondern zahlen auch noch drauf. Ernteertrag und Qualitäten werden durch die Witterung bestimmt. Das Erntejahr 2011 zeigt, dass bei widriger Witterung die Bauern mit den Kontrakten nicht gewinnen können. Es funktioniert nur bei schönem Wetter. Voigts und Karl hoffen, dass sie in diesem Jahr ohne Vertragsstrafe davon kommen.

MV: Hilfen vom Land

In Rostock berieten am Mittwoch Politik und Landesbauernverband über die schwierige Erntesituation. Agrarminister Dr. Till Backhaus kann zwar noch keine seriöse Schadensberechnung vornehmen, doch bietet das Land den Bauern Hilfen an, die vor allem auf eine Verbesserung der Liquidität hinzielen. So werden Pachtzahlungen und Tilgungsraten für öffentliche Darlehen gestundet. Die Finanzämter gewähren einen Zahlungsaufschub für Steuerschulden und die landwirtschaftliche Rentenbank stellt Liquiditätshilfedarlehen zur Verfügung. Backhaus setzt sich auch für eine frühzeitige Auszahlung der Flächenprämien zum 01. Dezember ein. Dem muss aber die Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner zustimmen. Um die Futterversorgung zu gewährleisten, sollen Futterbörsen Angebot und Nachfrage zueinander führen. Sollten Tierbestände in Gefahr geraten, dürfe kein futter mehr in Biogasanlagen eingebracht werden.

Roland Krieg, Fotos: Mähdrescher: Andreas Schaade, Rest: roRo

Zurück

  Menü