Weltnaturkonferenz in Kanada
Landwirtschaft
Sicherung der Biodiversität
Nachdem die weltweite Klimaschutzkonferenz in Ägypten so gut wie kein Ergebnis geliefert hat, blickt die Welt jetzt nach Montreal in Kanada. Dort startet am Mittwoch die 15. Weltnaturkonferenz und es mangelt nicht an warnenden Stimmen.
Die Verhandlungen in Montreal führt die tschechische Ratspräsidentschaft gemeinsam mit der Europäischen Union, unterstützt durch die Mitgliedstaaten. Die deutsche Delegation wird durch Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke als nationale Verhandlungsführerin geleitet.
Steffi Lemke: „Erfolgreiche Verhandlungen sind umso dringender, denn das weltweite Artenaussterben findet heute in einem so rasanten Tempo statt wie im Schnitt der letzten 10 Millionen Jahre nicht. Wird eine Art ausgelöscht, ist das unumkehrbar und reißt ein Loch in das Netz des Lebens, das auch uns Menschen trägt – und wir wissen nicht, wie lange es noch tragfähig ist. Wir Menschen sind auf eine gesunde Natur und ihre ökologischen Funktionen angewiesen. Umwelt- und Naturschutz sind kein Luxus. Es geht um unser aller Lebensgrundlagen, jetzt und in Zukunft, deshalb muss der Schutz der biologischen Vielfalt in allen relevanten Politik- und Wirtschaftsbereichen zum Maßstab werden. Dafür müssen auf der Weltnaturkonferenz ambitionierte Vereinbarungen getroffen werden. Wir müssen schnell ins Handeln kommen.“
Ziel ist die Verabschiedung einer neuen globalen Vereinbarung zum Schutz der biologischen Vielfalt, dem sogenannten „Global Biodiversity Framework“ (GBF). Deutschland verdoppelt seine internationale Biodiversitätsfinanzierung und wird ab spätestens 2025 pro Jahr 1,5 Milliarden Euro für die biologische Vielfalt weltweit zur Verfügung stellen. Das entspricht einer Verdopplung gegenüber den rund 750 Millionen Euro, die in den Jahren 2017 - 2021 im Durchschnitt investiert wurden.
Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder sagt: „Das dramatische Artensterben bedroht genauso das Überleben der Menschheit wie die fortschreitende Erderwärmung. Denn der Zustand der Ökosysteme ist ebenso alarmierend wie die Auswirkungen des Klimawandels. Klima- und Artenkrise können nur gemeinsam bewältigt werden. Ähnlich wie bei der Erderwärmung warnen Wissenschaftler beim Artensterben vor Kipppunkten. Werden sie überschritten, sind zerstörerische Entwicklungen unumkehrbar. Daher muss der globale Verlust an Biodiversität dringend gestoppt werden. Umso wichtiger ist es, dass die 15. Weltnaturkonferenz im kanadischen Montréal ein neues Weltnaturabkommen beschließt.“ Trotz wiederholter internationaler Vereinbarungen hat die Weltgemeinschaft aber bislang keinen Rückgang des Artensterbens einleiten können. Zu den ambitionierten Zielen der EU und Deutschlands zählt der Schutzstatus von 30 Prozent der globalen Land- und Meeresfläche bis 2030 im GBF.
Volles Programm
Neben der CBD COP 15 werden in Montreal auch die Treffen der Vertragsparteien zu den beiden zugehörigen Protokollen der CBD stattfinden: Das 10. Treffen der Vertragsparteien zum Cartagena-Protokoll zur biologischen Sicherheit (COP-MOP 10) und das 4. Treffen zum Nagoya-Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung, der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile (COP-MOP 4).
Die neue Vereinbarung für biologische Vielfalt ist der Nachfolger des Strategischen Plans von Aichi, der für den Zeitraum 2011 - 2020 die Ziele für den Erhalt der biologischen Vielfalt definierte. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die ursprünglich für Oktober 2020 im chinesischen Kunming geplante Konferenz mehrmals verschoben. Ein erster, insbesondere politischer Teil hat im Herbst 2021 stattgefunden. Kanada als Sitzstaat des CBD-Sekretariats hat die Ausrichtung der Konferenz unter chinesischer Präsidentschaft übernommen.
Rätsel Biodiversität
Wissenschaftler haben beim Thema Biodiversität noch längst nicht alles entdeckt. Wer und was alles in Baumkronen lebt wurde bislang mühsam Klettern, Kräne und Benebelung mit Insektiziden erfasst. Biologen der Universität Duisburg-Essen (UDE) haben einen neuen Weg gefunden. Das Team von Florian Leese spannt kurz vor einem angesagten Regenguss jeweils vier Sammelplanen rund um Eichen, Buchen, Kiefer und Co. Was sich nach dem Regen in den Planen gesammelt hat, sind nicht nur die herab gespülten Lebewesen, sondern auch sogenannte Umwelt-DNS. Das ist ein Gemisch von Käfer-, Pilz, Ameisen- und Eichen-DNS, die durch Abrieb oder Ausscheidungen von Kronenbesuchern stammen, deren Urheber längst woanders weilt. Das Verfahren ermittelt auch kleinste genetische Informationen und legt einen neuen Fokus auf Wirbellose Tiere. Der Erfolg ist groß: Von 50 identifizierten DNS-Spuren hatten sich nur sieben ganze Käfer in den Sammelplanen gefangen. „Daraus schließen wir, dass unsere Methode tatsächlich einen guten Überblick über die Biodiversität in den Baumkronen erlaubt“, erklärt Studienautor Till Macher [1].
Was die Wissenschaft empfiehlt
Wissenschaftler des Leibniz-Forschungsnetzwerks Biodiversität haben zusammen mit anderen Experten eine Liste konkreter Handlungen zum Erhalt der biologischen Vielfalt vorgelegt. Die „10 Must-Dos aus der Biodiversitätsforschung“ sollen im Vorfeld des Weltnaturgipfels im kanadischen Montréal Lösungswege für diese globale Herausforderung aufzeigen [2].
Als konkrete Maßnahmen sprechen sich die Autorinnen und Autoren unter anderem für mehr Natur und Artenvielfalt in städtischen Räumen, eine Reduzierung der Lichtverschmutzung, den Schutz und das naturnahe Aufforstung von Wäldern sowie eine Kopplung landwirtschaftlicher Subventionen an eine biodiversitätsfreundliche Produktion. Im Forderungskatalog befindet sich auch ein offener Zugang zu wissenschaftlichen Biodiversitätsdaten, um das Wissen über die biologische Vielfalt langfristig zu sichern und ihre Erforschung zu erleichtern. Alle aufgeführten Maßnahmen würden einen wirksamen Beitrag zum Erreichen der 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) aus der Agenda 2030 der Vereinten Nationen leisten.
Lesestoff:
[1] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/edn3.372
[2] Zu den „10 Must-Dos aus der Biodiversitätsforschung“ im Volltext: https://zenodo.org/record/7322802#.Y4y9Zn3MIcQ
Roland Krieg, VLE; Fotos: Bundesregierung / Steffen Kugler; MKUEM / Heike Rost
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