Wie der Boden als Kohlenstoffsenke funktioniert
Landwirtschaft
Mikroorganismen und Kohlenstoffbindung im Boden
Kohlenstoff ist das wichtigste Element für alles Leben auf der Erde. Es zirkuliert im sogenannten Kohlenstoffkreislauf zwischen Atmosphäre, Ozeanen und Ökosystemen an Land. Während sich ein Kohlenstoffatom in der Atmosphäre im Durchschnitt nur drei Jahre aufhält, bevor es durch pflanzliche Photosynthese gebunden und in Biomasse umgewandelt wird, verweilt es in Landökosystemen im Durchschnitt für 23 Jahre, bevor es durch mikrobielle Zersetzung toter Biomasse wieder als CO2 in die Atmosphäre entweicht. Bei dieser mikrobiellen Zersetzung toter Biomasse verbleibt jedoch ein Teil des Kohlenstoffs im Boden, wo er dann für sehr lange Zeiträume gebunden sein kann – in tieferen Bodenschichten wird die Verweildauer auf hunderte bis einige tausend Jahre geschätzt.
Der Boden lebt
Welche Rolle Mikroorganismen bei der Bindung von Kohlenstoff im Boden spielen haben das Team um Christina Kaiser von der Universität Wien und Ingrid Kögel-Knaber von der Universität München erforscht. Das Leben der kleinsten Bodenorganismen spielt sich in einer hochkomplexen Umwelt ab. „Wie viel Kohlenstoff von Mikroorganismen abgebaut oder in langfristig speicherbare Biomasse umgewandelt wird, hängt demnach nicht nur davon ab, wie viel Kohlenstoff und wie viel Mikroorganismen sich in Summe im Boden befinden, sondern auch sehr stark von der Wahrscheinlichkeit, ob sich ein Mikroorganismus und eine organische Kohlenstoffverbindung auf der mikroskopisch kleinen Skala im Boden überhaupt treffen. Je ungleichmäßiger die räumliche Verteilung von Mikroorganismen und Kohlenstoff im Boden ist, desto größer ist die Chance, dass ein Kohlenstoffmolekül isoliert ist, und daher nicht abgebaut wird", erläutert Kögel-Knaber.
Soziale Interaktionen
Die chemische Diversität von toter Biomasse im Boden spielt eine große Rolle. Für jede Art von Molekül müssen Mikroorganismen, die es abbauen wollen, erst die dafür geeigneten Enzyme produzieren. Wenn die abzubauenden Moleküle sehr verschieden sind und von jeder Molekülart dafür aber nur wenig vorhanden ist, zahlt es sich für Mikroorganismen nicht immer aus, in die Produktion von vielen verschiedenen Enzymen zu investieren. Nicht jedes neue Enzym verspricht einen „Gewinn“ in Form gewonnener Energie. Wie viel eine Investition bringt, ist jedoch für eine Bodenmikrobe von großer Bedeutung, da sie in starkem Konkurrenzkampf mit vielen anderen Bodenmikroorganismen steht. Manchmal formen sich dadurch Allianzen zwischen Mikroorganismen, um Ressourcen gemeinsam besser in einer Gruppe aufschließen zu können. Diese vielfältigen Interaktionen zwischen Mikroorganismen können zu emergenten Phänomenen, also einer Art „Selbstorganisation“ der mikrobiellen Gemeinschaft führen, die sich wiederrum auf Kohlenstoffabbau und -speicherung auswirkt.
Bodenbearbeitung
Solche funktionellen Komplexe aufzudecken haben Auswirkungen. Das Verständnis sorgt für eine Prognose für die Stabilisierung von Kohlenstoff im Boden. Die Mechanismen verbessern Klimavorhersagemodelle und sollen auch in neue Bearbeitungstechniken des Bodens führen.
Lesestoff:
Christina Kaiser, Ingrid Kögel-Knabner et al.(2020), Persistence of soil organic carbon caused by functional complexity, Nature Geoscience. DOI: 10.1038/s41561-020-0612-3
https://www.nature.com/articles/s41561-020-0612-3?fbclid=IwAR25_1cAGAIjHKEQ2rwAkn_Pywr9GKiH66JiOWn1tquCZz09iA8VE9P8nQU
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