„Weg vom Wohlstandsüberfluss“

Landwirtschaft

Die Kunden für die Lebensmittelwertschätzung wecken

Till Backhaus

Landwirtschaftsminister Till Backhaus wurde am Donnerstag auf der MeLa philosophisch. Die Kunden verlangen in der Wohlstandsgesellschaft das volle Lebensmittelsortiment zu Dumpingpreisen zwischen 07:00 und 21:00 Uhr. Die Folgen zeichnen sich in der Landwirtschaft ab. Dort wird nicht mehr in Generationen, sondern mit Widersprüchen produziert, die Ressourcen nicht mehr nachhaltig bewirtschaftet. „Es muss uns gelingen, die Wertschöpfung für Lebensmittel wieder in die Köpfe der Verbraucher zu bekommen“, sagt er.

Damit steht er nicht allein. Landesinnungsmeister des Bäcker- und Konditorenhandwerks, Matthias Grenzer, beklagte, dass die Kunden heute nicht mehr beim Bäcker und Metzger kaufen, sich morgen aber beschweren, wenn dieser sein Geschäft hat schließen müssen. Das Handwerk habe keine Chance, wenn beispielsweise der Lebensmitteleinzelhandel im Oktober mit der Weihnachtsbäckerei aufrüstet. Auch die Hotellerie beklagt sich. Kunden beschweren sich, wenn zehn Minuten vor Ende des Buffets das Frühstück nicht mehr vollständig ist, führte Matthias Dettmann an. Er ist Hauptgeschäftsführer der DEHOGA in Mecklenburg-Vorpommern. Und selbst der Handel klagt in Form von Geschäftsführer Kay-Uwe Teetz vom Handelsverband Nord. Kunden können zwischen einem Dutzend Sorten Milch oder Joghurts wählen, beklagen sich aber, wenn genau das eine Produkt fehlt, das sie sonst immer kaufen.

Der Schuldige ist entdeckt und konnte sich mangels Anwesenheit nicht wehren. Hätte es der Verbraucher denn auch gekonnt? Ist er nicht zu diesem Wohlstandskind durch die vielen Versprechen worden? Landesbauernpräsident Detlef Kurreck sagt, die Landwirte produzieren alles, was der Kunde will. Sie folgen jedem Trend, wenn die Produktionskosten gedeckt sind.

Immer hat es jemanden gegeben, der das, was eigentlich nicht möglich ist, doch produziert und liefert. An Rohstoffen, an Verpackungen, an Produktvarianten und an Preisalternativen. Jetzt wird die gesamte Kette von den Erwartungen, die sie selbst geweckt hat, aufgefressen.

Wo ist der Weg zurück? Zumindest kennt Backhaus das Ziel: Die Ichgesellschaft muss vom Wohlstandsüberfluss weg. Ob das mit Schulgärten gelingt? Es ist ein dickes Brett. Mecklenburg-Vorpommern hat 31 Millionen Gästeübernachtungen pro Jahr. Diese finden auf den Buffets meist die gleichen Produkte wie beim Discount. Backhaus wünscht sich eine kleine, aber vor allem regionale Karte. Ein Mosaikstein der Wende.

Jeder in der Kette muss etwas tun, um das Ruder herumzureißen. Besser, als alle Schuld dem Verbraucher zu geben.

Roland Krieg, Foto: roRo

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