Wie geht es bei Tönnies wieder los?

Landwirtschaft

Reichen regelmäßige Tests?

Was bei Tönnies vor vier Wochen wirklich einschlug war die Erkenntnis, wie gefährlich SARS-CoV-2 bei Kälte ist. Selbst wenn der kommenden Winter nicht so kalt wie im Zerlegeraum von Deutschlands größter Schlachterei wird, wird sich bei trübem Himmel und wenig Wind das Virus deutlich weiter verbreiten als im aktuellen Sommerwetter.

Durchaus berechtigt war die Frage, ob es nicht ausreicht, bei Tönnies die Umluftanlage auszutauschen, bevor wieder Schweine geschlachtet und zerlegt werden. Das wäre innerhalb von vier Wochen nicht möglich gewesen. So aber müssen jetzt Plastikscheiben zwischen den Arbeitern und tägliche Corona-Tests für die Wiederaufnahme des Betriebs ausreichen. Die Genehmigung des Landes Nordrhein-Westfalens ist da. Gutachter prüfen, ob der heute Morgen eingeführte Probebetrieb für das Hochfahren der Produktion ausreicht. Zumindest die Hälfte der üblichen 20.000 Tiere sollen ab Freitag wieder geschlachtet werden können.

Schlachtpreise

Vor zwei Jahren hätten sich die Schweinemäster über Schlachtpreise von 1,60 Euro pro Kilo ausgiebig gefreut. Chinas Nachfrage sorgte im vergangenen Jahr sogar Höhenflüge bis zu 1,85 Euro. Durch den Schlachtstopp bei Tönnies fielen die Preise Anfang Juli glatt um sechs Cent auf 1,60 Euro. Der Rückstau an Schweinen reichte bis in die Ferkelbetrieb und ins benachbarte Belgien und die Niederlande. Rund 100.000 Schweine mussten pro Woche irgendwo untergebracht oder woanders geschlachtet werden. Die Wiederaufnahme des Schlachtbetriebes in Rheda vermeidet Notschlachtungen, um die bislang die Branche, im Gegensatz zu den USA, herumgekommen ist.

Tönnies ist nicht das einzige betroffene Werk. Auch in Belgien und den Niederlanden mussten Schlachtbetriebe schließen. Mittlerweile stockt auch der Absatz nach China, weil Peking Werke mit Coronafällen von der Exportliste gestrichen hat. Was zuletzt nach China exportiert werden konnte, muss jetzt auf europäischem Grillrösten abgesetzt werden. Das erhöht den Druck auf die Schlachtpreise. In Polen und Ungarn haben die Schlachthöfe die Erzeugerpreise bereits um zwei und eineinhalb Prozent gekürzt. Die EU-Kommission vermeldet ein Schlachtpreisniveau von 1,59 Euro pro kg.

Die Perspektiven sind nicht gut. Ob der anfahrende Betrieb in Rheda für ökonomische Entlastung sorgt, bleibt offen. Wenn mittelfristig weniger Ferkel aufgestallt werden, sinkt die Zahl der Schweine in Deutschland um ein neues Stück. Weniger Schweine brauchen auch weniger Futter. Und Futtergetreide ist eine Leitplanke für den Preis bei Brotweizen.

Sofortprogramm Werkvertrag

Damit zum Jahresende auch Tönnies aus den Werkverträgen aussteigen kann, hat die Unternehmensgruppe ein Sofortprogramm aufgelegt. Mehr als 1.000 Beschäftigte an allen Standorten werden bis zum 30. September 2020 direkt eingestellt. Paralell wird die Arbeitszeiterfassung digitalisiert.

Lesestoff:

Roland Krieg

© Herd-und-Hof.de Nutzungswünsche: https://herd-und-hof.de/impressum.html

Zurück