Wie viel Klimaschutz darf es sein?
Landwirtschaft
Wie viel Landwirtschaft darf es sein?
Die Regierung will nach Koalitionsvertrag die Treibhausgase bis 2050 gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 80 bis 95 Prozent reduzieren. Dazu hat das Bundesumweltministerium einen Klimaschutzplan 2050 aufgelegt, der in einem Dialogprozess mit den Bundesländern, den Kommunen, Verbänden und Bürgern entstehen soll [1]. Die dritte Sitzung Mitte März in Berlin hat einen Maßnahmekatalog herausgebracht, den Bundesumweltministerin jetzt in einen Klimaschutzplan 2020 als Gesetzesentwurf umgearbeitet hat.
Das Papier ist nach Angaben Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), lediglich zwischen SPD und dem Bundeskanzleramt abgestimmt. Eine Ressortabstimmung habe noch nicht stattgefunden. Dennoch haben neun Verbände aus der Agrarbranche ein mehrseitiges Positionspapier verabschiedet, das der DBV am Donnerstag vorstellte.
„Omnipräsentes Thema“
Klima und Landwirtschaft – „Das ist für uns ein omnipräsentes Thema“, sagte Rukwied in Berlin. Vor allem ist es nicht neu. Gefährdet zu viel Landwirtschaft den Klimaschutz oder gefährdet zu viel Klimaschutz die Landwirtschaft? Das Brückenkonzept für eine marktwirtschaftliche und eine ökosystemare Bewertung gibt es noch immer nicht [2]. Enge Fruchtfolgen mit Feldfrüchten, die einen hohen ökonomischen Ertrag erzielen werden in den Fachmedien offen beklagt. Die Umsetzung einer adäquaten und monetären Bewertung für sauberes Trinkwasser, reduzierte Emission oder zum Erhalt der Biodiversität hat bislang kaum Eingang in die Praxis gefunden.
Gerade die öffentlichen Leistungen, zu denen auch die Erzeugung von Nahrungsmitteln gehört, machen aus der Landwirtschaft ein Spannungsfeld. Emissionen oder Nährstoffauswaschung können der Landwirtschaft angekreidet werden. Umgekehrt ist die Landwirtschaft vom Klimawandel selbst betroffen, wie die Unwetter in diesem Jahr wiederholt zeigen. Und sie gilt als Problemlöser: Das Wachstum der Feldfrüchte bindet Kohlendioxid aus der Atmosphäre, der Boden ist die größten CO2-Senke der Welt und kann durch sorgsame Bearbeitung sein Potenzial entfalten.
Mit der EU oder mit Hendricks?
Die Verbände sehen jedoch in dem vom Bundesumweltministerium geschriebene Papier eine Gefährdung für die Landwirtschaft. Deutlich wurde das gegenüber dem EU-Vorschlag herausgearbeitet, der diesen Mittwoch veröffentlicht wurde.
Die EU-Kommission hat verbindliche Jahresziele für das Ziel der Emissionsreduzierung bis 2030 herausgegeben. Sie sollen gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 40 Prozent fallen. Die Ziele sind für die einzelnen Mitgliedsstaaten insgesamt für alle Sektoren wie Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfälle, Landnutzung und Forstwirtschaft festgelegt. Die Länder haben die Möglichkeit, die Gesamtmenge zwischen den Sektoren variabel zu gestalten. Für Deutschland gilt der Minderungssatz von 38 Prozent.
Hendricks Klimaschutzplan hingegen breche die Ziele auf die einzelnen Sektoren hinunter und verlange der Landwirtschaft etwas ab, das ihren Bestand gefährde. So greifen Vorschläge wie Überschussabgaben für Stickstoff, die Extensivierung und Halbierung der Tierhaltung und eine Erhöhung der Modulation von Finanzmitteln aus der ersten in die zweite Säule von 4,5 auf 15 Prozent massiv in die Struktur der Landwirtschaft ein und orientieren die Säulenstruktur der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2020 gänzlich neu“, sagte Rukwied. Bis zu 200.000 Arbeitsplätze und rund neun Milliarden Euro Nettowertschöpfung gingen verloren.
Die Rückführung der landwirtschaftlichen Produktion auf ein Selbstversorgungsniveau koppele die Agrarwirtschaft von der Entwicklung in der Welt ab. Die deutschen Verbraucher genießen beim Schwein nahezu ausschließlich die wertvollen Teilstücke wie das Schnitzel, während das Tier durch den Export von Ohren, Bäuchen und Füßen in andere Teile der Welt, wo sie nachgefragt werden, komplett und damit effektiv genutzt wird.
Gutschriften sprächen ebenfalls für die EU-Vorschläge. Länder, die beispielsweise durch Aufforstung ihre Waldfläche vergrößern oder Grünland bewirtschaften, können über ihr Verpflichtungsniveau hinaus zusätzliche „Gutschriften“ erarbeiten, um entsprechend der Lastenverteilung die Landwirtschaft mit ihrer Senkenfunktion besser abzubilden. Diese Sonderolle der Landwirtschaft werde vom Bundesumweltministerium nicht anerkannt.
Kapitel Landwirtschaft überarbeiten
Bauernpräsident Joachim Rukwied forderte das Umweltministerium auf, sein Kapitel Landwirtschaft im Klimaschutzplan 2050 „gründlich zu überarbeiten“. So stellt das Positionspapier klar, dass Treibhausgasemissionen gar nicht zu vermeiden sind, die Landwirtschaft mit ihrer Senkenfunktion anerkannt werden muss, Ställe modernisiert, statt Tierbestände abgebaut werden müssen, vorhandenes Grünland durch Schnitt und Verfütterung auch genutzt werden muss.
Weiterhin steht die Wiedervernässung der Moore weiterhin in der Kritik der Landwirte. Mehrere zehntausend Hektare seien mühsam urbar gemacht worden. Die Wiedervernässung erfolge großflächig, biete einzelnen Betrieben durchaus Chancen für eine Neuausrichtung der Produktion auf Qualitätsprodukte oder ganz neue Betriebszweige [3], könne jedoch nicht einzelbetrieblich betrachtet werden.
Erhöhung Produktivität
Hier schließt sich der Kreis. Solange alternative Nutzungsmöglichkeiten nur auf Versuchsfeldern etabliert sind, nur einige wenige Kulturen einen existenzsichernden Ertrag abwerfen und selbst das Greening für den heimischen Futterbau maximal wirtschaftliche Nischen bedienen können, solange fehlt der generelle „Dreh- und Angelpunkt“, Ökonomie und Ökologie unter einen Hut zu bringen. Solange stehen beide Seiten auch kopfschüttelnd einander gegenüber.
Dabei betont Rukwied, dass moderne Landwirte ihre Produktion mit neuester Technik und Fruchtfolgenmanagement als Strategie gegen Resistenzbildung im Ackerbau umstellen. „Wir müssen die Erfolge aber mehr aufzeigen“, sagte er gegenüber Herd-und-Hof.de. Die Landwirtschaft hat die Treibhausgase zwischen 1990 und 2014 bereits um 15 Prozent gesenkt und gleichzeitig eine Ertragssteigerung bei Winterweizen von 28 Prozent und bei der durchschnittlichen Milchleistung von 16 Prozent erzielt. Diesen Pfad der Produktivitätssteigerung wolle die Landwirtschaft mit den Klimaschützern weiter gehen.
Lesestoff:
Positionspapier zum Klimaschutzplan 2050: www.bauernverband.de
[1] www.klimaschutzplan2050.de
[2] TEEB: Honorierung öffentlicher Güter
[3] Torfmoos schützt Moore und Umwelt
Roland Krieg