Wasserwirtschaft in Berlin-Brandenburg

Landwirtschaft

koop und kubus: 2. Wassertagung in Berlin

>Nach erfolgreichem Verlauf der ersten Tagung im letzten Jahr, widmete sich gestern im Ernst-Reuter-Haus der TU Berlin die gemeinsame Tagung von koop und kubus den „Problemen einer nachhaltigen Wasserwirtschaft in Berlin und Brandenburg“. koop ist die Kooperationsstelle Wissenschaft / Arbeitswelt und kubus die Kooperations- und Beratungsstelle für Umweltfragen der Technischen Universität Berlin. Die Tagung legte den Schwerpunkt auf die Fragestellungen nach Verschwendung, Versteppung und Verschmutzung. So sieht Ulrike Strate, Vizepräsidentin der TUB in ihrem Grußwort „die TU als Hochschule für die Region und nicht nur als Hochschule in der Region.“

Versteppung
Durchaus düstere Aussichten zeichnete Prof. Dr. Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes Brandenburg. Die gegenwärtige Situation des Landes beschreiben die beiden Extreme überflutete Flächen und Sommerböden mit tiefen Dürrerissen. Die Flutkatastrophe von 1342 mit 9.000 Toten zeigte allerdings schon, dass die an der Oder und Elbe gefürchteten Großwetterlagen 5b nicht erst nur in der Gegenwart Probleme bereiten. Und auch diese wurde bereits durch Menschen verschlimmert, denn durch die Entwaldung gab es im Hochmittelalter nur noch 15 Prozent des ursprünglichen Bestandes, weswegen die Flutwelle bis zu sieben Meter Bodenabtrag geführt hatte.
Für das heutige Brandenburg hat die konzentrierte Entwässerung der Gesamtfläche die Probleme in über 300 Jahren aufgebaut. Dort „wo das Wasser noch ansetzt zum Verderb des Ackerbaus“ wurden Meliorationsgräben geschaffen, die 83 Prozent der Moore und Auen vernichtete. Die Spree hat rund 51 Prozent der Auen verloren und kommt nur deshalb mit einem „guten“ Wert weg, weil der Spreewald viel Fläche aufrecht erhält. Die Lausitzer Neiße und Schwarze Elster hingegen haben jeweils über 90 Prozent ihrer Auen verloren.
Der Lausitzer Bergbau führte am Oberlauf der Spree zu einem Wasserdefizit in Höhe von sieben Milliarden Kubikmeter. Das Auffüllen der stillgelegten Braunkohlelöcher führt zu einem ganz neuen und ehemals nicht bedachten Problem: Sulfidische Mineralien reduzieren den pH-Wert des Wassers auf 2,6 bis 3,1, so dass Dr. Freude bereits von „Haushaltsessig“ spricht. Nach gültigen Wasserrichtlinien dürfen nicht mehr als 240 mg Sulfat in einem Liter Wasser enthalten sein. Das Wasser aus den Braunkohlelöchern schafft 1.250 mg.
Der Klimawandel zeige auch bereits deutliche Spuren beim Niederschlag. Während im Nordosten Brandenburgs noch 562 mm Regen fallen, sind es im östlichen Landesteil weniger als 500 mm. Dabei sind die Winterniederschläge um 23,9 mm angestiegen, aber die Sommerregen um 24,7 mm weniger geworden. Normalerweise weitgehend unbeachtet unterstrich Dr. Freude deshalb erneut, dass die Wetterstation Angermünde in den letzten 100 Jahren einen Temperaturanstieg von 3,7 Grad Celsius verzeichnet hat.
Zwar kämpft Sachsen mit vergleichbaren Problemen, aber Brandenburg zeichnet sich durch sandige Böden mit Ackerzahlen um 28 aus, die nur wenig Wasserspeicherkapazität besitzen. Deutschlands beste Böden in der Magdeburger Börde und Köln-Bonner-Bucht haben mit 100 die besten Ackerzahlen.
Ein weiteres ungünstiges Merkmal für den Wasserhaushalt sind die Kiefernwälder in Brandenburg. Nadelbäume beanspruchen auch im Winter Wasser, weil sie grüne Nadeln haben. So bildet sich im Gegensatz zu Buchenwäldern unter den Nadelwälder kein neues Grundwasser. Melioration, weniger Niederschlag und Kiefern: In den letzten 20 Jahren sind die Pegelstände der Fließgewässer zwischen 20 und 40 Prozent zurückgegangen und der oberste Grundwasserleiter zeigt fallende Tendenz.
Jens Feddern, Leiter Wasserversorgung der Berliner Wasserbetriebe (BWB), fügte noch hinzu, dass durch wärmeres Wasser in Brandenburger Seen neue Blaualgen auftreten. Diese synthetisieren Stickstoff aus der Luft und bilden, wie beispielsweise Cylindrospermopsis raciborscii, neue Toxine. Zusammen mit dem Land Brandenburg und der Universität Cottbus werden150 Seen regelmäßig beprobt.

Verschmutzung
Böden sind Filter, Puffer und Augleichskörper für das Wasser, was die Berliner NASRI-Forschung mit der Uferfiltration zu nutzen versteht. Allerdings ist die Pufferkapazität nicht grenzenlos und Prof. Dr. Martin Kaupenjohann vom Institut für Ökologie an er TUB erforscht warum - um das Verständnis von der Dynamik im Boden deutlicher zu machen. So versickert Wasser nicht flächig durch den Boden nach untern, sondern weist einen „preferential flow“ auf. So können vertikale Regenwurmkanäle dem Wasser eine „bevorzugte Fließrichtung“ geben und das Wasser sickert trichterförmig auf diese Rinnen zu. Querschnittsbilder der Böden zeigen, dass weit weniger als 60 Prozent des Bodens mit dem Sickerwasser in Berührung kommen und damit reaktive Oberfläche zum Abbau von Schadstoffen „verschenkt“ werden. Wasser nutzt immer wieder die gleichen „Autobahnen“ durch den Boden. Ob Schadstoffe wasserlöslich oder -unlöslich sind, spielte in Dr. Kaupenjohanns Untersuchung keine Rolle: Das mit dem „First Flush“, dem ersten Regen eingespülte Wasser, zeigte die gleichen Effekte. Obwohl die Eintragsmenge von Schadstoffen auf die Fläche insgesamt gering gewesen ist, bündelt der „preferential flow“ diese auf Mengen mit hohen Effekten.
Das zeige sich bereist bei den Fahlerden Brandenburgs und umso mehr bei Stadtböden. Diese weisen praktisch keinerlei geordnete Schichtung mehr auf und sind viel anfälliger für den „preferential flow“.

Verschwendung
Das Thema Verschwendung zeigte nicht, dass die Berliner und Brandenburger verschwenderisch mit Wasser umgehen, denn seit der Wende geht der Wasserverbrauch dramatisch zurück. Einmal sparen die Verbraucher, zum andern sind ganze Industrien weggefallen, die vormals Hauptabnehmer von Wasser waren. Was praktisch als „Verschwendung“ übrig zu bezeichnen bliebe, könnten die überdimensionierten Wasser- und Abwasserversorgungsstrukturen sein. Die demographische Entwicklung Brandenburgs zeigt einen Bevölkerungsschwund im ganzen Land. Cottbus verbraucht nur noch ein Drittel der Wassermenge seit 1989, führte Prof. Dr. Matthias Koziol von der TU Cottbus, Institut für Städtebau und Landschaftsplanung an. So werden in der Stadt im Norden und Süden ganze Stadtteile mit sinkender Bevölkerung zurückgebaut. Entweder durch flächigen Abriss oder Entnahme einzelner Wohnblöcke. Damit können auch Wasserversorgungsleitungen stillgelegt werden, die unwirtschaftlich sind und durch ihre Unterhaltung auf die Preise drücken. In überdimensionierten Netzen treten im Zeitverlauf anaerobe Verhältnisse mit Geruchsbelästigungen auf, die beseitigt werden müssen. Die Berliner verwenden mittlerweile Sprengstoff, um vererzte Leitungen mit zu wenig Durchfluss wieder frei zu bekommen. Jens Feddern beschrieb bei dem „sprengschocken“ einen „beispielslosen effektiven Impuls“, bei dem keine weiteren Chemikalien mehr eingesetzt werden müssen.
Wie dramatisch der Nutzungsrückgang ist, belegte Dr. Koziol für Magdeburg Neu Olvenstedt. Normalerweise verbleibt Wasser bis zu fünf Tagen im Rohrleitungssystem – in Neu Olvenstedt sind es bis zu 30 Tage. Gebiete mit schrumpfender Bevölkerung sind „eine sich verschärfende Problematik“, sieht Dr. Koziol – aber nicht nur in Ostdeutschland. Auch in den alten Bundesländern gebe es Regionen, bei denen Versorgungsleitungen „angepasst“ werden müsste.

Lösungen
Während Wasser in der Physik und Chemie ein hervorragendes Lösungsmittel ist, hält die Gesamtproblematik keine einfachen Auswege bereit. Waldumbau, Umbau der Meliorationsgräben, Aufbau neuer Auen und Anpassung verbauter Infrastruktur an deutlich veränderte Rahmenbedingungen lassen sich einfacher aufzählen, als umsetzen. Da ist nach Dr. Koziol „eine Spirale im Gang“, die jüngst den Berlinern wieder Grund zur Aufregung gab: Steigende Wasserpreise. Der Tagesspiegel verglich die Berliner mit den Münchener Wasserpreisen und stellte fest, dass die Hauptstädter das teuerste Wasser hätten. Hingegen warnte gestern Dr. Simone Klawitter von der Water Sanitation Livelihoods and Institution Building aus Berlin, vor solchen Vergleichen. Wasserpreise sind so komplex zusammen gesetzt, dass man „Äpfel mit Birnen“ vergliche. Es müsse immer festgestellt werden, ob die Preise alle Investitionen abdecken und wie diese finanziert würden. Ein Vergleich ausschließlich der Betriebs- und Wartungskosten stellt nur einen kleinen Teil der Wasserkosten dar. Hinzu komme auch der Wert des Wassers, wie beispielsweise Umweltkosten oder die Nutzung des Wassers überhaupt. Es gebe einen Prozentwert für die „Unbezahlbarkeit des Wassers“, den die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit 10 Prozent des Budgets, eine europäische Quelle mit fünf Prozent beziffert. Nach Berechnungsgrundlage Dr. Klawitters, zahlt ein Berliner Arbeitslosengeld II-Empfänger 5,34 Prozent seines Budgets. Das ist am Rande der „Unbezahlbarkeit“. Sie schlägt ein Stufenmodell für Berlin vor, bei dem die Kleinverbraucher nur wenig bezahlen müssten. Das fände auch Unterstützung durch BWB-Vorstand Norbert Schmidt. Aber, so Schmidt, er dürfe keinen Sozialtarif einführen. 33 Prozent seiner Kunden sind Gewerbebetriebe, die in Berlin selbst nach Wasser bohren dürfen. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer haben viele Firmen wegen der hohen Preise damit bereits begonnen. Schmidt spezifizierte: 10 Millionen Kubikmeter werden bereits privat gefördert und die gleiche Menge sei vom Berliner Senat auch schon neu bewilligt worden. Die Preise würden für die privaten Verbraucher deutlicher steigen, wenn alle seine Gewerbekunden ihr Wasser selbst förderten und der BWB als Kunden verloren gingen, warnte Schmidt.

Für Susanne Stumpenhusen liegt die Lösung einer nachhaltigen Wasserwirtschaft in Formen nachhaltiger Zusammenarbeit. Sie ist stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Berlin Wasser Holding und Vorsitzende des ver.di Landesbezirks Berlin-Brandenburg. Generell bleibt die Frage, ob Wasser ein handelbares Wirtschaftsgut sei „oder ein grundlegendes Lebensmittel, das nicht den Marktkräften unterworfen werden darf“. Sie sieht die Wasserwirtschaft eindeutig als Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge und fürchtet den Abfluss der erwirtschafteten Mittel aus der Region. In Berlin und Brandenburg haben alle öffentlichen und teilprivatisierten Verbände mit Wasser und Abwasser die gleichen Geschäftsbereiche, weswegen eine Zusammenarbeit in Zweckverbänden Vorteile hat. Nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus ökologischen Gründen. So könne ein langfristiger Schutz des Wassers als Lebensraum über Verbandsgrenzen hinweg gesichert werden, so dass es auch den nachfolgenden Generationen als Ressource zur Verfügung steht.

Als Beispiel für eine Kooperation nannte sie die KOWAB, der „Kooperation Wasser und Abwasser Brandenburg-Ost“, aus verschiednen Verbänden zwischen Eberswalde und Königs-Wusterhausen. Was zur Schärfung der gemeinsamen Aufgaben noch fehlt, ist „ein Leitbild für nachhaltige Formen der Zusammenarbeit“.
Der Berliner Tagesspiegel verglich die Kostbarkeit des Wassers preislich gesehen bereits mit dem schwarzen Gold aus der Krisenregion im Nahen Osten. Der auf der Wassertagung zusammen getragene Problemkreis verifiziert den Blickpunkt – allerdings auch mit der Perspektive, dass Wasser teuer bleibt. Da ist das „Privatisierungsdesaster“ (Jochen Esser, Grünen Abgeordneter im Berliner Senat) nur ein Puzzlestück.

koop und kubus
Die Veranstalter der Tagung können Sie im Internet besuchen:
www.tu-berlin.de/zek/koop
www.tu-berlin.de/zek/kubus
Es gibt auch ein Internetforum der Tagung: www.tu-berlin.de/zek/forum

Roland Krieg

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