Welche Chancen hat Genom Editing?

Landwirtschaft

Der lange Schatten der Gentechnikdiskussion

Die neuen Möglichkeiten der Züchtung, wie etwa CRISPR/CAS9, können genauer und genauso wie eine spontane Mutation eine Veränderung wie Krankheitsresistenz oder Nährstoffeffizienz hervorrufen. Ob diese Techniken unter das Gentechnikgesetz fallen ist noch offen und die EU hat eine Entscheidung erst einmal vertagt. Nur die Kritiker haben sich schon positioniert und lehnen das so genannte Genom Editing ab.

Am Dienstag hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) den ganzen Tag über die Möglichkeiten und Risiken der neuen Techniken diskutiert. Zur abschließenden Podiumsdiskussion waren auch kritische NGO eingeladen, kamen aber nicht. Die im Podium saßen, hielten sich zurück.

Dabei zeigte sich, dass die neuen Techniken unter dem langen Schatten der Diskussion über die grüne Gentechnik leiden. Verbraucher haben durchaus das Recht, bei ihren Entscheidungen nicht nur auf die Fakten zu schauen, vermerkte Dr. Joachim Schiemann vom Julius Kühn-Institut. Aber in der Diskussion wird oft nicht gekennzeichnet, was wissenschaftlichen, politischen oder nicht-wissenschaftlichen Ursprungs sei. Die Regelung muss am Ende über das entsprechende Gesetz wissenschaftlich begründet sein, ergänzte Dr. Detlev Bartsch von der Zulassungsstelle im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).

Wo ist die Riesengefahr?

Genom Editing kommt zu einem Zeitpunkt auf den Markt, zu dem alle Hypothesen über die grüne Gentechnik widerlegt sind, so Schiemann: „Es gibt ganz klar kein Risiko der Gentechnik!“.  Es fehle nur die Langzeitwirkung. Mit Blick auf die rote Gentechnik und dem synthetischen Humanpenicillin sowie der hohen Akzeptanz gentechnisch veränderter Arzneistoffe zeigt sich das Thema „wandelbar“, ergänzt Dr. Heiner Niemann vom Friedrich-Loeffler-Institut. Beim Genom Editing müsse der Nutzen klar herausgestellt werden, so Bartsch. Da kommt auch der Deutsche Bauernverband ins Spiel. Dr. Katja Börgermann will „wertfrei aufklären und den Nutzen diskutieren“.  Allerdings sind es auch zwei aufeinanderfolgende Diskussionen, wie sie am Beispiel der Kirschessigfliege erklärt. Zuerst wird der Schädling zu einem Problem bei Winzern und Obstbauern, die eine rein fachliche Sicht auf die Fruchtfliege haben. Sie könnte beispielsweis mit einer sterilen Männchen-Methode auf der Basis von Genom Editing bekämpft werden. Erst danach springe die Diskussion auf die Verbraucher über, die weitere Argumente berücksichtigen.

Wenn es gelingt, dem Verbraucher die Technik mit einem besserem Geschmack, einer besseren Gesundheit oder positiven Umwelteffekten nahe zu bringen, so glauben die Wissenschaftler auch an einen Erfolg der neuen Techniken. Schließlich, so Pflanzenbauer Dr. Jens Boch vom Institut für Pflanzengenetik der Universität Hannover, ist es besser statt 20.000 Mutationen nur auf zwei gezielte Mutationen zu setzen. Und: „Wir verändern die Nutzpflanzen seit 10.000 Jahren“, ergänzt Schiemann. Das gilt auch für Tiere. Schweinehalter geben ihren Tieren das Enzym Phytase für eine bessere Nutzung des knappen Nährstoffs Phosphor hinzu.  So landet weniger P in der Gülle und der Umwelt. Das so genannte „Enviropig“ aus Kanada bekam das umweltschonende Enzym in das Erbgut übertragen – und fiel bei den Verbrauchern durch, weil das Tier gentechnisch verändert war.

Bei der neuen Züchtung sind natürliche und „künstliche“ Veränderungen am Produkt nicht mehr zu unterscheiden. Die Kritik würde sich rein am Prozess orientieren. Wie Boch es sagte: „Die Natur macht ständig an den Genen herum.“

Die Großen und die Kleinen

So wie bei der „alte Gentechnik“ Fehler in der Kommunikation gemacht wurden, muss bei den neuen Techniken mit einer berechtigten Furcht aufgeräumt werden. Die grüne Gentechnik ist durch die Einhaltung der notwendigen Regularien mit rund 10 Millionen Euro pro Pflanze so teuer, dass sich nur die großen Konzerne damit beschäftigten konnten. Daher wurde Geld mit nur wenigen Pflanzen und durch wenige Konzerne gemacht. Genom Editing hingegen gilt als „demokratisch“, weil die Technik auch in der Garage durchgeführt werden kann.  „Weltpatente“ gelten nicht in allen Ländern und müssen in vielen Ländern nicht beachtet werden. Das komme den kleinen Züchtern zugute, die eine andere Züchtungswelt als die der Großen wieder aufbauen könnte. Es gebe zwar bereits einige Prozesspatente, die aber wieder zurückgezogen werden mussten, so Niemann. Die European Plant Science Organisation EPSO hat auf ihrer Webseite ein entsprechendes Statement für die Politik veröffentlicht [1].

Chancen nutzen

Beim Genom Editing können Wissenschaftler und Politiker viel richtig machen. Man müsse den Verbraucher schon spätestens jetzt in die Diskussion einbeziehen, denn 80 Organismen sind mit den neuen Techniken bereits in der Forschung, der Zulassung und schon auf dem Markt. Für Dr. Boch gelingt das über die Faszination Wissenschaft. Die Molekularbiologie könne den Verbrauchern auch nach der Schule wieder näher gebracht werden. Zur Kommunikation gehört für Dr. Schiemann Mut, wie der Ökoforscher Urs Niggli in der Schweiz hat erfahren müssen, der den neuen Techniken auch für den Bioanbau Chancen einräumte und fürchterliche Kritik erntete. Dr. Niemann möchte den Zusammenhang zwischen wissenschaftlichem Technischen Fortschritt und erreichtem Wohlstand mehr in den Mittelpunkt stellen. Vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums und Ressourceneffektivität verändert sich oft die Blickrichtung.

Lesestoff:

www.epsoweb.org

DAFA-Diskussion zu Genom Editing: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/crispr-cas9-rechtliche-absicherung-reicht-nicht-aus.html

Roland Krieg

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