Wem hat der Winter den Garaus bereitet?

Landwirtschaft

Schützt der Winter vor Insektenplagen im Sommer?

Mittlerweile hat die Sonne auch den Nordosten Deutschlands erreicht. Nur noch die niedrigen Temperaturen erinnern an den langen bald zurückliegenden Winter.

„Der Frühling“:
„Aus seinem Busen ergoß sich die Milch der Erden in Strömen. Schnell rollte von Hügeln und Bergen der Schnee in Haufen herab, und Felder wurden zu Seen.“ Ewald Christian von Kleist beschrieb 1749 in 460 Hexameter die Erwartungen der kommenden Tage. Wer sich bereits den Zephir, den frühlingshaften Westwind, um die Nase wehen lässt, könnte sich die Frage stellen, ob der lange kalte Winter Mücken und anderen lästigen Insekten vielleicht den Sommer bereits verdorben hat?

Wer hier lebt, ist angepasst
Die Experten der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) in Braunschweig haben sich mit diesem Thema auseinander gesetzt und stellen fest, dass viele Geschichten kursieren, die aber nicht alle einen wahren Kern haben. Alle in mitteleuropäischen winterkalten Gebieten heimische Insekten, Milben oder Spinnen sind, so bremst die BBA vorschnelle Erwartungen, an die hiesigen Winterungsbedingungen angepasst. Mit dem Einbruch des Winters haben die Tiere bereits ihr Überwinterungsstadium eingenommen, haben sich ein dickes Polster an Reservestoffen angefressen und sind für niedrige Temperaturen über eine lange Zeit gerüstet.
„Der Maiszünsler, ein wichtiger Schädling in Maiskulturen, kann gut geschützt im Maisstängel Temperaturen von – 26 Grad Celsius über längere Zeit ohne Probleme überleben“, stellt Dr. Bernd Hommel vom Institut für integrierten Pflanzenschutz der BBA fest. „Ganz gleich, ob es die Eier von Blattläusen, die ausgewachsenen Larven des Apfelwicklers oder erwachsene Marienkäfer oder Kartoffelkäfer sind, die überwintern: alle sind mit eigenen Strategien gewappnet, die Kälteperiode ohne Schaden zu überstehen.“
Viele Insekten und Spinnen haben obligatorisch eine Entwicklungspause, die so genannte Diapause, eingeschaltet. Diese wird vererbt und ist an ein bestimmtes Stadium gebunden, so die BBA. Andere schalten eine Ruhephase ein, sobald es mit kürzer werdenden Tagen auch noch kälter wird. Nur wer bei einem milden Herbst diese Vorbereitungen „verpasst“ hat, hat dann bei einem strengen Winter wie in diesem Jahr keine Überlebenschance.
Die ungewöhnlich lang anhaltende Dauerkälte, verbunden mit relativer Trockenheit, schadet Insekten, Milben oder Spinnen nicht, da sie in ihrem sicheren Schutzzustand verbleiben. Erst wenn die so genannte individuelle „Temperatursumme“ erreicht ist, wird das Ruhestadium aufgegeben und die Entwicklung fortgesetzt. „In diesem Jahr ist dieser Zeitpunkt mindestens zwei Wochen später als sonst“, bestätigt Gerhard Bartels vom BBA-Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland.
Welche Bedingungen würde denn die Hoffnung auf einen insektenarmen Sommer erfüllen? „Ein feuchter Herbst und ein feuchtes Frühjahr, verbunden mit einem nicht zu kalten Winter sind viel bedeutendere Faktoren, um Insektenpopulationen zu dezimieren“, so Dr. Hommel. Insektenbefallende Pilze können sich dann am besten entwickeln. Auch ein plötzlicher Kälteeinbruch im Mai kann Pflanzen und Tiere wesentlich mehr Schaden zufügen. Denn die Kälteanpassung ist zu diesem Zeitpunkt bereits aufgehoben und die Tiere bereiten sich schon auf die Reproduktion vor. Ob sich einzelne Arten in diesem Sommer besonders gut entwickeln können, hängt daher viel von den erst noch kommenden Witterungsbedingungen im Frühjahr ab. Das Fazit der BBA: Insekten sind Überlebenskünstler und haben außergewöhnliche Strategien entwickelt, um mit extremen Temperaturen, extremer Trockenheit und andern Umwelteinflüssen fertig zu werden.

Das gilt auch für Nutzpflanzen
Auch wenn Wintergetreide und Winterraps an das hiesige Klima angepasst sind, kann es bei extremen Frost, eisigen Winden und Vereisungen zu Schäden an der Winterung auf den Feldern kommen – wenn die Pflanzen nicht unter einer schützenden Schneedecke liegen. Eine Neuaussaat im Frühjahr kann die Folge sein. Endgültig können Auswinterungsschäden aber erst nach Ende der Frostperiode festgestellt werden, sagte der Deutsche Bauernverband (DBV).
Teuer hingegen wird es bereits es für die Gemüsebauern, die ihre Produkte in Gewächshäusern heranziehen. Sie haben einen erhöhten Heizkostenbedarf. In einigen Lagen könnten extreme Minusgrade im Kern- und Steinobst zu Schäden geführt haben. Auch bei Erdbeeren sind sortenabhängig, wie beispielsweise bei Elsanta, auf Grund der geringen Schneeauflage, Schäden zu befürchten. Gut ist der Frost für den Boden gewesen, sagt der DBV. Die so genannte Frostgare auf brach liegenden Flächen sorgt bei der Frühjahrsaussaat für lockere Böden.
Schlecht sieht es bisher nur für die Bienen aus.

Bester englischer Rasen
Wer in diesem Winter zu Hause nur fröstelnd in seinem Garten spazieren ging, der kann sich auf einen schönen Rasen freuen – so er denn in England lebt. Forscher des Harper Adams University College glauben eine Verbindung zwischen dem Rasenwuchs und der Nordatlantischen Oszillation (NAO) gefunden zu haben. Damit beschreiben englischen Meteorologen das sommerliche Wetter der Inseln, das durch den vorangegangenen Winter bestimmt wird. Dr. Peter Kettlewell fand heraus, dass der Sommerwuchs des Grases durch die Bodenfeuchtigkeit des Winters beeinflusst wird. Je kälter der Winter ist (geringere NAO), desto höher ist die Bodenfeuchte und je intensiver der Sommerwuchs. Milde Winter hingegen verringern die Bodenfeuchte und zeitigen eine schlechteren Graswachstum, weil dann die Bodenfeuchtigkeit auch im Sommer gering bleibt. Die Forschungsarbeiten, die auch für Bauern interessant sind, so Kettlewell, wurden bereits im Januar im Proceedings of the Royal Society Biological Sciences veröffentlicht.

VLE

Zurück