Wie kommt der Zucker in die Rübe?

Landwirtschaft

So kommt der Zucker in die Rübe

Wie entsteht der hohe Zuckergehalt von Zuckerrüben? Diese bislang ungelöste Frage ist jetzt geklärt: Forschungsteams aus Deutschland haben den Zucker-Transporter entdeckt, der dafür verantwortlich ist. Für die Züchtung verbesserter Sorten ist das ein kräftiger Impuls.

Mit Zuckerrüben (Beta vulgaris) wird ein großer Teil des Weltzuckerbedarfs gedeckt. Die üppigen Knollen sind zudem für die Produktion von Bioethanol als Energiequelle bedeutsam.

„Ursprünglich wurde die Zuckerrübe als Blattgemüse genutzt“ sagt Professor Rainer Hedrich, Pflanzenwissenschaftler von der Universität Würzburg. Doch den Europäern sei es seit dem späten 18. Jahrhundert gelungen, eine wahre Zuckerfabrik aus ihr zu züchten: „Bei unseren Hochleistungszuckerrüben kommen auf zehn Kilogramm Rübe bis zu 2,3 Kilo Zucker.“ Doch bis vor kurzem war unklar, nach welchen Prinzipien die Zuckerspeicherung in den Rüben vor sich geht.

Spezifischen Transporter entdeckt

Diese Frage hat Hedrichs Gruppe jetzt mit Wissenschaftlern der Universitäten Erlangen, Kaiserslautern und Köln sowie mit Teams der KWS Saat AG und der Südzucker AG geklärt: Die Rübenzellen häufen den Zucker in Form von Saccharose in speziellen Saftspeichern an, den so genannten Vakuolen. Dorthin gelangt der süße Stoff über ein Transportprotein namens BvTST2.1, das auf Saccharose spezialisiert ist.

Diesen Transporter haben die Forscher nun entdeckt und molekular charakterisiert: „Unsere neuen Erkenntnisse könnten zu Zuckerrüben, Zuckerrohr oder anderen Pflanzen mit noch höherem Zuckergehalt führen – wenn man züchterisch dafür sorgt, dass die Menge der Transporter in den Pflanzen erhöht ist“, meinen sie [1].

Aus Sonne, Kohlendioxid und Wasser wird in grünen Pflanzenblättern der Zucker Saccharose. Zuckerrüben speichern den süßen Stoff in ihrer Knolle;
Zeichnung: Irina Yurchenko

Welche Experimente zum Erfolg führten

Zunächst hat das Team das Entwicklungsstadium bestimmt, in dem die Rübe auf Zuckerspeicherung schaltet. Es folgte die Ermittlung der Proteine, die in der Speicherphase vermehrt gebildet werden. Mit Genom-Datenbanken ließen sich dann die Gene bestimmen, die als potenzielle Zuckertransporter in Frage kommen.

Dabei schälte sich ein „Hauptverdächtiger“ heraus, das Transportprotein BvTST2.1. Wie aber feststellen, ob dieser Transporter tatsächlich Saccharose in die Vakuole verfrachten kann? Hier war das biophysikalische Fachwissen von Hedrichs Team gefragt: „Wir haben die Tatsache genutzt, dass Blattzellen das Transportprotein der Zuckerrüben-Vakuole nicht herstellen. Also haben wir das Rüben-Transporter-Gen bvtst2.1 in die Blattzellen gebracht, deren Vakuolen isoliert und dann gemessen, ob und wie das Rübenprotein Zucker transportiert“, erklärt der Professor.

Mit der Patch-Clamp-Technik [2] konnten die Forscher zeigen, dass der Rüben-Transporter selektiv Saccharose in die Vakuole leitet und im Gegentausch Protonen aus der Vakuole hinausbefördert. Dieser Kopplung ist es letztendlich zu verdanken, dass sich der Zucker in den Rübenvakuolen anhäufen und dort Spitzenkonzentrationen von 23 Prozent erreichen kann.

Was sich mit dem neuen Wissen anfangen lässt

Um Zuckerrüben im Hinblick auf die Zuckerspeicherung weiter zu verbessern, muss der BvTST2.1-Transporter als nächstes auf den Prüfstand – also in die Zuckerrübe selbst: Im Labor müssen Zuckerrüben hergestellt werden, die unterschiedliche Mengen des Transporters enthalten. Dann gilt es zu beobachten, welche Auswirkungen die Transporter-Dosis auf den Zuckergehalt der Rübe hat.

„Findet man das vermutete Prinzip bestätigt, kann man Rüben auf einen erhöhten Transporter-Gehalt hin züchten“, so Hedrich. Das könnte schließlich eine neue Generation von Rüben liefern, die noch mehr Zucker speichern oder die schon früher im Jahr mit der Zuckerspeicherung loslegen.

Lesestoff:

[1] „Identification of transporter responsible for sucrose accumulation in sugar beet taproots”, Benjamin Jung, Frank Ludewig, Alexander Schulz, Garvin Meißner, Nicole Wöstefeld, Ulf-Ingo Flügge, Benjamin Pommerrenig, Petra Wirsching, Norbert Sauer, Wolfgang Koch, Frederik Sommer, Timo Mühlhaus, Michael Schroda, Tracey Ann Cuin, Dorothea Graus, Irene Marten, Rainer Hedrich, and H. Ekkehard Neuhaus, Nature Plants, 8. Januar 2015, DOI: 10.1038/nplants.2014.1

[2] Patch: Flicken; Clamp: Klemme. Für die Entwicklung dieser Technik wurden die Deutschen Erwin Neher und Bert Sakmann 1991 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Zwischen dem Zellinneren und dem Zelläußeren sind Ionenkonzentrationen unterschiedlich und werden von der Zelle über einen Ionenkanal ausgeglichen. Mit einer Klemme in einer Ionenzelle an einem Membranausschnitt (Patch) kann in der Elektrophysiologie die Spannung in kleinsten Unterschieden gemessen werden. So kann bis hinunter auf einzelne Membranproteine das „Schleusenverhalten“ zwischen Zellinnerem und Zelläußerem bestimmt werden.

Robert Emmerich (Uni Würzburg); roRo

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