Welche Chance hat die grüne Gentechnik?
Landwirtschaft
Gentechnologiebericht der BBAW
Erst 30 Jahre ist die Gentechnik alt. Gefühlt haben sich aber schon Generationen an ihr aufgerieben. Während die rote Gentechnik im Bereich der Humanmedizin gar nicht mehr hinterfragt wird, sich auch bei vielen Gentechnikkritikern Akzeptanz für den Einsatz bei Mikroorganismen breit machen, ist die Debatte inhaltlich aber zum Stillstand gekommen. Dabei hat sich viel getan, wie der 3. Bericht zur grünen Gentechnik der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) aufzeigt. Sie hat ihn am Montagabend vorgestellt.
Die neue Generation
Bernd Müller-Röber aus der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Gentechnologiebericht“ der BBAW zeigte die Weiterentwicklung der Forschung auf. Unter der Überschrift „genetische Optimierung“ lassen sich die aktuellen Forschungen in einen der drei folgenden Bereiche zuordnen. Da ist zum einen die Anpassung an Umweltstress, der sich durch Trockenheit, Nährstoffmangel oder Schädlingsaufkommen äußert und durch den Klimawandel zu steigen scheint. Zum anderen geht es um die Optimierung der Beziehung zwischen Wachstum und Biomassebildung. Soll die Pflanze grüne Blattmasse oder erntefähige Früchte bilden? Hierbei geht es praktisch um die Umverteilung des Kohlenstoffs in der Pflanze, erläuterte Müller-Röber. Der dritte Bereich beschäftigt sich mit der Bildung von Stoffwechselprodukten in der Pflanze. Ziel hierbei ist die Produktion bestimmter Inhaltsstoffe für die menschliche Ernährung. Eines der bekanntesten Beispiele ist der Golden Rice, der mit einem höheren Vitamin A – Gehalt die Unterversorgung in Entwicklungsländern ausgleichen soll [1].
Die Schrotschussmethode, Gene in die Zelle zu schießen und auf den richtigen Zusammenbau zu hoffen, überholt sich. Smart Breeding ist das Zauberwort für die 2. und 3. Generation der Gentechnik. Dahinter verbergen sich Begriffe wie Tilling und TALEN [2 + 3]. Ein ganzes Kapitel des Berichtes widmet sich den neuen Methoden, wie Chimeraplastentechnologie (Auslösen von Mutationen durch Oligonkleotide) oder die Nutzung niedermolekularer Moleküle für die Aufklärung der Funktion von Proteinen und Signaltransduktionswegen.
Hilfreich sind für die Forscher Grundkenntnisse über das Genom. Die Entschlüsselungen laufen gerade auf Hochtouren. Das alleine reicht aber nicht, denn die Biologie der Prozesse und Zusammenwirkungen der Gene müssen auch noch verstanden werden. Bald werde das Pflanzenverhalten mit mathematischen Modellierungen nachgebildet werden können. Dann kann der Züchter die Genzusammensetzung optimieren und im Feldversuch überprüfen. In den nächsten zehn bis zwanzig Jahren wird die visuelle Phänotypisierung Praxis werden. Als nächstes verstehen die Experten dann die Mikroorganismen im Boden und können das Zusammenspiel zwischen Pflanze und Standort optimieren. Voraussetzung ist aber ein weiterhin hohes Ausbildungsniveau und Forschungsmöglichkeiten in Deutschland.
Die Zukunft der Gentechnikdebatte
Dennoch ist die Debatte in Deutschland zum Stillstand gekommen, beklagte Heike Baron von i-bio Information Biowissenschaften aus Aachen. Es gebe nur noch einen Austausch an Positionen „zwischen schwarz und weiß“. Es kann aber nicht an der Wissenschaftsfeindlichkeit in Deutschland liegen. Die Gentechnikkritiker bedienen sich ebenfalls der Wissenschaft und wenn Labore und Institute, nicht nur im Bereich der Gentechnik, ihre Tore öffnen, dann kommen viele Besucher zusammen.
Das Problem liege eher in der Instrumentalisierung der Wissenschaften, so Baron. Die Risikoforschung wird unterschiedlich wahrgenommen. Studien mit positiven Ergebnissen werden kaum beachtet oder als von der Industriegefördert abgestempelt. Studien mit negativem Ergebnis sind überrepräsentiert. Vor allem wenn sie mit einem medialen Feuerwerk zusammen veröffentlicht werden [4].
Die Gentechnik trifft nach Baron viel mehr auf ein allgemeines Unbehagen an der Grenze zwischen dem, was die Menschen noch als natürlich und schon unnatürlich verstehen. Die Vorstellung von einer unberührten Natur schließt die Gentechnik aus. So sucht auch das Gentechnikgesetz in seiner Definition eine Trennlinie zur Natürlichkeit.
Für die Wissenschaft sind die Grenzen eher fließend. Die Protoplastenfusion gilt nach dem Gentechnikgesetz nicht als Gentechnik, die Übertragung des Agrobakteriums in den Wildapfel aber schon.
Als zweiten Grund für die überwiegende Ablehnung der Biotechnologie ist die Vorstellung einer bestimmten Form der Landwirtschaft. Die hat sich in den Industrieländern von den Bauern hin zu Großbetrieben entwickelt. Das Wissen der Bauern über die Züchtung ist in den Besitz privater Firmen übergegangen. Das sorgt für zusätzlichen Skeptizismus. Überzeugend könnte ein Modell sein, bei dem die grüne Gentechnik bei Kleinbauern in der Subsistenzwirtschaft für die Schaffung lokale Wertschöpfungsketten erfolgreich eingesetzt werden könnte.
Neue Wege haben es schwer. In den USA gibt es eine kleine Strömung, die Gentechnik und Ökolandbau kombiniert. Die Biotechnologin Pamela Ronald und ihr Ehemann, Ökobauer Raoul Adamchak, haben in ihrem Buch Tomorrow´s Table dieses „Sakrileg“, so Baron, begangen.
Das aber ist einer der möglichen Ansätze, die Debatte auch in Deutschland wieder in Schwung zu bringen. Es müsse mehr über die Herausforderungen geredet werden. Lösungen sollen ergebnisoffen vorgeschlagen werden, wobei die Gentechnik als eine von mehreren Möglichkeiten dargestellt werden muss.
Keine Hilfe von der Politik
Die Wissenschaftler brauchen dafür Partner. Doch auf die Politik werden sie nicht zählen können. In der letzten Woche diskutierte der Bundestag über den Honig. Zwischen dem Europäischen Gerichtshof und der EU-Kommission ist die Ansicht geteilt, ob Pollen ein Bestandteil oder ein Zusatz von Honig sei. Wenn also der Pollen von einer gentechnisch veränderten Pflanze stammt: Muss der Honig gekennzeichnet werden oder nicht? Muss er vernichtet werden, oder erhalten die Imker Schadenersatz?
Für Josef Ries (CDU/CSU) bietet die Kennzeichnungspflicht für ausländischer Honig der deutschen Ware einen Vorteil: Deutscher Honig ist aktuell GVO-frei und die bessere Wahl für die Kunden. Auch Elvira Drobinski-Weiß (SPD) unterlegt der Debatte einen wirtschaftlichen Grund: „Dass Honig ohne Kennzeichnung auch tatsächlich keine GVO enthalten darf, stärkt das Image des Honigs und das Vertrauen der Verbraucher.“ Für Dr. Kirsten Tackmann (Die Linke) ist Honig nur ein tolles Naturprodukt, wenn es frei von Gentechnik ist. Weil Bienen bis zu zehn Kilometer ausfliegen, fordert sie einen entsprechenden Abstand zwischen Bienenstöcken und Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Das Vorhaben der EU-Kommission ist für Harald Ebner (Bündnis 90 / Die Grünen) sogar „ein Anschlag auf unsere Imkerei“. Nur Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) vergleicht die grüne mit der Gentechnik bei Mikroorganismen und in der Medizin. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs bezeichnete sie als Fehlurteil.
In einigen Monaten würden die Positionen mit den gleichen Worten erneut ausgetauscht – womöglich haben sich dann nur die Mehrheitsverhältnisse geändert.
Lesestoff:
Grüne Gentechnologie. Trends und Kontroversen. Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.) www.gentechnologiebericht.de
[2] Können Tilling und TALEN die Akzeptanz der grünenGentechnik erhöhen?
[3] Reagenzglas-Heirat zwischen Wilder und Kulturlupine
[4] Ungeeignete Ratten und Statistikfehler
Tomorrow´s Table: http://de.scribd.com/doc/116524145/Tomorrow-s-Table
Der Bundesrat will Klarheit über den Pollen im Honig
Das MON810-Verbot hat das Thema nicht versachlicht
Die Bilanz des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW)fällt nach 20 Jahren Antimatsch-Tomate negativ aus
Roland Krieg