Weltmilchgipfel
Landwirtschaft
Die globale Milch
Sachsens Landwirtschaftsminister Frank Kupfer hatte im August noch einmal ausgerechnet, wie Milchpreis und Kosten je Kuh und Kilogramm Milch zueinander stehen und kam zu dem Schluss, dass Betriebsschließungen nur eine Frage der Zeit sind. Die Agrarminister haben in Eisleben eingestanden, dass es für eine Änderung der Milchpolitik weder national noch europäisch eine Mehrheit gibt. Nimmermüde, aber matt versuchte Bayerns Agrarminister Helmut Brunner, das den streikenden Milchbauern zu erklären.
International hört sich die Situation ganz anders an. Die hohen Milchpreise 2007 haben die Bauern weltweit ihre Milchviehbestände vergrößern lassen, bis 2008 gab es ein stabiles Wachstum bei der Nachfrage von Milchprodukten, die als verlässlich galt, doch aufgrund der Finanzkrise zurückging. Die Nachfrage hielt mit der Produktion von 689,9 Millionen Tonnen Milch nicht Schritt und rund vier Millionen Tonnen Überschuss wurden eingelagert, berichtet Dr. Monika Wohlfahrt von der Zentrale Milchmarkt Berichterstattung (ZMB) führte auf dem am Montag begonnenen IDF World Dairy Summit, der zum zweiten Mal in Deutschland stattfindet, über die Lage auf dem Weltmilchmarkt.
Die Politik hat seitdem wieder stärker in den Markt eingegriffen. Europa hat Intervention und Exportsubventionen erneut eingeführt, die USA reduzieren ihre nationale Milchviehherde und haben den Interventionspreis angehoben. Die Preise werden sich nach Ansicht von Dr. Wohlfahrt beruhigen, sobald Milchproduzenten aus dem Markt ausgestiegen sind, die Zahl der Milchkühe weltweit wieder zurückgeht und nach der Wirtschaftskrise die Nachfrage wieder ansteigt.
Milchstreikpolitik |
Wandeln oder weichen: Molkerei
In diese Richtung will die International Dairy Federation (IDF) als Ausrichter des Weltmilchgipfels, Molkereien und Milchviehbetriebe fit für die Zukunft machen. Und wird auf globalem Niveau den streikenden Bauern keine Entlastung vormachen. Der Kongress, so Gert Lindemann, Parlamentarischer Staatssekretär aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, wird dem einen oder anderen Bauern Hilfe geben können – „aber wohl nicht für alle.“
Dr. Karl-Heinz Engel, Präsident des deutschen Milchindustrieverbandes (MIV) erinnerte, dass mit fast 25 Jahren Milchquote eine ganze Politiker- und Bauerngeneration mit diesem Marktinstrument groß geworden ist: „Wir haben etwas neues zu lernen“, blickt er nach vorn.
Dr. Josef Schwaiger, Vorstandsvorsitzender der Nordmilch AG, beschrieb den Wandel, den die Nordmilch durchgemacht hat. 1999 ist sie aus vier Molkereien entstanden und wird von 8.000 Bauern beliefert. Das operative Geschäft wurde 2006 in die Nordmilch AG übergeben und verarbeitet rund vier Milliarden Kilogramm Milch in zehn von ehemals 24 Betriebsstätten. Die Nordmilch erzielt 2,5 Milliarden Euro Umsatz.
Im internationalen Vergleich sind die Zahlen noch klein. Die Nordmilch verarbeitet etwa 15 Prozent der deutschen Milchmenge und die größten zehn Molkereien verarbeiten zusammen rund 57 Prozent der Gesamtmilch. In Norwegen, Dänemark, Schweden und den Niederlanden verarbeiten nur die jeweils größten drei Molkereien jeweils mehr als 90 Prozent der nationalen Milchmenge.
Die deutsche Molkereilandschaft sei zersplittert und der intensive Wettbewerb koste Kraft, so Dr. Schwaiger. Hinzu kommt, dass die Discounter im Bereich der Molkereiprodukte einen Marktanteil von über 50 Prozent haben. In allen anderen Ländern, wo es den Discount in dieser Form noch nicht gibt, sind die Milch- und Lebensmittelpreise höher.
Werden in Deutschland die Discounter einmal wieder zurückgedrängt, fragte Dr. Engel, oder haben die anderen Länder diesen Wandel noch vor sich? Die Nordmilch sieht sich auf jeden Fall gewappnet, denn sie ist nicht mehr der Überschussverwerter, wie noch vor der Gemeinsamen Agrarreform der Luxemburger Beschlüsse. Seit dem die EU sich aus dem Markt zurückzieht, ist die Nordmilch stärker in die Käseproduktion eingestiegen. Wachstumsmärkte sieht Dr. Schwaiger jedoch nur noch in den mittel- und osteuropäischen EU-Ländern und dem Drittlandexport.
Wandeln oder weichen: Milchviehbetrieb
In diese Richtung sollen auch die Betriebe. Tim Nicolai, Vizepräsident der DeLaval International, fasst zusammen: „Mehr Milch mit weniger Ressourcen produzieren.“ Tiere, denen es gut geht, die am längsten Milch geben und Milchviehhalter, die Betriebskosten einsparen, werden profitieren.
Managen statt Milch verschütten |
Thorkild Rasmussen von der Europäischen Union führte an, dass auch in der Zeit der Milchquote jeder fünfte Betrieb aufgegeben hat. Die Agrarpolitik wird sich nach 2013 auf die Funktion eines Sicherungsnetzes zurückziehen und den Betrieben überlassen, in den nächsten 40 Jahren die Nahrungsproduktion verdoppeln zu müssen. Neun Milliarden Menschen sind zu ernähren. Schon alleine deshalb müsse die aktuelle WTO-Runde abgeschlossen werden.
„Säulenmilch“
Das hilft den Betrieben, die mit Herzblut an ihren Tieren hängen und den Familienbetrieb weiter führen wollen nicht. Lindemann schätzte alle Vereinbarungen der EU und die Maßnahmen des runden Tisches zur Lebensmittelkette als nicht stabilisierend für den Milchpreis ein. Keine dieser Maßnahmen werde einen „Durchbruch“ zu höheren Milchpreisen erzielen. Die Vorschläge der Eu sind so noch nicht umsetzbar oder finanzierbar. Da gebe es noch Klärungsbedarf.
Beispiel Warenterminbörse (WTB) für die Preisabsicherung: Gegenüber Herd-und-Hof.de äußerte sich Dr. Engel skeptisch. Das Handelsvolumen sei für Deutschland nicht groß genug, als das es funktionieren würde. Die WTB stehe erst am Anfang und hülfe auch zuvorderst den großen Betrieben. Selbst wenn es einen realen Marktpreis gäbe, werden nicht alle Betriebe, wie beispielsweise im Schwarzwald, kostendeckend Milch produzieren können. Wenn die Gesellschaft dort eine flächendeckende Landwirtschaft haben möchte, dann müsse das anders finanziert werden. Eine erste Säule für die wettbewerbsfähigen Betriebe und die zweite Säule für die regionalen Milchviehhalter.
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In Süddeutschland haben sich die Milcherzeuger zu Gemeinschaften zusammen geschlossen, um ihr Angebot zu bündeln und bessere Preise bei den Molkereien zu erzielen. In Norddeutschland haben Humana und die Nordmilch die Nord Contor gegründet, um auf Molkereiebene das Angebot gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel zu bündeln. Mit wenig Erfolg: Aldi hat Nord Contor ausgelistet. Udo Folgart, Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), sieht darin aber ein positives Signal. Gegenüber Herd-und-Hof.de erklärt er, dass das ein erstes Zeichen des Handels sei, auf einen Neuling zu reagieren. Derzeit mit sieben Milliarden Kilogramm Milch ausgestattet, würde diese Vermarktungsgemeinschaft bei den im Oktober anstehenden Listungsgesprächen erste Erfolge erzielen.
Die Ernte 2009 hat auch die Futterscheunen voll und das heimische Futter preiswerter gemacht. Udo Folgart kann als Bauernpräsident Brandenburgs bestätigen, dass es einen Trend zum heimischen Futter gebe und das Grünland als preiswertester Produktionsstandort nicht verloren gehe. Ganz ersetzen wird das heimische Futter aber die Eiweißimporte nicht, ergänzt Dr. Engel. Dafür reiche die Menge nicht.
Roland Krieg (Text und Fotos: „Ertragsarme Milch“ ist der Protest des DBV vor dem Milchgipfel; Asiatische Molkereiprodukte auf der Ausstellung und die sächsische Milch- und Erntekönigin. Das Foto vom Tankwagen stammt aus Eisleben zur AMK).