Wie geht es der Erde?

Landwirtschaft

Klima, Biodiversität und Emissionshandel

Der EU-Gipfel und Poznan haben Ende der letzten Woche die Schlagzeilen bestimmt. Für den Deutschen Bauernverband (DBV) ist die in Brüssel bestätigte Richtlinie zu erneuerbaren Energien ein entscheidender Schritt in die Richtung Klimaschutz und Energieversorgungssicherheit gewesen. 20 Prozent Anteil erneuerbare Energien im Jahr 2020 und das Kraftstoffziel sind ein Signal für den nachhaltigen Ausbau erneuerbarer Energien. Der DBV „begrüßt ausdrücklich, dass man sich beim Biokraftstoffziel von zehn Prozent darauf besonnen hat, zwar neuen noch nicht verfügbaren Kraftstoff aus alternativen Verfahren, wie beispielsweise BtL, zukünftig die Anrechenbarkeit auf dieses Ziel zu ermöglichen, aber gleichzeitig die Kraftstoffe der so genannten ersten Generation wie Biodiesel und Bioethanol nicht in Frage zu stellen.“ Die Nachhaltigkeitskriterien sollen Flächen mit hoher Biodiversität nicht durch den Anbau von Biomasse gefährden.
In Poznan rollte „der Klimazug auf Kopenhagen zu, wo Ende 2009 ein großes zweigliedriges Abkommen beschlossen werden soll“, so Germanwatch vor dem Gipfel. In Poznan war die Zeit der Ideensammlung abgeschlossen und die Arbeitsgruppen sollten ein konkretes Vorbereitungspapier erstellen. Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch: „Der Klimagipfel von Posen hat nicht mehr als die formalen Voraussetzungen dafür geschaffen, um in 12 Monaten in Kopenhagen ein ambitioniertes globales Abkommen für die Zeit nach 2012 zu erreichen. Zugleich wurde deutlich, dass es bei zentralen Akteuren an dem politischen Willen mangelt, um ein solch weitreichendes internationales Abkommen auch wirklich zu erreichen.“

Wie geht es derweil der Erde?
Parallel zum Klimagipfel hat die Goethe-Universität Frankfurt/Main die heute gedruckt erscheinende Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ ganz in die Befindlichkeit des Planten Erde gestellt. Dort werden die Komplexitäten sichtbar, um die Politiker diskutieren.
„Alles Leben kommt aus dem Meer. Vor etwa 3,3 Milliarden Jahren begannen sich heute alle bekannten Tierstämme zu entwickeln und einige darüber hinaus. Erst vor etwa 400 Millionen Jahren, als genügend Sauerstoff in der Atmosphäre war, um einen schützenden Ozongürtel zu bilden, krochen die ersten Meeresbewohner an Land“. Biowissenschaftler Prof. Dr. Michael Türkay sieht im Ozean mehr als nur „eine mit Wasser gefüllte Wanne, die in Klimamodellen als ein berechenbarer Wärmespeicher auftritt“. Kleinalgen produzieren im Meer genauso viel Sauerstoff, wie die Regenwälder.
Prof. Dr. Peter Lindner und Stefan Oumer haben sich um die Kleinbauern gekümmert und stellen fest, dass Kaffee, Kakao, Tee und Zucker durch die neue Kolonialwaren Obst und Gemüse verdrängt werden. Im Bereich der global organisierten Landwirtschaft ist der Handel mit Frischobst und Frischgemüse zwischen 1980 und 2005 um 243 Prozent angewachsen. In den Entwicklungsländern ist der Anteil der traditionellen Kolonialwaren von 39 auf 18 Prozent gesunken, der Export von Gartenprodukten von 14 auf 21 Prozent gestiegen. Auch wenn durch Kooperativen und Kleinbauernzertifikate dem europäischen Konsumenten Nähe und Sinnhaftigkeit suggeriert wird, sind Projekte wie „Caretrace: Meet the Farmer“ nicht unkritisch. Die britische Soil Association hält den Klimaabdruck der Luftfrachtware für unvereinbar mit einer nachhaltigen Landwirtschaft. Ein Klimabann solcher Erzeugnisse hätte für die kleinbäuerliche Zuliefererbasis schwerwiegende Folgen und zeigt, wie fragil solche Rahmenprozesse auf die reale Wirtschaft sein können: „Das Beispiel zeigt, wie stark die Handlungsoptionen und Perspektiven der Marktintegration lokaler Akteure von Marktmachern im globalen Norden bestimmt werden.“
Die drei Experten Dr. Diana Hummel, Dr. Florian Keil und Dr. Alexandra Lux vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) haben sich mit der globalen Wasserkrise und dem virtuellen Wasserhandel auseinandergesetzt. Jede Handelsaktion hat eine Verbindung zu einer Wasserressource. So müssen für eine Tasse Frühstückskaffe auf dem Tisch rund 140 Liter Wasser aufgewendet werden. Ein Kilo Weizen benötigt 1.000 Liter, ein Kilo Käse 5.000 und ein Kilo Rindfleisch rund 15.000 Liter Wasser. Im Vergleich: Bei der Herstellung eines Baumwollhemds werden durchschnittlich 2.700, bei einem Paar Schuhe 8.400 und bei einem Mittelklasse-Auto 400.000 Liter Wasser verbraucht. Zehn Prozent des deutschen Obst- und Gemüseimports kommt aus dem spanischen Almeria. Einer Gartenanbaufläche so groß wie Frankfurt am Main. Das dafür erforderliche Wasser wird in dem regenarmen Gebiet aus tiefen Grundwasserleitern gefördert, wodurch es zu einer Übernutzung und Versalzung kommt, weil Meereswasser nachströmt. „Der virtuelle Wasserhandel verschiebt die Machtstrukturen“, so die Autoren: Wasserarme Länder, die auf eine Nahrungsmittelautarkie verzichten und diese importieren, können ein staatliches Monopol aufbauen und eine unsichere Ernährungssituation schaffen.
Prof. Dr. Rainer Durth, Honorarprofessor für Internationale Wirtschaftspolitik beschrieibt die Chancen, aber auch die Risken des „weltweiten Experiments Emissionszertifikate“. Schwierig ist es deshalb, weil es keinen ideale Wettbewerbsmarkt gibt. Die Informationen über den Markt sind unvollkommen, unsicher und meist ungleich auf die einzelnen Marktteilnehmer verteilt. Hingegen würden bei einem Klimaschutzfonds auch kleine und mittelgroße Unternehmen profitieren.

Leidensdruck noch zu klein
Vor und nach Poznan haben sich die Beteiligten und Nichtregierungsorganisationen positioniert. Das wird auch im nächsten Jahr weiter gehen. Möglicherweise sind die Ergebnisse der kleinen und großen Konferenzen noch nicht entschieden genug, weil der Leidensdruck noch zu gering ist – das meint jedenfalls Prof. Dr. Christian Schönwiese, Meteorologe in einem Interview mit „Forschung Frankfurt“. Die politischen Positionen polarisieren sich auf die Extreme „Klimakatastrophe“ und „Klimaschwindel“, so Senckenberg-Direktor Prof. Dr. Volker Mosbrugger. Sachlich solle man mit dem Thema Klima umgehen. So sind erdgeschichtlich gesehen die Vereisungen der Pole nur eine Ausnahmesituation und die Vegetation, also auch die Landwirtschaft, werde man „in Klimamodellen nie gescheit berücksichtigen können“. Dr. Schönwiese hält die Reduktionsziele für CO2 für „eher symbolisch“ und glaubt nicht, dass in den nächsten Jahren die Weichen gestellt werden, um die im Umlauf befindlichen Ziele zu erreichen: „Vielleicht muss der Leidensdruck noch steigen, etwa durch Extremereignisse und die zurzeit unterschätzte Bedrohung durch Krankheiten.“ So hat der Hitzesommer 2003 einen Schaden in Höhe von 13 Milliarden US-Dollar zur Folge gehabt und es sind schätzungsweise rund 55.000 Menschen in Europa zusätzlich verstorben.

Lesestoff:
„Forschung Frankfurt“ 03/2008 kann in gedruckter Form bestellt werden und ist im Volltext unter www.muk.uni-frankfurt.de /Publikationen/FFFM/2008 einsehbar.

roRo

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