Wertschätzungsagentur Steuersäckel
Landwirtschaft
Eine Milliarde Schritte zurück
Nicht nur einmal, aber unter anderem, auf dem Milchforum des Deutschen Bauernverbandes (DBV) im Jahr 2017 hatte Staatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens, davor gewarnt, dass Finanzpakete aus zwei Mal einer halben Millionen Euro nicht noch einmal zusammen kommen werden. Zwei Jahre zuvor hatte die EU die Pakete gegen die Milchkrise geschnürt. Zwei Jahre zuvor hieß es bereits, das Geld ändert nichts an den grundlegenden Fehlern der europäischen Milchpolitik [1].
Dr. Aeikens ist keine 30 Tage im Ruhestand, da löst der Koalitionsausschuss das nächste Ticket für die Landwirtschaft in Höhe für eine Milliarde Euro.
Eine Milliarde für die Bauern
Ministerin Julia Klöckner begründet das Geld so: „Uns ist wichtig, die Landwirtschaft zukunftsfähig aufzustellen. Und wer Erwartungen an die Branche formuliert, die im Allgemeininteresse liegen, der muss unseren Bauern auch helfen, diese zu erfüllen. Dazu gehört auch finanzielle Unterstützung, das haben wir immer deutlich gemacht. Denn die Umsetzung neuer Anforderungen verursacht Kosten – hiermit dürfen wir die Landwirte nicht alleine lassen. Es ist deshalb gut, dass die Koalition hier nun gemeinsam handelt. Den Beschluss von heute Nacht begrüße ich ausdrücklich. Es ist eine wichtige und notwendige Hilfe, auch ein klares Zeichen der großen Wertschätzung. Durch entsprechend ausgestaltete Programme wollen wir sicherstellen, dass das zusätzliche Geld so einfach und pragmatisch wie möglich dort vor Ort ankommt, wo es benötigt wird.“
Das Geld soll „unsere Landwirtschaft nachhaltig und zukunftsfähig aufstellen“, sagte Alois Gerig, Vorsitzender des Ernährungsausschuss im Bundestag. Er verweist auf Details, die noch ausgehandelt werden müssen.
Max von Elverfeldt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst, sieht das ähnlich: „Es ist richtig, dass die Bundesregierung im Zuge der anstehenden Reformprozesse auf die Sorgen der Bauernfamilien eingeht. Die jetzt getroffene Entscheidung zeigt, dass zusätzliche Leistungen und Aufwendungen der Landwirtschaft, die von der Gesellschaft eingefordert werden, von dieser auch honoriert werden sollen.“ Das Geld werde im Rahmen eines Maßnahmenbündels über vier Jahre hinweg zur Abfederung der Düngeverordnung und für die anstehende Transformation zur Verfügung gestellt.
Mehr Unterstützer gibt es nicht. René Rempt [2] schlug auf Twitter den Begriff „Bauernmilliarde“ gleich als Unwort des Jahres vor. Ferner schreibt er, das Geld werde nicht positiv gesehen, sondern als Versuch, die Bauern weiterhin abhängig von Staatsgeldern zu machen. Für die FDP-Bundestagsabgeordnete Carina Konrad kaschiert das Geld die Versäumnisse der Vergangenheit.
Der Deutsche Bauernverband gibt sich ausbalanciert: „Die Entscheidungen des Koalitionsausschusses sind ein starkes Signal der Wertschätzung an uns Bauern. Aber Geld allein löst die Herausforderungen nicht.“ Fachliche Mängel bei der Düngeverordnung und beim Insektenschutz würden dabei nicht angegangen.
Handlung ohne Wirkung
Kaum ein Artikel der Donnerstag erschienenen Ausgabe „Die Zeit“ wurde schneller bestätigt als die vom 30. Januar. Bernd Ulrich beschreibt auf einer ganzen Seite die Realitätsferne der Politik anhand von sieben Mustern. „Handlungen ohne Wirkung“ und „Vorschläge für die mediale Aufmerksamkeit“ sind die ersten Muster, die der Autor beschrieben hat.
Seit Monaten versucht die Regierung vom Erzeuger bis zum Konsumenten eine gemeinsame Linie zu finden. Wer bezahlt Tierwohlställe, wer gleicht sinkende Agrarpreise aus? Ein Hüftschwung und alles ist dahin?
Julia Klöckner hatte auf der Bauerndemo am 26.November eine Wertschätzungsagentur vorgeschlagen. Mit deren Hilfe sollten Konsumenten die Arbeit der Bauern besser kennenlernen und freiwillig Produkte mit höheren Standards einkaufen. Aus der Wertschätzungsagentur wurde der Senkel für das Steuersäckel. Den Konsumenten wird signalisiert, kauft weiter billig ein, am Ende gleicht der Staat mit seinen Steuergeldern den angerichteten Schaden wieder aus.
Kosmetik statt Lösung?
„Probleme werden nicht wirklich gelöst“, sagte FDP-Chef Christian Linder, „sondern irgendwie mit Milliarden Euro der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zugeschüttet.“ Es fehlten nach wie vor „faire Rahmenbedingungen und wissenschaftlich fundierte Politik“.
Nicht, dass es keine Ideen gibt. Wie die Bauern selbst sagen, wollen sie Agrar- und Umweltprogramme umsetzen, aber nicht auf Kosten des Einkommens und für mehr als eine Entschädigung.
Kirsten Tackmann kritisiert das Verschieben der Probleme auf die Gesellschaft. Mit dem Geld „werden wieder nur Symptome gelindert, wo dringend strukturelle Ursachen behoben werden müssen. Dafür wird dringend eine ernsthafte Diskussion zu einem sozialverträglich ausgestalteten Umstieg zu einer flächengebundenen landwirtschaftlichen Tierhaltung gebraucht. Einschließlich einer Deckelung der Tierbestände in Regionen und an Standorten“, erläutert die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion.
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter spricht sogar von „Hohn für die Landwirte, die sich seit Jahren dafür einsetzen, dass man mit politischem Handeln die Ursachen der katastrophalen wirtschaftlichen Situation der Bäuerinnen und Bauern angeht.“ „Mit diesen Milliarden Verlusten hätte man viele Maßnahmen für Umwelt, Klima, Artenschutz und Tierwohl angehen können“, stellt BDM-Vorsitzender Stefan Mann fest. „Geld, das den Bäuerinnen und Bauern für die Zukunft unwiederbringlich fehlt und die Exportstrategien der Ernährungsindustrie unterstützt hat.“ Staatliche Gelder können nur Anreize geben und niemals fehlende Wirtschaftlichkeit der Betriebe ausgleichen.
Selbst CDU-Agrarministerin Barbara Otte-Kinast aus Niedersachsen ist unzufrieden: „Die Milliarde ist ein gutes Signal, aber langfristig nicht der richtige Weg. Wir brauchen verlässliche, klare Rahmenbedingungen für unsere Bauern und wollen, dass unsere niedersächsischen Forderungen zur Änderung der Düngeverordnung umgesetzt werden. Damit soll das Verursacherprinzip gelten.“
Fehlende Wirksamkeit attestiert Linkspolitiker und Thüringens Agrarminister Dr. Benjamin-Immanuel Hoff. Die Betriebe bräuchten das Geld möglichst sofort und da, wo es Umstellungsbedarf gebe. „Für neue Agrarumweltprogramme, die seitens des Bundes angestrebt werden, fehlt der zeitliche und inhaltliche Vorlauf. Wir dürfen keine Versprechen machen, die sich beim näheren Hinsehen als Sand in den Augen der Agrarbetriebe herausstellen.“
Bevor die ersten Gelder fließen wird die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) möglicherweise schon stehen. Die Milliarde kann kein Ersatz dafür sein, sich für eine faire und umweltgerechte GAP einzusetzen.
Lesestoff:
[1] Braucht die Milchwirtschaft einen Branchenverband? https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/braucht-die-milchwirtschaft-einen-branchenverband.html
[2] Mit dem grünen Kreuz zur MeLa: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/mela-die-stimmung-kippt.html
Roland Krieg
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