Welternährungstag 2004

Landwirtschaft

Biologische Vielfalt sichern

> Heutzutage steht der Kampf gegen das Übergewicht an höherer Stelle als der Kampf gegen den weltweiten Hunger. Dabei hat sich angesichts der vorliegenden Zahlen von 842 Millionen unterernährten Menschen nichts wesentliches verändert. Der Welternährungstag am 16. Oktober erinnert an die Gründung der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) vor nunmehr 59 Jahren. 798 Millionen dieser Menschen leben in den Entwicklungsländern ? rund 170 Millionen davon sind Kinder. Das diesjährige Motto des Gedenktages fordert die ?Biologische Vielfalt bei Nutzpflanzen und Tieren zur Bekämpfung von Hunger?. ?Der Kampf gegen den Hunger ist noch nicht besiegt?, betonte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, in einer Erklärung.

Beschämende Situation
In einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag wurde Staatssekretär Matthias Berninger aus dem Landwirtschaftsministerium deutlicher. Auf dem Welternährungsgipfel 1996 wurde von allen Staaten das Ziel ausgegeben, die Anzahl der Hungernden Menschen bis zum Jahr 2015 zu reduzieren. Um dieses Ziel noch zu erreichen, müssen die Anstrengungen in Form von Projekten und Investitionen 12-mal erfolgreicher sein, als in dem bisherigen Zeitraum. Es gibt Regionen, in denen diesbezüglich Stagnation und sogar Rückschritte zu verzeichnen sind. Da 70 Prozent der unterernährten Bevölkerung auf dem Land lebt, müssen die Projekte wieder verstärkt auf den ländlichen Raum fokussiert werden. Dazu können Agrarforschungen auch in den deutschen Universitäten dienen, die mit dem Deutschen Tropentag (s. Herd-und-Hof.de vom 06.10.2004) kürzlich eine beeindruckende Leistungsschau in Berlin boten. Berninger sieht gerade angesichts der steigenden Ölpreise ein gutes Wachstumspotenzial für erneuerbare Energien, die schließlich im ländlichen Raum produziert werden.
Der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Dr. Hans-Joachim Preuss, bestätigte auch, dass relativ zum Anstieg der Weltbevölkerung Erfolge erkennbar seien, die absoluten Zahlen der unterernährten Menschen jedoch ansteigt: ?Eine Trendwende ist nicht in Sicht?.

Vielfalt statt Gentechnik
Die Hälfte der verzehrten Weltkalorien stammen aus nur drei Nahrungspflanzen: Reis, Weizen und Mais. Angesichts von 30.000 verfügbaren und rund 7.000 tatsächlich genutzten Kulturpflanzen ist das eine sehr starke Einschränkung, wie Berninger feststellt. Gerade kleinbäuerliche Strukturen nutzen eine größere Anbauvielfalt, weswegen die Bewahrung und Förderung vieler unterschiedlicher Nahrungspflanzen (Biodiversität) den traditionellen Strukturen in der Landwirtschaft eher entspricht als eine industrialisierte Produktionsform. Daher verstelle das gentechnische Entwicklungspotenzial den Blick auf die Biodiversität. Der Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) findet nur in den industriellen Produktionsprozessen statt. Ein nutzbares Potenzial kann man ?nicht völlig ausschließen?, wie er sagt, aber ?Hunger ist kein technisches Problem.? Mit Verteilungsfragen, Schaffung von Infrastruktur, Verwendung von erneuerbaren Energien, sowie Erfolgen bei der AIDS-Bekämpfung ist Armut weit komplexer zu überwinden, als es manche Strategen vorgeben. Kleinbauern als Träger der ländlichen Bevölkerung haben auch keinen Zugang zu modernen Technologien. Dr. Preuss zählt neben der Gentechnik bereits Bewässerungsmodelle, Düngemittel und den Pflanzenschutz dazu. Der Subsistenzanbau in Südasien und Afrika erhält sich durch eine risikovermeidende Wirtschaftsweise. Die biologische Vielfalt ist für diese Familien überlebenswichtig. Bei der Gentechnik prallen, so Preuss weiter, ?verschiedene wirtschaftliche und ideologische Interessen? aufeinander. Es gibt zwar viele wissenschaftliche Untersuchungen, aber keine eindeutigen Ergebnisse. Eines gibt es bei der so genannten grünen Gentechnik zu bedenken: Die grüne Revolution der 70er Jahre hat die Kleinbauern auch nicht erreicht. Wieso sollte es dann die Gentechnik? Einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand gentechnisch veränderter Pflanzen hat Prof. Dr. Michael Krawinkel, Ernährungswissenschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen in einer Studie zusammen gefasst. Diese kann unter www.welthungerhilfe.de abgerufen werden.

Zwischen Natur und Kultur
Im Anschluss an die Pressekonferenz wurde im Besucherzentrum des Bundespresseamtes die Fotoausstellung des in Köln lebenden Fotokünstlers Guenay Ulutuncok ?Zwischen Natur und Kultur: Mensch, Ernährung, biologische Vielfalt? eröffnet. Es zeigt in 48 ausdrucksstarken Fotos hauptsächlich Menschen aus Afrika und Lateinamerika inmitten ihres landwirtschaftlichen Lebensraumes. Beispielsweise beim Getreidedreschen vor einem waldlosen Berg, das dem Betrachter die Hitze und staubige Luft fast wirklich spüren lässt. Auf etlichen Begleittafeln ist die Verarmung der biologischen Vielfalt auch bei deutschen Milchkühen dokumentiert: So gab es um 1900 noch über 100 Landrassen, die 2.500 kg Milch gaben und 400 Kilogramm wogen. Heute gibt es nur noch wenige spezialisierte Rassen, die 10.000 kg Milch bei 750 kg Lebendgewicht liefern. Die Ausstellung im Reichtagsufer 14 (2 Minuten vom S-Bahnhof Friedrichstraße) ist noch bis zum 05. November kostenfrei zu besichtigen. Danach geht sie zur FAO nach Rom.

Eine Kuh für eine Lebensperspektive
Das Land im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu wird häufig von Trockenperioden betroffen, die immer wieder zu erheblichen Ernteausfällen führen. Daher haben die Menschen dort ein sehr spärliches Auskommen, das oft nicht zum Überleben der Bauern und ihrer Familien ausreicht. 16 Dörfer mit rund 3.000 Kleinbauernfamilien werden in einem Projekt mit dem Ziel betreut, die soziale, wirtschaftliche und gesundheitliche Situation nachhaltig zu verbessern und die Bauernfamilien in die Lage zu versetzen, sich selbst zu helfen. Spar- und Kreditprogramme sollen die Frauen anregen, selber kleine Summen anzusparen, die als Grundlage für Anschaffungen dienen. Ausbildung und Beratung, Förderung von Kleingewerbe und Kleinhandel sind wichtige Bausteine des Projektes. Das Kernstück der nachhaltigen Existenzsicherung ist aber die Förderung der Milchviehhaltung. 40 Bauernfamilien haben bisher an Ausbildungsmaßnahmen teilgenommen und sich als Basis ihrer neuen verlässlichen Existenz eine Milchkuh angeschafft. Der Kauf einer Kuh bildet die Chance für arme Bauernfamilien, sich selbst eine kalkulierbare Lebensperspektive zu schaffen. Die benötigten 200 Euro für das Tier wurden nur den Frauen der Bauernfamilien als Kredit aus einem Rückzahlungsfonds zu fairen Zins- und Rückzahlungsbedingungen zur Verfügung gestellt. Damit wurde der Kredit bisher immer zurückgezahlt. Mit der Tilgung fließt ein Teil dieses Geldes später in die Gemeinschaftskasse, die dem ganzen Dorf zugute kommt. Der LandFrauenverband hat in den letzten Jahren fast 100.000 Euro zusammen getragen und bittet auch diesmal unter dem Projektnamen ?Eine Kuh für eine Lebensperspektive? um eine Spende. Das Projekt wird auch vom Deutschen Bauernverband und der Deutschen Welthungerhilfe getragen.
Das Sonderkonto des DeutschenLandFrauenverbandes lautet: Volksbank Bonn, Konto-Nr. 1700 035 022, BLZ 380 601 86. Bitte bei den Überweisungen Namen und Adresse des Spenders angeben, damit die Spende erfasst werden kann.

roRo

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