Welche Landwirtschaft in Brandenburg?
Landwirtschaft
Landwirtschaft ist kulturelles Gut
Ein paar Monate vor der Bundestagswahl und ein Jahr vor der Landtagswahl begann auf dem Landesbauerntag im Rahmen der Brandenburgischen Landwirtschaftsausstellung die Suche nach der künftigen Agrarstruktur des Landes. Brandenburg zeichnet sich besonders dadurch aus, dass in der Mitte mit der Metropole Berlin ein wichtiger Absatzmarkt mit städtischer Bevölkerung liegt.
Deutschland erfüllt GAP-Anforderungen
Bauernpräsident Udo Folgart sprach die agrarpolitischen Herausforderungen
an. Noch bis Juni laufen rund 30 Trilog-Verhandlungen über die Gemeinsame
Agrarpolitik, deren Ende offen ist. Folgart erinnerte unter anderem daran, dass
jeder dritte Hektar in Brandenburg bereits in einem Agrarumweltprogramm
gebunden und ein weitergehendes Greening nicht erforderlich sei. Die
Agrarpolitik ist der älteste und noch am weitesten vergemeinschaftete Bereich der
EU, der durch „zahlreiche Sonderregelungen demontiert“ werde. Folgart fürchtet
eine Renationalisierung der Agrarpolitik - und eine Entfremdung. Einer
Ablehnung zu einer Stallerweiterung im Landkreis Uckermark habe die Behörde in
die Begründung geschrieben, dass die Milchproduktion „kein prioritäres Ziel
Brandenburgs“ sei.
„Made in Brandenburg“
Ministerpräsident Matthias Platzeck bezeichnete die Landwirtschaft
„als zivilisatorisches Königsprojekt der Menschheitsgeschichte“. Mit 36.000
Beschäftigten stelle die Landwirtschaft einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor
dar, auch wenn das Schrumpfen der letzten Jahrzehnte eine Folge des eigenen Erfolges
sei. Landwirtschaft ist mehr, als das nachgefragte Produkt „Made in Brandenburg“
und stelle ein kulturelles Gut für die Menschen dar. Platzeck brach die Lanze
für eine eigenständige ostdeutsche Landwirtschaft, die auf Grund ihrer Größe
nicht benachteiligt werden dürfe.
Öko-Bauern beklagen wachsenden Öko-Import
Die Öko-Bauern allerdings fühlen sich als Verlierer dieser Bekenntnisse. Eine neue Studie hat aufgezeigt, dass die deutschen Nachbarländer besser auf den wachsenden deutschen Markt reagieren als die Bundesländer. So ist die Öko-Anbaufläche in Polen und dem Baltikum seit 2004 um 300 bis 500 Prozent angewachsen. „Der Boom im Biosegment geht an den deutschen Bauern vorbei“, erklären Prof. Dr. Köpke und Dipl.-Ing Küpper von der Universität Bonn. Zwar hat Platzeck dem Ökolandbau eine einzigartige Erfolgsgeschichte bescheinigt, aber die Bauern haben sich mittlerweile in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten gewandt, weil die Produktionsbasis mit dem Wachstum in Berlin nicht mehr Schritt halte. Alle sechs Wochen öffne ein neuer Bio-Supermarkt, in der Landeshauptstadt sind 2013 auch bereits zwei Neueröffnungen zu verzeichnen – aber es fehlt eine Zusage, dass die Umstellungsförderung wieder eingesetzt werde. Brandenburg ist das einzige Bundesland, das diese Förderung ausgesetzt hat. Brandenburg habe Erwartungen der „treuen und anspruchsvollen Bio-Kundschaft in Berlin“ zu erfüllen, heißt es in dem Brief.
Degression bei „Übergrößen?“
Die kleinen und die großen Betriebe rund um Berlin führen auch zu unterschiedlichen Ansichten der Parteien, deren Vertreter auf dem Landesbauerntag ihre Vorstellungen der brandenburgischen Landwirtschaft vertraten.
Für Gregor Beyer von der FDP ist Landwirtschaft gleich
Wirtschaft. Die großen Strukturen in Ostdeutschland sind wettbewerbsfähiger als
die kleinteilige Landwirtschaft im Westen. Mit jeder Übernahme steige die
Wettbewerbsfähigkeit und: „Beim Wort Greening bekomme ich Pickel!“.Fortschritt
sieht Beyer nicht nur in der Agrarwirtschaft, sondern auch im Forst. Vor einhundert
Jahren gingen noch 100 Arbeiter mit der Säge in den Wald, vor 30 Jahren 30 Mitarbeiter
mit 30 Motorsägen und heute erledigt eine Fachkraft die Holzarbeiten mit einem
Vollernter.
Michael Luthardt grenzte die Agrarpolitik der Linksfraktion
von denen der Grünen ab. Eine Polarisierung zwischen „Groß und Klein“ sei nicht
gut. Die Linken stehen auch für die großen Agrarbetriebe im Osten, denen
Kappung und Degression bei den Direktzahlungen einen ungerechten Nachteil bescherte.
Bei den Betrachtungen sollte die zweite Säule mit den ELER-Förderungen für die
Menschen auf dem Land nicht vernachlässigt werden. Wenig Verständnis zeigt
Luthardt beim Greening, wenn das zur Herausnahme von produktiven Standorten
führte.
Wolfgang Renner von Bündnis 90/Die Grünen setzte
demgegenüber deutliche Grenzen. Die Landwirtschaft müsse den Verbraucherwünschen
entsprechen, die keine Großbetriebe mehr wollten. Die kleinteilige Landwirtschaft
setze auch bei den Tierzahlen nach oben Grenzen. Die Agrarindustrie stehe für
Dumpingpreise und für Renner exportiere Deutschland mehr Billigfleisch in die Nachbarländer,
als umgekehrt. Den Verzicht auf eine Zusage für eine Kappung gegen die
besondere Förderung der ersten Hektare, halte er für einen „vernünftigen
Kompromiss“. Aber nicht dauerhaft. Renner kritisiert die Landesregierung für
die Einstellung der Umstellungsförderung.
„Das muss einem Bauern doch einen Schauer über den
Rücken jagen!“. Damit nimmt Hans-Georg von der Marwitz von der CDU und Leiter
eines 600 Hektar-Betriebes mit Öko- und konventioneller Produktion, doch die
großen Strukturen ins Visier. Eine Gemarkung in Brandenburg ist rund 1.000
Hektar groß. Betriebe, die mit 20.000 Hektar also 20 Dörfer umfassen, können
vor Ort nicht mehr regional wirken. Eine Diskussion über diese Betriebsgröße
sei zwar kaum zu führen, aber dennoch überlegenswert: Welche Strukturen haben
wir und wie wirken sie in den Dörfern? Diese Fragen müssten beantwortet werden.
Das Credo „Wir sind alle Landwirte“ sei nicht mehr haltbar. Für von der Marwitz
bieten Investitionen in der zweiten Säule auch den Betrieben eine
Existenzsicherung.
Susanne Melior von der SPD will auf das Zwei-Säulen-Modell
nicht verzichten. Die erste Säule sei eine „Grundsicherung“ für den ländlichen
Raum, während die Gelder in der zweiten Säule für Sonderaufgaben, wie Radwege
und Tourismus investiert werden sollten. Melior wollte sich nicht auf eine
Größendiskussion einlassen und betonte ebenfalls, dass die Wirkung eines
Betriebes in seiner Region auf Nachhaltigkeit und sozio-ökologische Effekte hin
untersucht werden müssten.