Weltweite Gesundheitsrisiken
Landwirtschaft
Symposium des Robert Koch Instituts
> Im Oktober jährte sich die Verleihung des Medizinnobelpreises an den Bakteriologen Robert Koch zum 100. Male. Das Berliner Robert Koch Institut nahm diesen Anlass, um nicht nur über die Vogelgrippe zu diskutieren, sondern generell über die wissenschaftliche Herausforderung, sich den großen Menschheitsplagen zu stellen.Die Weltgesundheitsorganisation WHO beschäftigt sich generell mit Gesundheitsrisiken, um Krankheit und Verletzungen im Vorfeld zu eliminieren. Gemessen werden können Erkrankungen und Plagen mit hohen Sterblichkeitsfällen in Lebensjahren, die nicht mehr zur Verfügung stehen. Die WHO hat dafür den Begriff DALY (disability-adjusted life year) eingeführt. Der technokratische Begriff beschreibt die entgehenden Möglichkeiten fehlender kreativer Lebensjahre durch Rauchen, ungeschützten Verkehr oder Untergewicht. Die Bekämpfung von Krankheiten wie AIDS oder Malaria gehört beispielsweise dazu.
David Heyman von der WHO beschrieb auf dem Symposium die schwierigen Erfolge der Mediziner. So forderten die Pocken bei einer Sterblichkeit von bis zu 40 Prozent noch 2,7 Millionen Tote bis 1967. Dann begann bei der WHO das Programm, die Pocken endgültig loszuwerden. 1980 war es fast soweit, allerdings trat ein Jahr später mit HIV eine neue Krankheit auf. Bei dieser Krankheit kann der Pockenimpfstoff nicht sicher eingesetzt werden, so dass Pocken zwar nicht endgültig ausgelöscht, aber nur noch auf dem niedrigsten Niveau vorhanden sind. Das zeige die Dynamik der Viren- und Bakterienwelt, die Mediziner vor immer neue Herausforderungen stellt.
Bis 2003 gab es noch jährlich 358.000 Poliofälle in 126 Ländern und nachdem der Zugang zu den Impfstoffen überall erleichtert wurde gibt es aktuell nur noch 784 Kinder aus sechs betroffenen Ländern. Fast wäre Polio auch von der Welt verschwunden. Aber in Nigeria wurde das Vorsorgeprogramm aufgekündigt, weil es als westliche Bevormundung angesehen wurde. So konnte sich ein Polio Wildtyp 1 entwickelt, der sich ostwärts über den afrikanischen Kontinent verbreitet und mittlerweile Südasien und Indonesien erreicht hat. Polio wird vor allem in den Gebieten noch eine lange Zeit bleiben, so Heyman, wo viele Menschen auf engem Raum unter schlechten sanitären Verhältnissen leben. 31 neue Fälle sind bereits wieder registriert.
HIV und AIDS
Bis Ende 2004 sind 40 Millionen Menschen mit HIV infiziert und seit 1981 30 Millionen Menschen an AIDS gestorben. Täglich infizieren sich 14.000 Menschen neu, zwei Drittel davon in Afrika, wobei die Hälfte Frauen sind und die Hälfte junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren. Pro Tag sterben 8.500 Menschen. Robin Weiss vom University College aus London hat die Zahlen alle griffbereit. Unter den Infektionskrankheiten weist AIDS die häufigste Todesursache auf. Nur das Rauchen fordert weltweit mehr Opfer. Neben den Schwierigkeiten der Mediziner HIV im Menschen zu stabilisieren ohne dass die tödliche Immunschwäche entsteht, kämpfen sie auch gegen zahlreiche Mythen, denen sie Wissen und Fakten entgegen zu setzen versuchen. AIDS wird generell verleugnet oder nicht infektiös sei, irrige Hoffnungen verbreitet, dass Sex mit Jungfrauen vor HIV schützte, bis hin zu Verschwörungstheorien, dass AIDS durch westliche Medikamente hervorgerufen würde oder vom Polio-Impfstoff komme. Die Liste von Weiss ist lang.
Immerhin ist es zumindest in den USA gelungen, die Todesfälle durch AIDS wieder unter denen des Autoverkehrs, der Herzerkrankungen oder der Selbstmorde zu bringen. Die Ansteckungsrate ist aber gleich geblieben, so dass Weiss fürchtet, die Todesrate der Immunschwäche könnte auch wieder einmal ansteigen, wenn sich der Virus gegenüber den eingesetzten Medikamenten als resistent erweist. Weiss argumentierte, dass das wissenschaftliche Basiswissen über die Krankheit noch immer nicht ausreiche, um eine wirksame Strategie in der Heilung zu entwickeln. Warum aus der HIV-Infektion eine AIDS-Schwäche wird, sei immer noch unklar.
Malaria
Auch Malaria fordert sehr viele Opfer. Pro Jahr sind es rund 1 bis 2 Millionen Tote und die gleiche Anzahl an Malariapatienten in den Krankenhäusern und bis zu einer Milliarde klinische Anfälle. Brian Greenwood von der London School of Hygiene & Tropical Medicine kennt die Zahlen aus seinem Forschungsbereich. Die Länder in denen Malaria auftritt erreichen gerade nur ein Viertel des Bruttosozialproduktes der Malariafreien Länder. Obwohl die Krankheitsfälle allgemein zurückgehen, sei ein Anstieg bei erkrankten Kindern zu verzeichnen. Das kann auch damit zusammen hängen, so Greenwood, dass die globale Erwärmung die Mückenpopulation in höhere Berggebiete vordringen lässt. Auch soziale Unruhen, ein Anstieg der Migration von Malaria- in Malariafreie Gebiete, HIV und wachsende Resistenzen bei Mücken gegen Antibiotika und Pestiziden führt der Malariaexperte als Gründe für den Anstieg an. Allerdings gab es vor dem letzten UN Gipfel in New York auch Kritik an der statistischen Datengrundlage über Ansteigen oder Sinken der Malariafälle.
Seit einiger Zeit geht die Malariaprophylaxe einen neuen Weg, auf den Greenwood hinwies. Mit dem "Intermittent Preventive Treatment" (IPT) gibt es eine Alternative zur dauerhaften Chemoprophylaxe. IPT wurde zuerst bei Schwangeren angewendet und fand Anklang bei den lokalen Politikern. Dabei wird eine Malariaprophylaxe mit den regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen verknüpft und ist in Afrika mittlerweile weit verbreitet. Jetzt versucht man die Malariavorsorge bei Lindern mit den regelmäßigen normalen Gesundheitsüberwachungen zu verbinden. Das Zeil ist eine insgesamt geringere Wirkdosis geben zu können, als die bisher üblichen wöchentlichen Chemotherapien und damit die gleichen Effekte zu erzielen. Bei einer Verabreichung des Malariamittels im Alter von zwei, drei und neun Monaten reduziert sich die Entwicklung der klinischen Malaria um 60 Prozent, die der Anämie um 50 Prozent, ein Krankenhausaufenthalt um 30 Prozent und Fieber um 13 Prozent.
Das IPT-Konsortium will im nächsten Jahr eine ausreichende Datenlage haben, um eine allgemeine Politikempfehlung heraus zu geben. Ende 2008 soll eine Auswahl getroffen worden sein, welche der zahlreichen Antimalaria-Mittel sich für das IPT am besten eignen. Dabei wird eine mögliche Resistenzbildung, die Kostenentwicklung, der Erfolg und eine jeweils immunologische Antwort mit berücksichtigt.
Zusammen mit der WHO und UNICEF soll die IPT-Strategie für Kinder in das allgemeine Programm für Immunisierung aufgenommen werde. Weitere Informationen gibt es dazu unter www.ipti-malaria.org.
Währenddessen sind die Wissenschaftler auf dem Weg neue Komplexe im Krankheitsverlauf der Malaria zu entdecken. Zuletzt hat ein Medizinerteam ein neues Protein entwickelt, dass in menschlichen Antikörpern die Fähigkeit hervorruft, Plasmodium falciparum abzutöten. Diese Studie wurde jetzt auf www.plosmedicine.org veröffentlicht (November 2005, Vol. 2, Issue 11, e344).
VLE