Wer verliert beim Bioboom?

Landwirtschaft

Es leiden die Nettonutzer

Am Biomasseboom können auch die Kleinbauern in den Entwicklungsländern profitieren. Haben sie Land übrig und pflanzen Bäume, nutzen sie Kooperativen für den Absatz von regionalen Ölpflanzen, dann erhöht sich deren Einkommen und Wohlstand. Aber es gibt auch klar definierte Verlierer: Die „Nettonutzer“. Klein- und Kleinstbauern, die abseits der Straßen produzieren, in unwegsamen Gelände leben und von allen Beratungen, Infrastrukturen und Märkten abgeschnitten sind. Prof. Tangermann, OECD, und Michael Windfuhr von Brot für die Welt kommen auf die gleichen Zahlen. Rund 2,2 Milliarden Kleinbauern sind betroffen, von denen rund ein Fünftel noch nicht einmal eigenes Land besitzt. Sie haben keinen Sinn für Biomasseproduktion, keine Möglichkeit, mehr als das Nötigste zum Leben anzubauen und leiden direkt unter steigenden Preise: Für Lebensmittel und Energie. Das ist die gleiche Klientel, die unter Hunger und Fehlernährung leidet und im Fokus der Armutsbekämpfung stehen.

Das Recht auf Nahrung und das Recht auf Bioenergie
Nach Angaben der FAO müssen die Armen und Landlosen bis zu 80 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben. Berechnungen zeigen, dass die Kalorienaufnahme weltweit im Vergleich zu steigenden Preisen im Verhältnis von 1:2 zurückgeht. Setze sich dieser Trend fort, dann bringt jeder Anstieg der Lebensmittelpreise um einen Prozentpunkt rund 16 Millionen Menschen in einen unsicheren Ernährungsstatus. Nach Angaben der FAO wird der Nahrungsmittelpreis zunehmend an den Preis für Erdöl geknüpft. 82 der Länder mit geringem Einkommen sind Nettoimporteur von fossilen Energieträgern.
FAO

Es fehlen gute Beispiele für eine nachhaltige Produktion und die Bauern haben ein Beratungsdefizit stellt Dr. Stephen Obiero Anyango von der Kenyatta Universität in Kenia fest. Die Bauern könnten Pflanzen anbauen, die sie schon kennen. Jatropha als Ölpflanze auf kargen Standorten muss nicht als Plantage angebaut werden, sondern kann als lebende Hecke rund um ein Feld auch der Winderosion vorbeugen. Sie eignet sich auch als Zwischenfrucht.

Die Suche nach dem Ausweg
Künftige Klimaveränderungen werden Berechnungen jedoch noch manchen Strich durch die Rechnung machen. Alexander Müller von der FAO führte Studien zusammen, die bei Mais und Getreide schon jetzt in den Entwicklungsländern sinkende Erträge nachweisen. In den gemäßigten Klimaten tritt der Effekt erst bei einer Erwärmung von drei bis vier Grad Celsius ein – wenn die tropischen Ländern bereits 40 Prozent weniger Mais- und Getreide ernten.

Ein großer Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche wird nicht für die Produktion von Nahrungspflanzen genutzt. In Brasilien zum Beispiel wird fast die Hälfte er landwirtschaftlichen Fläche für die Produktion von Soja genutzt, das fast ausschließlich zu Tierfutter für den Export verarbeitet wird. Die Produktion der weltweit ca. 300 Millionen Tonnen Fleisch braucht beispielsweise ca. 20 mal mehr Fläche als die Produktion von Getreide und Gemüse.
Misereor: „Bioenergie“ im Spannungsfeld von Klimawandel und Armutsbekämpfung

Prof. Andre Faaij von der Universität Utrecht aus den Niederlanden führte verschiedene Szenarien auf, denen die Menschen folgen könnten. So wäre es denkbar, dass die Ackerbaufläche trotz der Herausforderungen weltweit auch weniger werden kann und sich die Waldfläche ausdehnt. Technische Effizienz heißt das Zauberwort, dass auf weniger Fläche mehr Erträge hervorbringt und marginale Flächen in Wert setzt. Diese Lösung passe sogar zu einer wachsenden Weltwirtschaft, da der technische Fortschritt ökonomische Wertschöpfungen biete. Die Feldfrüchte der Zukunft wachsen mit weniger Wasser, brauchen weniger Land und schützen den Boden.
Die aktuelle erste Generation der Energiepflanzen hingegen erhöht den Druck auf die Landnutzung und die Preise. Die der zweiten Generation hingegen bieten verwertbares Lignin und verwertet mehr Reststoffe. Danach werde sich die Welt der optimierten Umwandlung der Biomasse zuwenden und mit Bioraffinerien viele Produkte herstellen.
Das gehe allerdings nicht mehr mit jährlich angebauten, sondern mit mehrjährigen Pflanzen, die selbst von marginalen Flächen drei Tonnen Biomasse erzeugen. Die holländische Formel: 100 Exajoule aus Reststoffen, 100 EJ von marginalen Flächen und 200 EJ von guten Ackerböden. Dazu bräuchte man rund 10 Prozent der Erdoberfläche, etwa ein Fünftel der derzeitigen Acker- und Weideflächen. Die 400 EJ decken nach seinen Berechnungen dann ein Drittel des zukünftigen Energiebedarfes.

Zertifikate und Ökolandbau
Zertifizierungen, wie sie im Klimapaket der Bundesregierung vorgesehen sind, werden auf der Konferenz „Policies against Hunger“ auch skeptisch gesehen. Michael Windfuhr von Brot für die Welt kann sich nicht vorstellen, dass in den Zertifikaten Klimaeffekte oder Landnutzungssysteme widergespiegelt werden können.

Der Zugang zu Landressourcen und die Klärung und Sicherung traditioneller Besitz- und Nutzungsrechte ist eine notwendige Voraussetzung für einen tragfähigen Ausbau der Bioenergienutzung und der Sicherung von Ernährung. Hierfür ist eine nationale Landnutzungsplanung vonnöten, die die lokale Bevölkerung einbezieht, sie vorab informiert und ihre Entscheidungsfreiheit respektiert (free prior informed consent).
Eine Forderung zur Konferenz der „Plattform Nachhaltige Bioenergie“: Forum Umwelt und Entwicklung; WWF Deutschland

Prof. Faaij kam bei seiner Perspektive ohne den Ökolandbau aus. „Ja, das stimmt,“ sagte er zu Herd-und-Hof.de. Als Hauptgrund nannte er den nicht zu bewältigenden Flächenbedarf und die mit dem Wirtschaftsweise verbundene Ideologie. Als die Niederländer in den 1980er Jahren mit dem Image ihrer landwirtschaftlichen Produkte auf dem Tiefststand angelangt waren, haben sie geschaut, welche Punkte, wie beispielsweise die Bodennutzung, sie aus dem Ökolandbau übernehmen könnten. Die ökologische Wirtschaftsweise hat viele interessante Punkte, wie geschlossene Wirtschaftskreise, von denen die konventionelle Landbewirtschaftung lernen könne. Aber eine Berücksichtigung in den Berechnungsmodellen findet sie nicht.

Roland Krieg

[Sie können sich alle Artikel von Herd-und-Hof.de zur Konferenz unter „pah-6“ in der Suche anzeigen lassen. Alle Präsentationen der Vorträge werden demnächst unter www.policies-against-hunger.de veröffentlicht.]

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