Wenn der Hahn kräht auf dem Mist…

Landwirtschaft

GroKo Teil II

„Unser Ziel ist eine multifunktional ausgerichtete, bäuerliche unternehmerische Landwirtschaft, die ressourcen- und umweltschonend produziert, die Tierwohl, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit miteinander verbindet.“ Starke Worte im Koalitionsvertrag. Upps… Das stand im Koalitionsvertrag 2013 zwischen CDU, CSU und SPD. Der hatte noch den einfachen Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“.

Alt oder neu?

Der am Mittwoch veröffentlichte Koalitionsvertrag 2018 weist dreimal darauf hin, dass er „neu“ ist: „Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land.“ Nur die Beteiligten sind alt: CDU, CSU und SPD.

Was im „alten“ Koalitionsvertrag in einem Satz vereinbart wurde, braucht im „neuen“ drei Sätze: „Unser Ziel ist eine flächendeckende Landwirtschaft – sowohl ökologisch als auch konventionell. Nachhaltige Landwirtschaft und Naturschutz sind keine Gegensätze. Wir wollen eine multifunktional ausgerichtete, bäuerlich-unternehmerische, familiengeführte und regional verwurzelte Landwirtschaft erhalten.“ Die Frage bleibt: Wie?

Der Vergleich zwischen „alt“ und „neu“ ergibt in den Bereichen Gemeinsame Agrarpolitik (starkes Budget und Förderung), ländlicher Raum (lebenswert und attraktiv), Weinbau (kulturell wichtigen Steillagenanbau erhalten), Milcherzeugung (Grünlanderhaltung und Sicherheitsnetz der EU) und Flächenschutz (Förderung Junglandwirte und keine außerlandwirtschaftlichen Investoren) nichts Neues. Oder anders gesagt. Die Aufgaben wurden in den letzten vier Jahren nicht erfüllt.

Ackerbau

Im neuen Aufgabenkatalog sind die Bienen herausgefallen. Es gibt aber ein eigenständiges Kapitel „Ackerbaustrategie und Insektenschutz“. Bis Mitte der Legislaturperiode soll in den Bereichen Biodiversität und Insektenschutz ein Strategiepapier vorgelegt werden. Dazu zählt auch die „naturverträgliche Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“. Hier wird es ans Eingemachte gehen, denn es sollen alternative Methoden zur Unkrautbekämpfung intensiviert und erforscht werden. Wenn die Strategie gelingt, muss die Trennung zwischen konventionellem und ökologischem Landbau aufgehoben werden. Hilfe wird von der Digitalisierung erwartet. Die Kritik an der deutschen Zulassungspraxis bei Pflanzenschutzmitteln wird mit einer Personalaufstockung entgegengewirkt.  

Die Digitalisierung hat ein eigenes Kapitel bekommen. „Die mit öffentlichen Mitteln erzeugten Daten müssen kostenlos und in geeigneten Formaten zur Verfügung gestellt werden“. Datenschutz spielt eine große Rolle.

Tierhaltung

Hat der „alte“ Vertrag noch nur die „kritische Diskussion zur Tierhaltung in der Gesellschaft“ zur Kenntnis genommen, sind die Parteien im Detail jetzt konkreter geworden. Staatliches Tierwohllabel, Antibiotika-Reduzierung und Stallhaltungs-TÜV bleiben auf der Agenda. Der Begriff „flächengebundene Nutztierhaltung“ wurde gestrichen. Dafür sollen Lücken in der Gesetzgebung wie zum Schnabelkürzen bei Legehennen geschlossen werden. Mit Blick auf die Afrikanische Schweinepest wird die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf den Prüfstand gestellt und Stalleinbrüche sollen als Strafbestand effektiv geahndet werden.

Ökolandbau

Wurde der Ökolandbau im „alten“ Vertrag unter „Wertschöpfung und Innovation“ geführt, wurde in seinem eigenen Kapitel die Zielvorgabe von 20 Prozent Anteil sogar mit einem Datum bis 2030 versehen. Bei nachfrageorientiertem Wachstum. Die Eiweißversorgung der Nutztiere wird mit einer eigenen Strategie verfolgt und auch die Paludikultur fand Eingang im Öko-Kapitel.

Gentechnik

Die neuen Züchtungstechniken waren vor vier Jahren noch gar nicht Gegenstand der Diskussion. Das hat sich in den letzten Jahren gewaltig verändert. Die GroKo I erkannte im Bereich der „Grünen Gentechnik“ die Vorbehalte der Bevölkerung an. Die Unterteilung „grün“ ist gefallen. Die neue GroKo hat sich auf eine Ablehnung von Patenten auf Tiere und Pflanze ausgesprochen. Beim Genom Editing wartet die deutsche Politik auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ab und will dann nach Vorsorgeprinzip und Wahlfreiheit für Verbraucher nationale Regelungen gewährleisten.

Sonstiges

Gezielt hat sich die neue Regierung (vorbehaltlich des Juso-Effektes im März) Alternativen zum Torf im Gartenbau vorgenommen, den Wolf bei Bedarf der Natur zu entnehmen und den Bestand der Biogasanlagen weiterentwickeln. Weil ein Drittel der Agrarohstoffe exportiert werden hat der internationale Agrarhandel seine Rückendeckung durch die Koalition erhalten.

Und wer wird´s?

Dass Christian Schmidt sein Amt nicht weiterführen wird, hatten die agrarpolitischen Sprecher der Parteien schon vor der Bundestagswahl vor Agrarjournalisten verlautet. Dass das Amt an die CDU gehen wird, war auch schon sehr wahrscheinlich. Vor allem nach den erheblichen Wahlverlusten der CSU, die eben nur noch zwei statt drei Ministerien beanspruchen durfte. Der letzte CDU-Agrarminister war Jochen Borchert von 1993 bis 1998. Der kämpfte noch gegen die „Agenda 2000“ und warb bei den Bauern für den Euro gegen Wechselkursschwankungen. Erinnerlich ist auch noch sein Blattschuss einer Pyrenäenziege auf Einladung des spanischen Kollegen Luis Atienza. Der Bock gehörte zur Spezies Capra pyrenaica victoria und stand auf der Roten Liste.

Nach 20 Jahren bleibt offen, wer das Amt in der Wilhelmstraße besetzen wird. Nach Abschluss des Koalitionsvertrages werden die Gerüchte dichter. Auch hier lohnt ein Blick, was bei der alten und neuen GroKo gleich bleibt: Das Umweltministerium mit Dr. Barbara Hendricks.

Dem von Nichtregierungsorganisationen getriebenem Umweltministerium muss im verbändegetriebenem Agrarministerium ein entsprechendes Kraftfeld entgegengesetzt werden. Viel zu gewinnen gibt es dabei nicht. Das Agrarressort ist keines, mit dem eine Karriere nach oben geht. Außer Björn Engholm (17. September bis 01. Oktober 1982, sic!) tauchte bislang keiner in vergleichbar höherem Amte wieder auf. Die Diskussion um Glyphosat hat gezeigt, dass ein Amtsinhaber nur verlieren kann. Ob sich das die mit 45 Jahren noch jugendliche CDU-Politikerin Julia Klöckner auf ihrem weiteren Politikweg antun muss? Im Verlauf des Mittwoch wurde sie am meisten mit dem Posten im Bundesandwirtschaftsministerium in Verbindung gebracht. Zwischen 2009 und 2011 war sie dort als Parlamentarische Staatssekretärin unter Ilse Aigner schon tätig. Der Ausflug in die Heimat nach Rheinland-Pfalz sollte als Ministerpräsidentin enden. Wurde sie nicht. Ins Berliner Gesundheitsministerium geht sie nicht, denn die üblicherweise sehr gut informierte Rheinische Post sieht dort die bisherige Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz als Favoritin. Dann doch das Agrarressort als Hendricks-Bändigerin für spätere Weihen nutzen?

Roland Krieg

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