Wie funktioniert Trockentoleranz?
Landwirtschaft
Dürretolerante Pflanzen verhalten sich wie Samen
Von der These, dass ein einzelnes Gen für neue Eigenschaften verantwortlich ist, haben sich Pflanzenzüchter schon lange verabschiedet. Meist sind es mehrere Gene und dann noch an verschiedenen Orten, die in einem Zusammenspiel auf höherer Ebene, epigentisch sagen die Botaniker, einen Charakter prägen.
So lassen sich Pflanzen eben nicht mit einem neuen Gen auf den Klimawandel vorbereiten. Doch wie werden Pflanzen trockentolerant? Die Wissenschaft fördert zwar immer wieder neue Erkenntnisse an den Tag, die am Ende auch für die praktische Nutzpflanzenzüchtung wichtig werden. Doch meist können Botaniker die Eigenschaft Trockentoleranz und Nicht-Trockentoleranz nur mit zwei weiter entfernten Pflanzen vergleichen. Manche Pflanzen kommen mit wochenlangem Wassermangel gut zurecht, andere nehmen bereits bei kurzfristigem Mangel Schaden.
Die wassersensible Schwester
Der Bonner Botaniker Eberhard Fischer hatte glücklicherweise von einer Exkursion nach Ostafrika zwei Pflanzenarten mitgebracht, die derselben Gattung der Lippenblüter angehören. Damit sind sie eng miteinander verwandt. Es zeigte sich, dass Lindernia brevidens Trockenphasen problemlos übersteht. Hingegen reagiert Lindernia subracemosa viel sensibler auf Mangel des flüssigen Lebensspenders.
Prof. Dr. Dorothea Bartels vom Institut für Molekulare Physiologie der Uni Bonn hat die Genome beider Arten sequenziert und schon beim ersten Vergleich erstaunliche Unterschiede gefunden. Die genetische Ausstattung beider Pflanzen ist zu 90 Prozent identisch. Einige Gene, die mit der Eigenschaft Trockentoleranz in Verbindung stehen, liegen bei L. brevidens in deutlich höherer Zahl vor. Manche von ihnen sogar in bis zu 26 Kopien.
Im Dienst der Wissenschaft dürsteten beide Pflanzen vor sich hin. Schon bei ersten Anzeichen von Wassermangel unterschieden sich die Reaktionen der beiden Pflanzen eklatant. „So scheinen die Blätter von L. brevidens in einen ähnlichen Modus zu schalten, wie er normalerweise in Samen altiv ist“, berichtet Prof. Bartels. Samen ist oft nach langen Phasen ohne Wasser noch immer keimfähig.
Trockentoleranz ist ein komplexer Vorgang
Der Blick auf die Genorte zeigte unterschiedliche Aktivitäten. Bei der trockentoleranten brevidens-Verwandten sind winzige genetische Änderungen aktiv, die mitunter nur in einem einzigen Punkt variieren. Dennoch ist das Verhalten des konrollierten Gens drastisch beeinflusst: „Wir haben bei Lindernia subracemosa Änderungen gefunden, die in der Konsequenz dafür sorgen, dass bestimmte Dürretoleranz-Gene gar nicht mehr abgelesen werden“, berichtet Bartels.
Das erste Ergebnis zeigt, wie komplex „Dürretoleranz“ entsteht. „Es ist mit Sicherheit nicht so, dass diese Fähigkeit Konsequenz eines einzigen Gens ist“, betont die Botanikerin. Diese Grundlagenforschung kann auch den Züchtern helfen, Landwirten trockentolerantere Nutzpflanzen zur Verfügung zu stellen. Immer wichtiger, wenn Extremwetter wie das Trockenheitsjahr 2018 häufiger werden.
Lesestoff:
Robert VanBuren, Dorothea Bartels et al.: Desiccation tolerance evolved through gene duplication and network rewiring in Lindernia; The Plant Cell; http://dx.doi.org/10.1105/tpc.18.0051
Roland Krieg; Foto: Xiaomin Song/Universität Bonn