Wege aus der Innovationsfalle

Landwirtschaft

Biologika und Züchtungsmethoden

Langsam gerät neben der Tierhaltung auch der Ackerbau in die Kritik der Gesellschaft. Was sich an Protest auf der Straße und in Verbänden findet, landet früher oder später als Richtlinie oder Verordnung in der Politik zwischen Brüssel und Berlin. Das Wirtschaften unter Auflagen wird immer schwieriger, beklagten Bauernpräsident Joachim Rukwied und der stellvertretende Vorsitzende des britischen Bauernverbandes Guy Smith zu Beginn der Ackerbautagung des Deutschen Bauernverbandes [1]. Die Wissenschaft aber legt nach.

Biologika

Heinz Breuer von Bayer legte dar, wie die Zahl der schwindenden Wirkstoffe, die noch zugelassen sind, die Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten erschwert. Ein Grund, warum die entsprechenden Industrien ihr Kerngeschäft auf Saatgut und Sorten ausweiten. Breuer kritisiert die unrealistischen Anforderungen, die es beispielsweise für die Risikobewertung von Wirkstoffen auf Bienen gibt: Auf einem zwei Hektar großen Versuchsfeld werden sieben Bienenvölker aufgestellt. Bei Pflanzen, die von Bienen angeflogen werden, muss eine Pufferzone mit einem Radius von zwei Kilometer um das Versuchsfeld angelegt werden, auf denen keine weiteren Nahrungspflanzen wachsen. Zudem muss die Versuchsanordnung gleichzeitig in derselben Region mindestens 28 Mal wiederholt werden. Insgesamt wird eine Fläche von mehr als 44.000 Hektar dafür beansprucht.

Dennoch geben die Firmen ihre Innovationskraft nicht auf. Sie steigen in den Bereich der Biologika ein, der sowohl für den Ökolandbau als auch für den konventionellen Landbau interessant erscheint. Unter diesem Begriff sind Pilze und Bakterium als Helfer des Landwirts aufgelistet, die praktisch keine Rückstandsrelevanz haben und deswegen kleinere Zulassungshürden überspringen können. Sie sind nicht der Königsweg, sondern ein Baustein für das gesamte Resistenzmanagement. Was für den Ökolandbau ein wesentliches Element sein kann, wäre für den konventionellen Landbau eine wichtige Ergänzung.

Biologika sind nicht nur Pilze und Bakterien, sondern können auch Pflanzenextraktstoffe, Raubinsekten oder Pheromone sein. Seit einigen Jahren sind einzelne Mittel auch schon für den europäischen Markt zugelassen. Die Entwicklung von Biologika wird die Erforschung von chemischen Pflanzenwirkstoffen überholen und unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit mehr Akzeptanz finden. Nach Breuer haben die neuen Mittel allerdings den Nachteil, dass sie als meist lebende Substanz unsichere Ergebnisse hinsichtlich ihrer biologischen Leistung erzielen. Vor allem im Freiland sind Einsätze wegen der Witterung schwierig. Die Mittel haben zudem eine kritische Lagerstabilität und die Nachfrage ist noch klein.

Züchtungsmethoden

Im Bereich der Züchtung entwickelt sich die Forschung ebenso weiter und präsentiert mittlerweile einen umfangreichen Werkzeugkasten an Züchtungsmethoden, die nicht unter das Gentechnikgesetz fallen und bei wissenschaftlicher Analyse nicht mehr von natürlichen Kreuzungsvorgängen unterschieden werden können. Die streitbare Diskussion um die „neuen gentechnischen Methoden“, sieht Dr. Petra Jorasch vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) kritisch.

Die so genannte „Präzisionszüchtung“ ist derzeit die Speerspitze der Zuchtarbeit, die als Auslese auf Ährenfestigkeit bei Emmer und Einkorn begonnen hat. Ressourcenknappheit und Klimawandel werden Nutzpflanzen von verbesserten Signalwegen zur frühzeitigen und wassersparenden Schließung der Blattöffnungen bis zur Resistenz gegen neu eingewanderte Krankheitserreger einiges Abverlangen. Neue Techniken sollten daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Dr. Jorasch hat sich die Mühe gemacht, die exotisch klingenden neuen Techniken wie Zinkfinger, TALEN oder Pfropfung auf GVO-Unterlage zu systematisieren. Das Einkreuzen von arteigenen Genen (cis-Genetik), die Pfropfung oder der Zinkfinger, der die Mutation an einer bestimmten Stelle im Chromosom fixieren kann, sind ähnlich der „klassischen Gentechnik“. Die anderen Methoden führen die früheren Versuche fort, mit Strahlung und Chemie bestimmte Sortenvariationen hervorzubringen. Mit den neuen Methoden findet das gezielt statt und ist von der „Natur-Mutation“ nicht mehr zu unterscheiden. Nur die Art und Weise hat sich geändert.

Dr. Jorasch warnt vor Überregulierung und lehnt eine Änderung der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 ab. Keinen Regulierungsbedarf sieht der BDP für Nachahmungen von Produkten und Eigenschaften der Natur, sowie für Pflanzen, die auch auf natürlichem Wege hätten entstehen können. Zudem werden im Gentechnikgesetz und der Novel Food Verordnung Pflanzen schon einmal reguliert.

Lesestoff:

[1] Wettbewerb trotz wachsender Restriktionen

Roland Krieg

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