Wenn der Gelbrost zitronenfarben leuchtet

Landwirtschaft

ATB setzt mit FungiDetect Akzente in der Grundlagenforschung

Landwirte fürchten die Gelbrost-Jahre. Nach einem milden Winter und einem langen gemäßigten Frühjahr breitet sich der Pilz vor allem im Weizen nesterartig aus und kann zu hohen Ertragsausfällen führen. Der Pilz überwintert meist als Mycel oder Uredosporen im Ausfallgetreide. Die Infektion gesunder Bestände kann bereits bei Temperaturen bei nur wenig über Null Grad Celsius erfolgen. Gelbrost ist eine Gefahr für die feucht-kühlen Regionen in Nord-, Teilen West- und Süddeutschlands. Bei einem Befall werden die oberen Blätter geschädigt und die Pflanze erleidet Assimilationsverluste von bis zu 50 Prozent.

Am Freitag startete das Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB) mit seinem auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekt „FungiDetect“. Vor dem Hintergrund gesuchter „Innovationen in der Agrartechnik zur Steigerung der Ressourceneffizienz“ widmen sich die Experten der frühzeitigen Entdeckung des Gelbrostes in Winterweizen. „Den Pilzbefall in einem sehr frühen Stadium zu erkennen ermöglicht uns, mit minimaler Aufwandsmenge eine sehr effiziente Behandlung durchzuführen, ohne dass es zu Ertragseinbußen kommt“, sagte Prof. Dr. Cornelia Weltzien am ATB.

Entwicklung von Sensortechnik

Was einfach klingt, ist sehr komplex. Die Leiterin der Abteilung Technik im Pflanzenbau erklärt, dass die Sensortechnik im schon weit diskutierten Umfeld „Landwirtschaft 4.0“ noch viel Entwicklungspotenzial aufweist [1]. Während die Digitalisierung der Landwirtschaft seit mehr als einem Jahr Furore macht und die Vernetzung zwischen Pflanzenbestand und Einkaufskorb lockt, fehlen noch wesentliche Grundlagen. Dreh- und Angelpunkt ist die Sensortechnik. Sie muss biologische Parameter in digitale Werte transformieren und stellt überhaupt erst den Ausgangswert für eine Vernetzung dar.

Einige Sensoren für die Erfassung der Biomasse sind als Notar des Entwicklungsstandes von Nutzpflanzen schon länger marktreif. Daraus lassen sich der Ernährungszustand der Pflanzen ableiten und ein teilflächenspezifischer Düngeplan erstellen.

Bei FungiDetect geht es um „Big Data des Gelbrostes“. Der Pilz selbst wird nicht erfasst. Aber am Traktor absenkbarer Bodensensor (Foto), der im Bestand drei verschiedene „Pflanzenetagen“ erfasst, eine Spektralkamera am Traktor und ein Oktokopter, der ein Abbild der Fläche bis hin zu einer 3D-Simulation erzeugen kann, fangen jeweils rückgestrahltes Licht der Pflanzen ein. Bei Gelbrostbefall sollte ein Farbspektrum zwischen orange und zitronengelb markant auftreten. Diese Werte gelten als Indiz für die Wahrscheinlichkeit von Gelbrost im Bestand, erläutert Dr. Michael Schirrmann (Foto unten). Neu ist der Bodensensor, der erstmals einen Blick auf tiefer sitzende Blätter werfen und Gelbrost auf die Schliche kommen kann, bevor er einen wirtschaftlichen Schaden hervorruft. Ob und wie viel gespritzt werden muss, ergibt dann der Blick auf die tolerierbaren Schadschwellen des integrierten Pflanzenschutzes.

Das ATB arbeitet mit dieser Forschung, für die das Bundeslandwirtschaftsministerium 1,1 Millionen Euro zur Verfügung stellt, direkt an der Schnittstelle zwischen biologischem und technischem System. Das ist der Punkt, der über die Qualität eines erfassten Parameters entscheidet und für die weitere Vernetzung die Grundlage bildet.

Da hinkt die Sensortechnik weltweit noch hinter den Erwartungen an Farming 4.0 zurück. Mit FungiDetect hält das ATB seine Spitzenstellung in der Forschung hoch und geht noch einen Schritt weiter. In Planung befindet sich eine Junior-Professur „Data Science in Agriculture“, die zusammen mit dem Bereich Informatik der Universität Potsdam an den Start geht.

Zu viele Faktoren haben Einfluss auf den Pflanzenbestand: Innerhalb eines Feldes variieren die Bodenverhältnisse und die Wasserversorgung, beim Düngen oder Drillen gab es technische Probleme und bei Krankheiten ist die Witterung für eine Infektion entscheidender als vieles andere. Halmbasiserkrankungen beginnen bereits im Herbst, wenn das Mycel in der Pflanze wächst. Der sichtbare Schaden tritt oft erst im Frühjahr auf. Werden Krankheiten früh entdeckt, können Mittel gezielt bis auf einige wenige Quadratmeter den gesamten Bestand gesund halten.

Am Ende des Projekts könnte sogar die Basis für eine Spektralkarte vorliegen, mit der verschiedene Pilzerkrankungen identifiziert werden könnten.

Forschen nur mit Praktikern

Das ATB arbeitet nicht alleine. Ein zweiter Partner ist die agricon aus Sachsen, die mit Precision Farming bereits individuelle Lösungen für Betriebe bereitstellt. Der dritte Partner TOSS Messtechnik aus Potsdam widmet sich im Detail um die Entwicklung der Sensoren. Der vierte Partner fehlt leider. Das ATB hat eine Feldspritze, die in mehreren Kammern verschiedene Pflanzenschutzmittel wie Fungizide, Herbizide oder Insektizide füllen kann und über mehrere Düsen die Mittel teilflächen- und anwendungsspezifisch ausringen kann. Denkbar ist auch die Anwendung so genannter Droplegdüsen, die unterhalb der Blüte tiefere Stellen der Nutzpflanze erreichen können. Die ATB-Düsen können sogar stufenweise abgeregelt werden. Die Praxis der Feldspritzen ist noch lange nicht soweit. Die Gestänge sind zwar meterweise abschaltbar, aber die Düsen kennen nur die Dosierungen „Null“ und „100“. Über mehrere Meter hinweg im Mittelteil des Spritzgestänges nur die Hälfte der Anwendungsmenge auszubringen, liegt noch in der Ferne. Die Firmen der Agrartechnik müssen sich erst noch auf die Forschungsergebnisse von FungiDetect einstellen.

Prof. Weltzien möchte auch gerne zwischen Precision Farming und Farming 4.0 unterscheiden. Das erstere bezieht sich auf eine Optimierung des Betriebsinput auf Ebene des einzelnen Schlages. Der neue Begriff Landwirtschaft 4.0 geht über den Betrieb hinaus und erfasst weitere Teile der Wertschöpfungskette.

Die Erwartungen an das ATB sind hoch, in drei Jahren verschiedene Ergebnisse herausgebracht zu haben, die einmal zu weiteren Forschungen anregen und im Detail bereits den Weg in die Praxis gehen.

Lesestoff:

[1] Bleibt der Landwirt beim Farming 4.0 auf der Strecke?

Roland Krieg; Fotos: roRo

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