Wettbewerb trotz wachsender Restriktionen

Landwirtschaft

Ackerbautagung des Deutschen Bauernverbandes

Nach der Rekordernte im letzten Jahr gehen die aktuellen Schätzungen der diesjährigen Ernte in Deutschland mit 49,5 Millionen Tonnen Getreide erneut von einer überdurchschnittlichen Ernte aus. Wieder waren die Witterungs- und Aussaatbedingungen gut. Volle Scheunen sind jedoch kein Garant für große Freude. Bereits zum dritten Mal lädt der Deutsche Bauernverband (DBV) seit Dienstag zur Ackerbautagung nach Berlin. Neben den Märkten stellt die Gesellschaft auch die Ackerbauern vor neue Herausforderungen, sagte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Hinzu kommen politische Rahmenbedingungen, die den Landwirt als Unternehmer einschränken. Die Bauern sollen wettbewerbsfähig auf einem globalisierten Markt bleiben und beste Sorten sowie bestes Management bei immer mehr Restriktionen, wie zuletzt der Bann der Neonicotinoide, bewältigen. Politisch umgesetzte Vorstellungen wie die Dünge-Verordnung zeigten, wie weit sich Wissenschaft und Politik von der bäuerlichen Praxis entfernt hätten.

In der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) konnte nach Rukwied das schlimmste verhindert werden. Ursprünglich waren zehn Prozent Ökologische Vorrangfläche vorgesehen. Am Ende wurden es fünf Prozent, die zudem auch landwirtschaftlich genutzt werden dürfen. Weitere Restriktionen gibt es im Bereich der Pflanzenschutzmittel, weil immer weniger Wirkstoffe übrig blieben. „Ohne Pflanzenschutzmittel gibt es keine sichere Welternährung“, unterstrich Rukwied.

Fortschritte nicht wahrgenommen

Wolfgang Vogel, DBV-Fachausschuss-Vorsitzender für Getreide, listete auf, was die Gesellschaft mittlerweile vergessen hat: Vor 100 Jahren arbeiteten noch 33 Prozent der Menschen in der Landwirtschaft. Heute sind es nur noch zwei Prozent. Die landwirtschaftliche Nutzfläche hat sich auf 0,2 Hektar pro Kopf mehr als halbiert, doch die Weizenerträge sind von 20 auf 80 dz pro Hektar angestiegen. Statt vier Menschen ernährt ein Landwirt heute 144 Personen.

Fortschritt ist der wesentliche Treiber dieser Errungenschaften, die von der Branche nicht aufgegeben werden wollen. Die Landwirte haben heute allerdings mit ganz anderen Zwängen zu kämpfen.

So wollte die EU vor sechs Jahren die Regeln für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln vereinfachen und ist bis heute noch zu keinem Ende gekommen. Die Zulassung geht heute weder schneller, noch einheitlicher im Binnenmarkt, beklagt Vogel. Das Umweltbundesamt als Einvernehmensbehörde denkt derzeit sogar laut über Ausgleichsflächen für die Flächen nach, die mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. „Das kann nicht sein“, kritisiert Vogel. Weil immer weniger Wirkstoffe auf dem Markt verbleiben, sind die Hersteller zu Mischungen übergegangen, um neue Effekte zu erzielen. Es bleibt offen, ob das mehr Marketing oder wirkliche Innovation ist.

Skeptisch zeigt sich Vogel für eine Lösung zur Dünge-Verordnung. Die Positionen von Landwirtschafts- und Umweltministerium lägen so weit auseinander, dass keine Fortschritte zu verzeichnen sind. An einen Abschluss noch in diesem Jahr glaubt Vogel nicht mehr.

Der praktizierende Landwirt kann aber auch Positives vermelden. Das Greening der GAP führt zu mehr Anbau von Leguminosen auf den Feldern. Das bietet den Landwirten neue Marktchancen. Allerdings haben die Züchter Nachholbedarf, denn es fehlen leistungsfähigen Sorten.

Nicht nur ein deutsches Problem

Nach Guy Smith, Vizepräsident der National Farmers Union in Großbritannien, haben die Berufskollegen in England die gleichen Problemen. Das Wechselspiel zwischen Trockenheit und Überflutung nordöstlich von London, wo Smith eine Farm betreibt, hat ihm in den letzten Jahren zunehmende Volatilität bei den Erzeugerpreisen gebracht. Die Klimabedingungen werden die Landbewirtschaftung verändern müssen und erfolgreich bleibe nur der Bauern, der mit den Unwägbarkeiten des Wetters und volatilen Preisen am besten klar komme.

Ein Blick auf die britischen Ertragskurven zeigt in den letzten 30 Jahren stagnierende bis sinkende Werte. Das liege nicht nur in sinkender Forschungsfinanzierung, Bodenmüdigkeit oder fehlenden Sorten. Ein Grund sei die Politik, die mit immer mehr Restriktionen wie in Deutschland die gesellschaftlichen Anforderungen praxisfern umsetze und stattdessen auf steigende Importe von Lebensmittel setzt. Dabei sollte der Begriff „Ernährungssicherheit“ den gleichen Stellenwert wie „Energiesicherheit“ besitzen, erklärte Smith. Da setzt die EU auf eine Reduzierung der Importabhängigkeit.

Einmal im Jahr zählt Smith die brütenden Vögel auf seiner Farm und Pflanzen, die für den Erhalt der Biodiversität stehen. Er forderte alle Landwirte auf, mit dieser Inventur auf die Umweltleistungen aufmerksam zu machen. Das könnte das schlechte Bild revidieren, das von mancher Nichtregierungsorganisation gemalt werde. Die zählten nur auf kleiner Fläche, was nicht mehr vorhanden sei. Eine breite Datenbasis aller Farmen käme dem wirklichen Status der Biodiversität näher.

Pflanzenschutz ist auch in Großbritannien ein Thema. Smith schlägt über den europäischen Bauernverband Copa eine gesamteuropäische Kommunikation an die Bürger vor, um auf die Bedeutung des Pflanzenschutzes aufmerksam zu machen.

Bauernpräsident Rukwied nimmt das gerne auf. Auf dem kommenden Bauerntag in Erfurt wird der DBV ein neues Kommunikationsmodul vorstellen, das die Landesbauernverbände auch für diese Zwecke nutzen können.

Roland Krieg

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