Welche Zukunft hat der Ökolandbau?

Landwirtschaft

Gibt es 2050 noch einen Ökolandbau?

Der Handel boomt mit Ökoprodukten. Auch wenn Verbraucher preisorientiert sind, kaufen sie Ökoprodukte. Nur die Erzeuger kommen nicht mit. Biofläche und Ökolandwirte wachsen weniger deutlich, weisen in einigen Bundesländern sogar eine Stagnation auf. Miteinander reden fällt dem einen oder anderen Akteur schwer, dem regionalen Ökolandbau steht die exportorientierte Landwirtschaft gegenüber. Wer gewinnt und wird es den Ökolandbau im Jahr 2050 noch geben? Darüber diskutierten sowohl der Deutsche Bauernverband (DBV), als auch die Deutsche Agrarforschungsallianz dafa am Donnerstag auf der BioFach in Nürnberg. Es geht um die Schaffung skalierbarer Wirtschaftsstrukturen im notwendigen Rahmen der fairen Verteilung endlicher Ressourcen. Ein Fließgleichgewicht oberhalb von 100 Prozent planetarer Ressourcen ist schlichtweg nicht möglich.

Im Wettbewerb um Ressourcen steht der Ökolandbau derzeit hinten an – am Ende geht aber dem System die Kraft aus, das für seine Produktion auf ständigen Input angewiesen ist. Ob 2050 oder später der Ökolandbau der Gewinner sein wird, bleibt offen. Aber es wird ein nachhaltiges System sein, für das die dafa eine Forschungsstrategie entwickeln wird. Sie nennt es Ökolandbau, die Zukunftsforscherin Hanni Rützler Organic 3.0 [1].

Relative Vorzüglichkeiten

Bio ist nicht perfekt. Wer Bio-Soja aus Brasilien kauft ist nach Worten von Dr. Heinrich Graf von Bassewitz, zuständig für den Ökolandbau im DBV, nicht nachhaltig. Auch beim Tierwohl und dem nicht zertifizierten Wasserverbrauch hat der Ökolandbau Nachholbedarf. Trotzdem dient der Ökolandbau nach Bayerns Agrarminister Helmut Brunner wegen seiner positiven Effekte als Leitbild. Ob der Ökobetrieb groß oder klein ist, spielt nach Prof. Dr. Kurt-Jürgen Hülsbergen von der TU München nicht die entscheidende Frage. Betriebsleiter und Standort bedingen individuelle Möglichkeiten. So braucht ein Öko-Betrieb für ein Jahreseinkommen von 85.000 Euro durch eine extensive Mutterkuhherde auf einem Niedermoorstandort eine Fläche von 1.500 Hektar, erklärte von Bassewitz. Oragnic 3.0 ist der Aufbruch in ein neues Denken: „Über die Zukunft des Ökolandbaus reden und mutig sein“, wie es Urs Niggli vom Forschungsinstitut für Ökologischen Landbau (FiBL)formulierte. Ökolandbau als Selbstzweck, gar mit der Forderung von 100 Prozent, wie sie EU-Kommission im ersten Entwurf der neuen EU-Ökoverordnung vorsieht, trifft auf weite Ablehnung. Der Kapitel Ökolandbau soll sich nach Wünschen von Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), auch um Ernährung und soziale Aspekte kümmern. Verbraucher und Handel müssen von der Gesundheitswirkung ökologischer Produkte überzeugt werden, denn, so ergänzt Ulrike Höfken, Landwirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz, Fehlernährung und Wasserverschmutzung könne sich kein Land leisten wollen. Aber auch die Biobranche muss sich fragen: Führt die Freude über den Trend zu bio-veganer Ernährung nicht zu einer Unterbrechung der geschlossenen Nährstoffkreisläufe, weil die Tiere fehlen?

Lenken oder dem Markt überlassen?

Ungeklärt bleibt nach wie vor die Frage, ob und wie der Staat eingreifen soll. Prof. Hülsbergen setzt auf ein dynamisches Wachstum und wünscht sich die Flächen- und Betriebsdynamik der Jahre vor dem Biogas-Boom zurück. Steigende Ölpreise werden konventionelle Betriebe nach Alternativen suchen lassen. Die Hälfte des Energieinputs pro Hektar stammt von eingekauften Betriebsmitteln. Zwischen zehn und 18 GJ pro Hektar wendet der konventionelle Betrieb auf, während der ökologische Betrieb als Low Input-System nur zwischen vier und zehn GJ benötigt. Die Ökobetriebe sind in der Lage Humus im Boden aufzubauen, wenn sie neben den Leguminosen auch die Tierhaltung mit organischem Dünger nutzen. Sie bauen bis zu 200 Kilogramm organische Substanz pro Hektar und Jahr auf, während konventionelle Betriebe die gleiche Menge abbauen. Aber eben auch nicht per se, wenn in Ostdeutschland viehlose Ökobetriebe zu 80 Prozent Getreide in der Fruchtfolge haben.

Ganz ohne Lenkung geht es nicht. Gegenüber Herd-und-Hof.de erinnert Dr. Till Backhaus, Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern, an das Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland zur Düngerverordnung. Eine Neufassung mit einem Rückgang der Nährstoffüberschüsse sei eine bessere Lösung als die von vielen geforderte Stickstoffabgabe. Auf dem dafa-Forum warb Ulrike Höfken für die Nitratrichtlinie. Neue Werte befördern neue Landnutzungssysteme [2]. Alle Betriebe werden sich an einer Kreislaufwirtschaft orientieren müssen. Sowohl die ökologischen als auch die konventionellen. Bei der Neufassung der Agrarumweltprogramme im Rahmen der neuen Förderperiode werde Mecklenburg-Vorpommern sieben Programme auflegen, die derzeit noch in der Abstimmung mit dem Landesbauernverband sind. Darunter sollen Fruchtfolgen einen Anteil von zehn Prozent Leguminosen erhalten. Auf die starke Ausrichtung der Agrarwirtschaft in Richtung Export angesprochen, sieht Dr. Backhaus keinen Gegensatz, wenn es in einer Kreislaufwirtschaft bleibt. Mecklenburg-Vorpommern und Deutschland brauchen den Export. Bei Lebensmitteln aber sollen die Waren ein „Reinheitsgebot“ erhalten, dass ihnen beispielsweise die Gentechnikfreiheit bescheinigt. Hier habe die neue Bundesregierung bereits einen ersten Schaden mit der Enthaltung zum GV-Mais 1507 angerichtet. Hier müssten die Koalitionspartner CSU und SPD auch liefern, was sie bei der Wahl versprochen haben.

Mehr Forschung

Allein, das wird die Streitigkeiten nicht beseitigen. Die relative Vorzüglichkeit des Ökolandbaus müsse wissenschaftlich untermauert werden. Der neue Bundeslandwirtschaftsminister Dr. Hans-Peter Friedrich knüpft an die von seiner Vorgängerin gestartete „Charta für Landwirtschaft und Verbraucher“ an [3]. Das Bundesprogramm für den ökologischen Landbau und anderer Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) hat schon 850 Forschungsprojekte hervorgebracht, sagte Elisabeth Bünder aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Deutschland sei damit weltweit führend und sollte die Ergebnisse nutzen, die Öko-Produktion der Nachfrage anzugleichen.

Die Wunschliste ist aber länger. Die dafa-Strategie solle Landtechnik und Züchtungsfragen beinhalten sowie gesellschaftliche Implikationen, so Höfken. Mehr On-Farm-Forschung, forderte Urs Niggli. Beispielsweise steht der Ökolandbau wegen seiner Kupferanwendungen gegen Pilzkrankheiten in der Kritik. Seit 28 Jahren werden Alternativen gesucht, Der Zwischenschritt über Phosphonsäure [4] führe wegen der Rückstände nicht zu einem gewünschten Ergebnis. Allerdings bieten zwei neue Mittel Marktchancen in den nächsten Jahren. Bislang wurden für diese Forschung lediglich fünf Millionen Euro aufgewendet.

So soll es auch sein. Ulrich Hamm von der Universität Kassel will mit der dafa-Strategie für das System Ökolandbau praxisnahe Lösungen erarbeiten, die den Ökolandbau auch 2050 noch attraktiv machen. Dazu müsse, auch über die Trendstudie Organic 3.0 eine Rückbesinnung auf die Kernwerte des Ökolandbaus stattfinden. Denken im Gesamtsystem, in Prozessketten und über das Verbraucherverhalten soll das Thema inter- und transdisziplinär abrunden.

Weder ökologisch noch konventionell

Grundlage der Überlegungen von Prof. Hülsbergen ist Forschungsprojekt mehrerer Universitäten und der Biolandberatung über die Klima- und Umweltwirkungen konventioneller und ökologischer Betriebe. Also eigentlich der Rahmen, innerhalb dessen gewirtschaftet werden muss. Die „Stars des Projektes“ sind 80 Betriebe, die konventionell und ökologisch paarweise in verschiedenen Regionen Deutschlands ihre Daten zur Verfügung stellten [5]. Mit den Zielen, die Klimawirkung von Betriebssystemen, Maßnahmen zur Emissionsminderung und Aufbau einer Klimaschutzberatung als Ergänzung zur herkömmlichen landwirtschaftlichen Beratung wurden Stoff- und Energieflüsse in den Betrieben aufgestellt. Betriebsmittel mit ihrem Aufwand es fossilen Energieeinsatzes , sowie die Böden als Quellen und Senken von Emissionen wurden genauso betrachtet wie Importfuttermittel. Kohlendioxid, Lachgasemissionen und bei Milchviehbetrieben der Methanausstoß wurden in vergleichbare Äquivalente von CO2-Emissionen umgerechnet. Auf dieser Weise wurden neben Milchviehbetrieben auch Marktfruchtbaubetriebe umfangreich verglichen.

Die Studie, die eigentlich ein Dauerversuch für Betriebe werden müsste, damit mehr belastbare Daten erhoben werden können, findet Produktionsverfahren, die weder der ökologischen noch der konventionellen Produktionsweise zuzuordnen sind. Sondern wertfrei nachhaltig sind.

So kann die Anhebung der Schnitthöhe beim ersten Grünlandschnitt für die Futtergewinnung sowohl beim Ökobetrieb als auch beim konventionellen Betrieb eine Ertragssteigerung des ersten Wiederaufwuches erzielen. Das wurde sogar schon 1967 in einer Arbeit erstmals beschrieben und wird auf die höhere photosynthetische Leistung der Einzelblätter und dem Neuaustrieb jüngerer Blätter zurückgeführt.

Lesestoff:

[1] Organic 3.0

[2] Landnutzung beeinflusst Kohlenstoff-Bindung im Boden

[3] Charta für Landwirtschaft und Verbraucher

[4] Phosphonsäure im Weinbau

[5] Die Thünen-Studie finden Sie hier: www.ti.bund.de -> Thünen Publikationen -> Thünen Report: Hülsbergen K-J, Rahmann G (eds.) (2013) Klimawirkungen und Nachhaltigkeit ökologischer und konventioneller Betriebssysteme ‑ Untersuchungen in einem Netzwerk von Pilotbetrieben. Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut, 412 p, Thünen Rep 8

Roland Krieg

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige BioFach mit dem Suchbegriff „BF-14“ im Archiv anzeigen lassen]

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