Wenn der Weltmarkt versagt

Landwirtschaft

Keine Hilfe für die Bauern in Sicht

Französische Bauern wussten schon immer, auf sich aufmerksam zu machen. Am Montag haben Elsässer Landwirte ihre Traktoren an der Grenze gegen Deutschland aufgestellt und ihrem Unmut freie Bahn gelassen, gegen sinkende Agrarpreise und vor allem gegen billige Lebensmittel aus Deutschland zu protestieren. Organisiert wurde der Protest von der Föderation der Bauerngewerkschaften FDSEA. Schlachtarbeiter und Saisonarbeitskräfte in Deutschland sorgen durch Billiglöhne für niedrige Preise bei Fleisch, Obst und Gemüse.

Die Situation ist in der Tat angespannt: Die Milchpreise im Sinkflug und die Schweinepreise im Tal [1]. Zudem hat die Grande Nation im Agrarbereich deutlich an Image verloren. Die französischen Landwirte haben den Anschluss an den Weltmarkt verloren und ein Viertel der Betriebe hat in den letzten zehn Jahren aufgegeben [2].

Viele Gründe

Sinkende Einkommen, steigende Betriebskosten und volatile Preise: Damit müssen beim Abbau der staatlichen Hilfen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU alle Bauern auskommen. Da sitzen Deutsche und Franzosen im gleichen Boot, wie Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV) am Montag erläuterte: „Die französischen und deutschen Bauern haben dieselben Probleme: die Erzeugerpreise für Schweinefleisch, Milch sowie Obst und Gemüse sind stark gesunken und stehen weiter unter Druck.“ Nur die Kritik an den Lohnkosten im Agrarbereich lässt er nicht gelten. Mit der stufenweisen Angleichung an den Mindestlohn sei dies nicht mehr begründet.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte liegt außerhalb der EU. Das Russland-Embargo und die schwächelnde Konjunktur in bevölkerungsreichen Märkten wie China, dienen als Generalentschuldigung für niedrige Preise. Auf der belgischen Landwirtschaftsmesse in Libramont haben der europäische Bauern- und Genossenschaftsverband Copa-Cogeca am Wochenende auf die „exzellente Qualität europäischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse“ hingewiesen und auf die „miserable Marktlage, der die Landwirte gegenüberstehen“.

Die Schlussfolgerung, so sind sich Copa-Cogeca und der DBV einig, lautet: „Exportieren, exportieren, exportieren“, wie Copa-Präsident Albert Jan Maat in Belgien sagte. Die EU müsse mehr Wert darauf legen.

Einer von vielen Mitspielern

Doch, was passiert, wenn Asien, Afrika und Südamerika keinen Westfälischen Schinken, Abensberger Spargel oder Obadzda mehr mögen [3]? Dann werden aus Berufskollegen Konkurrenten, mahnt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Die AbL erklärte sich prompt mit den französischen Bauern solidarisch „gegen die weitere Ruinierung von Bauernhöfen und für kostendeckende Erzeugerpreise“. Der AbL-Bundesvorsitzende Ottmar Ilchmann erklärte: „Die agrarindustrielle und perspektivlose Überproduktionsstrategie großer Genossenschafts- und Lebensmittelkonzerne mit dem Ziel einer Eroberung der Weltmärkte schadet in allen EU-Ländern und auch in den Export-Empfängerländern den bäuerlichen Betrieben.“

Deutschland und Frankreich sind starke Agrarnationen in der EU. Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, fordert beide Agrarminister auf, sich zusammenzusetzen. „Die Lage ist auf beiden Seiten der Grenze dramatisch.“ Mit Blick auf die deutschen Verantwortlichkeiten machte er in der Neuen Osnabrücker Zeitung die Exportorientierung von Politik und Bauernverband für die derzeitige Niedrigpreiskrise aus. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt reagierte schnell. Er hatte sich erst in der vergangenen Woche mit seinem Amtskollegen Stéphane Le Foll getroffen und einen Vorschlag für eine Sondersitzung des Agrarministerrates eingereicht. Dieser wird am 07. September einberufen.

Proteste vor der DMK

Zumindest die deutschen Milchbauern haben am Freitag Flagge gezeigt. 25 Milchviehhalter der AbL und des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) sind mit ihren Traktoren vor die Geschäftsstelle des Deutschen Milchkontors (DMK) im norddeutschen Zeven gezogen. Das DMK hat im Juni nur noch 27 Cent pro Kilo Milch ausgezahlt: „Jetzt reicht es“, sagte Ottmar Ilchmann. „Dieser Preis zerstört bäuerliche Strukturen. Wir können Rechnungen nicht mehr bezahlen und für einige Milchbauern stellt sich jetzt schon die Existenzfrage.“

Seit Mai wird in Deutschland mehr Milch angeliefert als im Vorjahr, obwohl die internationalen Märkte fehlten, kritisieren die Milcherzeuger. Entspannung sei nicht in Sicht. Beim internationalen Taktgeber „Global Dairy Trade“ ist der Preis über alle Milchprodukte jüngst um weitere zehn Cent gefallen. „Die Molkerei-Verantwortlichen werden nicht müde, uns zu versichern, dass der Weltmarkt große Chancen bietet. Aber die aktuelle Situation zeigt, lediglich für die exportorientierten Molkereien bieten sich große Chancen.“ Sie setze überschüssige Milch zu niedrigen Preisen auf dem Weltmarkt ab und sichert sich auf diese Weise Marktanteile, kritisiert Johanna Böse-Hartje vom BDM. Lösung? „Das Überangebot von Milch muss umgehend verringert werden“.

Kein Konzept

Marktbeobachtungsstellen, private Lagerhaltungen oder Förderungen haben bislang die Effekte des EU-Ausstiegs aus der staatlichen Agrarpolitik nicht mindern können. 2017 droht mit dem Ende der Zuckerquote das nächste Marktsegment zu kippen, beim Weinbau hat die gemäßigte Erhöhung der Rebenflächen vorerst für Milderung gesorgt. Wo ist das Modell für den Erhalt einer flächendeckenden Landwirtschaft, die von den Verbrauchern auch akzeptiert wird? Am Montag zeigten sich nur die üblichen Reflexe der Verdächtigen. Dabei liegt ein Diskussionspapier für einen grundlegenden Wandel auf dem Tisch [4]. Zumindest räumt es der Landwirtschaft einen besonderen gesellschaftlichen Stellenwert ein.

Lesestoff:

[1] Keine Hoffnung auf dem Schweinemarkt

Zwischen Erfolg und Misserfolg von Milchviehbetrieben liegen zehn Cent

[2] Frankreich stürzt im Agrarsektor ab

[3] Obadzda g.g.A.

[4] Grüne wollen ab 2020 keine Direktzahlungen mehr

Roland Krieg

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