Wie muss Bio sein?

Landwirtschaft

EU-Ökoverordnung zwingt zur Standortbestimmung

Stolpert der Biolandbau über sich selbst? Verbraucher haben in den letzten Dekaden ihr eigenes Bild über den Ökolandbau entwickelt. Oft sogar ein überhöhtes. Beispielsweise sind sie der Meinung, dass für Produkte des Ökolandbaus geringere Rückstandswerte gelten als für konventionelle Produkte. Das ist falsch. Für beide Produktgruppen gelten die gleichen Grenzwerte. Solche Irrtümer haben den Weg in die EU-Ökoverordnung gefunden, über die seit Vorstellung in März dieses Jahres heftig diskutiert wird. Es scheint, der Biolandbau rudert von den besseren Ökovorstellungen zurück. Das verwirrt.

Diskussion im EU-Agri

Zwei Jahre lang haben die Ökoverbände die EU-Kommission intensiv beraten, wie IFOAM-Vorstandsmitglied Jan Plagge (auch Bioland-Chef) am Mittwoch im EU-Agrarausschuss betonte. Dort fand eine Anhörung zur EU-Ökoverordnung statt. Im Nachgang zu einem Ökokongress in Paris, wo unter der Federführung der IFOAM der Weg zu mehr Ökolandbau in Europa ausgeführt wurde. Und die EU-Ökoverordnung einhellig ablehnte. Kurz und präzise blieb Plagge auch im Agrar-Ausschuss: Die Kommission hat sich für den Weg einer Revolution im Ökolandbau entschieden, den wir ablehnen [1]. „Wir fordern einen neuen Vorschlag“, sagte Plagge und forderte Parlament und Rat auf, sich dafür stark zu machen – sonst müssten mehr als 7.000 Änderungsanträge bearbeitet werden. So viel gab es bei der GAP-Diskussion für die Jahre 2014 bis 2020.

Woran es hakt

An der Pariser Konferenz nahmen 125 Teilnehmer aus 14 Ländern teil. Die Liste der Kritikpunkte ist lang [2]. Aberkennung des Biostatus, wenn niedriger angesetzte Rückstandsgrenzwerte umgesetzt werden. Importe müssten nicht im „neo-kolonialen Stil“ die gleichen Richtlinien erfüllen. Betriebe mit ökologischer und konventioneller Betriebsführung sollen abgeschafft werden. Kontrollpflicht soll auch für abgepackte Ware im Handel eingeführt werden.

Berichterstatter Martin Häusling von den Grünen verweist auf weitere Probleme. 100 Prozent Bio ist für Saatgut und Futter nicht praktikabel. Die Kommission behalte sich zu viele delegierte Rechtsakte vor, was zu Unsicherheit bei Erzeugern und Händlern führt. Mehr Sicherheit biete die Einführung aller Aspekte in eine Verordnung. Anstatt die Umstellung auf den Ökolandbau zu erleichtern, erschwere der vorgelegte Entwurf den Wechsel. Die finnische Christdemokratin Sirpa Pietikäinen, Berichterstatterin für den EU-Umweltausschuss, und die Niederländerin Hester Maij aus dem Ausschuss der Regionen teilen die Auffassungen. Eine breite Mehrheit gegen den Kommissionsvorschlag hat sich bereits etabliert.

Problem Grenzwerte

Dr. Felix Prinz zu Löwenstein vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft nannte ein Beispiel aus seinem eigenen Betrieb. Seine Pfefferminze geht an Verarbeiter, die ökologischen Pfefferminztee herstellen. Kräuter mit ätherischen Ölen reichern in ihrer Fettfraktion alles an, was an Giftstoffen in der Luft ist. So beispielsweise auch Pflanzenschutzmittel, die bei der Ausbringung vom Wind verdriftet werden. Werden solche Rückstände beim Händler gefunden, muss er seine Ware umfangreich zurückrufen und nicht mehr beim BÖLW-Vorstand einkaufen können. Daher sind eigene Grenzwerte für den Ökolandbau schädlich. Das Problem sei dort zu lösen, wo die Mittel eingesetzt werden, forderte Löwenstein.

Dahinter steht die Frage, ob der Ökolandbau eine Alternative für die konventionelle Landbewirtschaftung sein will oder in der Nische verhaftet bleiben müsse. Wer Ökolandbau für alle will, der dürfe die Umstellung nicht gefährden.

Löwenstein spricht sich auch für eine andere Behandlung von Importen aus. Eine Verschärfung der Richtlinien erschwere vor allem in den Entwicklungsländern den Bauern eine Umstellung. Auch sie müssten Gelegenheit bekommen, Ökoprodukte zu verkaufen.

Was zahlt der Verbraucher?

Dr. Jürn Sanders vom Thünen Institut hat den Verordnungsentwurf evaluiert [3]. Zwei Trends macht der Ökonom aus: Die Nachfrage nach Bioprodukten steigt, aber die Produktion stagniert in Europa. Es brauche eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Länder mit unterschiedlichen Ausgangspositionen, das ökologische Angebot zu steigern. Die Verordnung könne nur ein Mosaikstein sein. Andere Säulen wie Forschung und Förderung seien mindestens genauso wichtig. Dr. Sanders vermisst einen strategischen Rahmen, der alle Maßnahmen für den Ökolandbau bündelt.

Ansätze wie die Realisierung der Betriebsmittel zu 100 Prozent aus ökologischer Erzeugung hält er für richtig, weil die letzten Jahre zeigten, dass die Ausnahmen zur Regel geworden sind. Ohne den Entwurf-Ansatz gebe es keinen Anreiz, in die ökologische Saatguterzeugung einzusteigen. Die Umsetzung regionaler Strukturen brauche Druck für die Realisierung. Allerdings sind verschiedene Betriebsmittel unterschiedlich zu bewerten und die Umsetzung brauche mehr Zeit.

Ökoverbänden und Verbrauchern müsse klar sein, dass 100 Prozent Öko höhere Betriebskosten erfordern: „Man hat einen Preis zu zahlen“, erklärte Sanders. Es stelle sich die Frage, ob die Ökobetriebe das durchhalten können. Wirtschaftsanalysen zeigten, dass Ökobetriebe zwar erfolgreich sind. 40 Prozent von ihnen wären aber mit der konventionellen Bewirtschaftung erfolgreicher. Der Spielraum für höhere Kosten sei gering. Niedrigere Grenzwerte für Ökobetriebe sieht Sanders zwar als Risiko für den Betrieb, aber als Chance für den Verbraucher, sich für ein besseres Produkt zu entscheiden.

Kluft nicht vergrößern

Für die einen gefährdet die geplante Verordnung die Existenz der Biobetriebe, für andere bietet sie Chancen. Die Abschaffung von Gemischtbetrieben würde die Vermischungsproblematik sicher verringern, aber die Kluft zwischen konventionellen und ökologischen Landwirten sicher vergrößern, mutmaßt Edouard Rousseau von der Arbeitsgruppe Ökolandbau der europäischen Bauern und Genossenschaften Copa-Cogeca. Auch bei einer ständigen Intensivierung des konventionellen Landbaus müsse die Chance für einen Übergang zum Ökolandbau erhalten bleiben. Das Verbot von Mischbetrieben würde auch die Kluft zwischen verschiedenen Regionen in der EU vergrößern.

Keine einheitliche Diskussion

Elisabeth Köstinger von den österreichischen Christdemokraten beklagte die gespaltene Diskussion beim Saatgut. Hier fordere man die Möglichkeit, konventionelles Saatgut nutzen zu dürfen; bei der Diskussion um die Saatgutverordnung hingegen beklagten die Verbände den Verlust an Vielfalt, wenn es keine eigene Ökozüchtung gebe. Sie ist auch mit der unterschiedlichen Behandlung zwischen heimischen und importierten Bio-Produkten nicht einverstanden. Geringere Standards helfen den Kleinbauern in den Entwicklungsländern nicht.

Viele Mischbetriebe

In Frankreich stammen drei Viertel der Ökoprodukte von heimischen Bauern. Die meisten Landwirte aber führen einen Gemischtbetrieb mit einem konventionellen Betriebszweig, sagte Etienne Gangneron, Vorsitzender von „Agence Bio“. Die Forderung nach reinen Ökobetrieben werde das Angebot deutlich verringern und den Importbedarf steigern.

Die österreichische Jungbäuerin Isabella Übertsberger hingegen befürwortet im alpinen Bereich die reine Betriebsvariante. Sie kann mit ihren 80 Milchkühen auf 105 Hektar Grünland im Salzburger Land spezielle Produkte wie Heumilch vermarkten. Das Mähen von Steillagen aber müsse auch entgolten werden. Sie gehört dem 2010 gegründeten Jungbauern-Netzwerk der Bio Austria an, die ab 2015 in jedem Landkreis eine Jungbäuerin oder Jungbauern im Vorstand besetzen will. Biolandbau ist eine Generationenfrage.

In Spanien müssen die Biobauern auf importiertes Saatgut zurückgreifen. Das kommt meist aus Frankrecih, Österreich oder Deutschland, sagte Elia Rodriguez Alvarez von der Bauernvereinigung Galizien. Das Saatgut müsse erst noch an den Standort angepasst werden. Die Gemüsebäuerin verweist auf die geringe ökologische Förderung Spaniens. Ihr Betrieb sei zu klein, um flächengebundene Beihilfen zu bekommen. Daher stelle sie erst gar nicht einen Antrag. Sie wolle aber Ökoprodukte nicht nur für eine kaufkräftige Elite produzieren, sondern für alle Kunden. Alvarez spricht sich für gleiche Regeln für Ökoimporten aus.

Lesestoff:

[1] Im EU-Agrarrat ist die EU-Ökoverordnung durchgefallen

[2] Einige Präsentationen sind veröffentlicht auf www.ifoam-eu.org

[3] EU-Ökoverordnung im Entwurf: Gut, aber es geht noch besser

Roland Krieg

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