Wenig Änderungen beim Thema Wolf zu erwarten
Landwirtschaft
Die Suche nach einem erträglichen Wolfsbestand geht weiter
Anfang Januar war im Agrarausschuss des Europaparlamentes das Thema Wolfsrisse in Brüssel endlich angekommen. Die Agrarier weiteten den Blick auf das Thema Wolf und Weidetierhaltung um die Sichtweise der Weidetierhalter, die morgens abgenagte Schafe und halb aufgefressene Kälber auf ihren Weiden vorfinden. Der Umweltausschuss verweigerte sich einer gemeinsamen Sitzung, weil der Wolf zum Symbol des erfolgreichen Naturschutzes geworden ist: Ein ausgerottetes Tier hat sich den alten Lebensraum wieder erobert [1].
Die Bandbreite zeigte sich wenig überraschend am Mittwoch auch auf dem Forum des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Es wurde eines klar. Beim Wolf als Symboltier für den erfolgreichen Artenschutz wird sich wenig ändern. Die Agri-Sitzung hat die Tür lediglich einen Spalt weit geöffnet. Das „Wettrüsten beim Zaunbau“, so der Umweltbeauftragte Eberhard Hartelt beim DBV, wird wohl zu seiner Enttäuschung erst einmal weitergehen. Selbst wenn die verschiedenen Herdenschutzmaßnahmen in der Praxis ihre Grenzen aufzeigen. Hartelt fordert ein „aktives Bestandsmanagement und die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht“.
Kein Doppelrechtler Wolf
Den Erwartungen mancher Weidetierhalter zu Koalitionsaussagen über ein regionales Bestandsmanagement, setzte Josef Tumbrinck aus dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Grenzen. Aktuell sei die Rechtslage eindeutig: Der Wolf ist streng geschützt und darf nicht bejagt werden. Am Ende der Nahrungskette ist der Wolf als großer Beutegreifer eine, wenn auch kleine, Stellschraube im Natur- und Artenschutz. Die Aufnahme in das Jagdrecht würde „keine Verbesserung und keine Erleichterung bringen, sondern produziert mehr Doppelrecht“, so Tumbrinck. Dann fiele er sowohl ins Bundesnaturschutzrecht als auch ins Jagdrecht.
Der im vergangenen Jahr erstellte „Praxisleitfaden Wolf“, der im Herbst von der Umweltministerkonferenz einstimmig beschlossen wurde [2] legt die Entscheidung über das Wolfsmanagement in die Hände der Bundesländer. „Das ist Version 1.0“, sagte Tumbrinck, eine Version, bei der es Anpassungen und Veränderungen geben wird, die „wir gemeinsam einarbeiten werden“. Eine wichtige Rolle hat dabei das im März 2021 eröffnete Bundeszentrum Weidetier und Wolf an der Hochschule Eberswalde.
Es gibt Genehmigungen von Entnahmen eines Wolfes aus der Natur. So umschreiben Politiker und Gerichte den Abschuss eines Tieres. Das allerdings ist alles andere als einfach, wie das Urteil in Bayern zeigte. Die Regierung von Oberbayern hat die Entnahme eines übergriffigen Wolfes, der Siedlungen immer näher kommt, nach Prüfung des Falles beschlossen, was von Staatsministerin für Landwirtschaft, Michaela Kaniber, begrüßt wurde. Der Bund Naturschutz und die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe (GzSdW) haben aber schon eine Klage gegen den Entschluss angedroht. Es könne nicht sicher gestellt werden, dass der richtige Wolf geschossen werde, heißt es vom GzDdW-Vorsitzenden Peter Blanché.
Tumbrinck machte klar: Ohne exakte Begründung darf kein Wolf geschossen werden. Er bezieht sich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes „Finnischer Wolf“ aus dem Jahr 2007, nach dem ein Wolf nur gejagt werden darf, wenn ein ernster Schaden zu erwarten ist [3]. Tumbrinck korrigiert auch die Erwartungen an die Aussagen im Koalitionsvertrag. Das Bestandsmanagement erlaubt keine Definition einer Obergrenze, die, genauso wie die Forderung nach „wolfsfreien Zonen“, gegen die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH) verstößt. Auch eine Änderung des Schutzstatus des Wolfes von Anhang 4 in den weniger strengen Anhang 5 müsse n Brüssel entschieden werden. Tumbrinck sieht keine Absichten, an der aktuellen Richtlinie etwas zu ändern. „Ein Umtopfen in Anhang 5“ würde eine Diskussion lostreten, welche anderen Tiere oder gar neue Tiere in welchen Schutzstaus aufgenommen werden könnten.
Tumbrinck warnt vor voreiligen Schlüssen. Die EU hat ein Auge auf die Verfahren in Deutschland und als Vorstufe zu einem Vertragsverletzungsverfahren im Jahr 2020 ein Pilotprojekt zum Abschuss eingeleitet. Das zeige, dass die EU beim Umgang mit dem Wolf in Deutschland nicht zufrieden ist.
Wolfsmanagement in Schweden
Das ist in Schweden nicht anders. Dort wird generell zwischen reaktiver Schutzjagd und proaktiver Lizenzjagd unterschieden. Die Schutzjagd erlaubt bei Problemen die Jagd auf ein bis wenige Tiere. Bei der Lizenzjagd sind viele Jäger flächendeckend unterwegs und schießen viele Tiere. Beim Wolf ist die EU mit der Schutzjagd zufrieden, bei der Lizenzjagd aber nicht, berichtete Michael Schneider, Experte für Beutegreifer in Schweden. In beiden Fällen werden jeweils 13 Tiere pro Jahr entnommen. Die Basis sind Berechnungen von Wissenschaftlern. Schweden hat jedoch auch schon einen günstigen Erhaltungszustand definiert und das Wildtiermanagement regionalisiert. In der Saison 2020/2021 gab es in Skandinavien (Dänemark, Norwegen, Schweden) nach gleicher Zählung wie in Deutschland plus Aufnahme von Einzeltieren, mit 480 Wölfen nur rund ein Drittel so viele wie in Deutschland. Die meisten, nämlich 395, streifen durch Schweden. In manchen Regierungsbezirken haben die Menschen mehr Probleme mit Bären als mit Wölfen. Bei stetem Nachzug von Wölfen aus dem finnischen und russischen Raum liegt der günstige Erhaltungszustand nach der FFH-Richtlinie bei 300 Tieren. Fiele die Einwanderung aus dem Osten weg, läge die Zahl des Erhaltungszustandes bei 830 Tieren.
Schweden erlaubt Einzeltiere im ganzen Land, hat aber für Paare und Rudel den Süden mit Weidewirtschaft, die inselreichen Küsten und das Rentierzuchtgebiet als empfindliche Gebiete definiert und neben der Untergrenze auch eine Obergrenze für Wölfe festgelegt. Die Untergrenze liegt knapp über der Mindestzahl. Das Verwaltungsintervall für den Abschuss schwankt in allen Provinzen zwischen Ober- und Untergrenze das Verwaltungsziel und liegt nur knapp über dem Minimum liegt. Wegen der kleinen Wolfspopulation sei noch jeder Wolf wichtig, sagte Schneider.
Schweden hat die Entschädigungen nicht nach der Zahl der Risse, sondern nach der Zahl der Beutegreifer definiert. Geld gibt es nur, wenn alle Schutzmaßnahmen für die Herde durchgeführt wurden oder keine vorbeugenden Maßnahmen getroffen werden konnten. Es wird auch nicht gezahlt, wenn Schäden vorhersehbar gewesen sind. Der Ermessungsspielraum wird von der Provinzregierung festgelegt.
Ein neues Modell für Deutschland
Die Landnutzer in Brandenburg haben sich zum Forum Natur zusammengeschlossen [4]. Darin sind Bauern, Angler, Waldbesitzer, Winzer und Jäger eingebunden und werben für eine Koexistenz von Mensch, Weidetier und Wolf. Die eingangs beschriebenen Szenen von toten Tieren auf der Weide sorgen im ländlichen Raum für ein drastisches Sinken der Wolfsakzeptanz. Dazu müssen die Wölfe nicht erst in der Nähe von städtischen Waldkindergärten gesichtet werden. Für das Forum ist ein „aktives Wolfsmanagement“ Ziel der Aufklärungsarbeit. Gregor Beyer hat ein Modell vorgestellt, dass sich im Vergleich zu Schweden zwischen der Schutz- und der Lizenzjagd ansiedelt. Es basiert auf vorhandenen Rastern mit der Kantenlänge von zehn Kilometern. Auf einer Regionalkarte werden ökologische, ökonomische und soziologische Daten zu einem Gesamtbild vermischt, das Regionen in vier Kategorien aufteilen kann. Demnach gibt es Regionen, die für Wölfe geeignet sind und sich in Gebiete mit und ohne Wolf unterscheiden. Und es gibt Regionen, die für Wölfe nicht geeignet sind und ebenfalls noch in vom Wolf besiedelt und noch nicht genutzt differenziert werden.
Für Brandenburg gibt es demnach 208 von Wölfen besetzte Rasterzellen, die auch für Wölfe geeignet sind. Davon sind nur 134 Rasterzellen auch tatsächlich besetzt. Auf den aktuellen Brandenburger Wolfsbestand von 408 Tieren im Jahr 2020/21 bezogen, berechnet das Forum eine Untergrenze für das Bundesland von 383 und einer Obergrenze von 638 Wölfen. Beyer benennt die Zahlen als Akzeptanzzahlen mit Akzeptanzgrenzen. Ziel sei ein Wolfsbestand, der sich langfristig auf einen Wert um den Akzeptanzbestand herum einpegelt. „Darüber sollten wir dringend und ernsthaft reden“, forderte Beyer.
Ampel arbeitet sich noch ein
Das Bundesministerium für Umwelt, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz hat am 21. Januar auf Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zum Thema Wolf nur wenige eigene Antworten gegeben. Die Ampelregierung verweist bei vielen Fragen auf die Antworten der Vorgängerregierung zu Anfragen von verschiedenen Parteien.
Das hat der agrarpolitische Sprecher der Union, Albert Stegemann, auch so bewertet: „Die Antworten der Ampel-Regierung auf die Fragen der CDU/CSU zur Wolfsentwicklung und zum Schutz vor Wölfen sind veraltet, unzureichend und eine Enttäuschung auf ganzer Linie. Die Ampel macht keine konkreten Aussagen zu den Schäden durch Wölfe, welche Schutzmaßnahmen gerade für Tierhalter wirksam gegen Wolfsangriffe sind sowie ab wann der günstige Erhaltungszustand des Wolfes endlich erreicht ist.“
Die umweltpolitische Sprecherin der Union, Anja Weißgerber, hat genau nachgeschaut und Verweise auf Antworten der vorletzten Regierung gefunden. Konstruktive Lösungsansätze seien derzeit noch nicht zu finden.
Lesestoff:
[1] Agri und Envi sind beim Wolf verbissen: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-streit-um-den-wolf-geht-weiter.html
[2] https://www.regierung-mv.de/serviceassistent/_php/download.php?datei_id=1642091
[3] Finnischer Wolf: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?isOldUri=true&uri=CELEX:62005CJ0342
[4] https://wolfbleibtwolf.de/
Roland Krieg
© Herd-und-Hof.de Nutzungswünsche: https://herd-und-hof.de/impressum.html