Wie entwickelt sich der Ökolandbau?

Landwirtschaft

Ökolandbau braucht neuen strategischen Ansatz

Die BioFach wähnt den Besucher in einer Welt, in der die Branche langsam aber stetig zulegt. Dr. Till Backhaus, Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern, widerspricht diesem Eindruck. Er mache sich „große Sorgen“ um den Fortbestand, weil die Preisdifferenzen zwischen konventionellen und Ökoprodukten abnehmen. Vor allem beim Rindfleisch sind es nur noch sechs Prozent, so dass kaum noch einer in die ökologische Rindermast einsteige. Backhaus fürchtet spätestens im nächsten Jahr eine Welle der Rückumstellungen, sagt er auf der BioFach. Das Küstenland investiere jährlich rund 15 Millionen Euro in die Umstellung und für den Verbleib im Ökolandbau, so Backhaus - was jedoch von der Preispolitik des Lebensmitteleinzelhandels konterkariert werde.
Vor dem Hintergrund des neuen EU-Budgets werde der Ökolandbau nur profitieren, wenn die 15 Prozent Modulation aus der ersten in die zweite Säule realisiert werden. Auch die großen Ökobetriebe im Norden leiden unter der Konkurrenz der Ökoimporte aus Rumänien, Ungarn und Bulgarien, so Backhaus.

Mehr Qualität

Auch wenn die BioFach weniger Aussteller aufweist, habe sie doch an Profil und Qualität gewonnen, erläuterte Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes. Aus Kulap-Mitteln unterstütze der Freistaat den Ökolandbau mit 40 Millionen Euro im Jahr und hat erst vor kurzem ein neues Förderprogramm für die Rahmenbedingungen aufgelegt [1]. Doch auch Heidl sieht die Gefahr, dass dem heimischen Bauern Markt verloren gehen, wenn die Discounter die Billigimporte aufnehmen. Daher müsse vor allem den Verbrauchern der Mehrwert der ökologischen Produktion erklärt werden und warum die Produktionskosten höher liegen. Eine festgelegte Preisdifferenz zwischen konventionellen und Ökoprodukten lehnt Heidl ab. Auch wenn er nicht mit dem EU-Budget zufrieden ist, zeigte der Bauernpräsident Verständnis für die Situation. Der Finanzrahmen sei unter Spardruck entstanden und die Mittel müssten jetzt effizienter eingesetzt werden. Um den Bauern das Geld für die Direktzahlungen nicht zu kürzen, lehnt Heidl eine Modulation von 15 Prozent ab.

Auf das EU-Budget, nationale Förderungen und Modulationshöhen von 15 Prozent wollte Carsten Niemann, stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Ökolandwirtschaft im Deutschen Bauernverband, gar nicht erst eingehen. Die Diskussion drehe sich zu sehr um einen Nachteilsausgleich, den die Biobetriebe für gesellschaftliche Leistungen wie den Erhalt der Biodiversität oder den Schutz des Trinkwassers aufwenden. Ein Vergleich mit den „Ramschpreisen“ der konventionellen Produkte sei der falsche Weg, wie der aktuelle Skandal um das Pferdefleisch zeige. Es wurde bislang ausschließlich in Eigenmarken des Lebensmittelhandels gefunden, nicht in Qualitätsware.
Wenn es gelinge, den Preisdruck aufzuheben, so Niemann weiter, dann könnten sich konventionelle und ökologische Landwirtschaft beiderseits weiter entwickeln.

Große Ökobetriebe in der Kritik

In der letzten Zeit mehrt sich die Kritik an den großen Ökobetrieben in Ostdeutschland. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) spricht bereits von Agro-Bio-Industrie. Gegenüber solcher Kritik verwahrte sich Dr. Backhaus gegenüber Herd-und-Hof.de. Die Strukturen sind historisch gewachsen. Ob großer oder kleiner Betrieb, spiele nicht die Rolle; sondern wie der Betrieb geführt werde. Die größeren Strukturen können durch besseres Knowhow und technischen Fortschritt sogar an ökologischem Profil gewinnen. Zudem hat auch Mecklenburg-Vorpommern eine Exporttradition. Nicht nur die Hälfte der deutschen Ökoeier komme aus dem Norden, sondern auch jeweils rund 20 Prozent des Öko-Rind- und Schweinefleisches. Außerdem verkaufe Mecklenburg-Vorpommern Bio-Milch bis in den Mittleren Osten. Ein Auftrag, der auf der diesjährigen BioFach erneuert wurde.

Auch Carsten Niemann empfindet die Diskussion um große Ökobetriebe als hinderlich. Ziel sollte es sein, die Menschen zu 100 Prozent mit Bioprodukten zu ernähren. Das ist nur möglich, wenn alle Betriebsformen und alle Vertriebskanäle ausgenutzt werden können. Eine Branche, die mittlerweile eine Umstellungsfläche von über eine Million Hektar erreicht habe, sollte sich so eine Diskussion nicht leisten. Je nach Verbandsbrille könnte über Bestandsobergrenzen an einzelnen Standorten diskutiert werden, aber nicht in Form einer generellen Strukturdebatte.

Das ist auch im Interesse von Bauernpräsident Heidl. Vor allem die Ökobetriebe in Bayern sind klein und die Milchbetriebe halten mit einer Schonfrist bis Ende 2013 die meisten Kühe noch immer in den alten Anbindehaltungen. Deren Betriebsleiter stehen vor der Entscheidung, ob sie überhaupt noch in neue Stallformen investieren können oder den Betrieb aufgeben. Das müsse man den Verbrauchern auch erklären, ergänzte Niemann: „Wir wollen diese Betriebe nicht verlieren.“

Ökolandbau 2030

Wo der Ökolandbau im Jahr 2030 steht ist noch ungewiss. Für Niemann wäre 100 Prozent Ökolandbau wünschenswert, aber kaum realistisch. Dafür müsse mehr in den Berufsnachwuchs investiert werden.
Auf eine Prozentzahl wollte sich Heidl nicht festlegen. Am Ende entscheidet der Verbraucher, ob die Leistungen in Euro auch wieder auf den Betrieb zurückfließen.
Dr. Backhaus hat da schon einen konkreteren Vorschlag. Jährlich rund 50 Millionen Euro aus der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) sollten in eine Initiative für nachhaltige Landwirtschaft fließen, die sowohl den konventionellen als auch den ökologischen Landbau weiterbringe. Bis 2030 will Backhaus in seinem Bundesland die Kita-Verpflegung auf 100 Prozent Bio umstellen, um über die Produkte auch das Gesamtkonzept an die Kinder und in die Familien zu bringen.
Die Branche hat derzeit einen weiteren Vorteil: Sowohl auf der Erzeuger- als auch auf der verarbeitenden und Handelsebene, agieren die Bio-Akteure als Klein- und mittelständische Unternehmen auf Augenhöhe. Nach Niemann solle die Branche die Gelegenheit nutzen, nicht nur Ware auszutauschen, sondern Verantwortung für die ganze Kette und die natürlichen Ressourcen zu übernehmen.

Lesestoff:

[1] BioRegio 2020

Roland Krieg, Fotos: roRo

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