Wie viel Wald unter Schutz?
Landwirtschaft
Wald zur natürlichen Waldentwicklung
Kaum ein Ökosystem, dass so vielen Anforderungen unterliegt wie der Wald. Kaum ein Spaziergänger ist sich bewusst, dass er möglicherweise gleich durch drei verschiedene Eigentumsstrukturen wandelt. Der Wald gehört zum Teil der Bundesregierung, zum Teil den Ländern oder Kommunen sowie unzähligen Privatwaldbesitzern. Dennoch dürfen Spaziergänger alle Wege nutzen. Auch die Wege durch den Privatwald. Hier haben die Waldbesitzer nach §14 Bundeswaldgesetz den Zutritt zu dulden, was bei sonstigem Privatgelände verboten ist.
Sie tun das nicht nur zu Fuß, sondern auch vermehrt mit Mountainbikes. Sie teilen sich den Wald mit Wild, das Jungbäume verbeißt, suchen Erholung im kühlen Schatten und fühlen sich von der Forstwirtschaft gestört, die Holz für die stoffliche oder energetische Nutzung erntet. Zu Hause fordern sie den Wandel der bundesdeutschen Wirtschaft hin zu einer Bioökonomie - lieben auf der anderen Seite „Urwälder“, die sich fern jeder Nutzung ungestört entfalten dürfen.
Die Nationale Biodiversitätsstrategie will bis zum Jahre 2020 Teile des Waldes der dauerhaft der natürlichen Entwicklung überlassen. Lässt sich der Schutz seltener Echsen und Pflanzenmit der künftigen Bioökonomie vereinbaren? Der Streit um den fränkischen Steigerwald im Jahr 2015 ist Beispiel für den Diskurs um Waldschutz und Waldnutzen [1].
Wie viel Wald fehlt noch für den Umweltschutz?
Das Bundesumweltministerium hat für Herd-und-Hof.de die aktuellen Zahlen einmal zusammengestellt. Demnach gibt es zwei Ziele. Die natürliche Waldentwicklung soll auf fünf Prozent der gesamten Waldfläche umgesetzt werden. Das ist im Kapitel B 1.2.1 der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) festgeschrieben. Auf der öffentlichen Waldfläche von Staat, Land und Kommunen hat sich Deutschland im Folgekapitel 2.2 die „Vorbildfunktion“ zugeschrieben, zehn Prozent der Natur zu überlassen. Grundlage des Flächenbezuges ist die 3. Bundeswaldinventur des Bundeslandwirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2012. Beide Ziele sind nicht additiv, unterstreicht ein Sprecher des Ministeriums.
Danach gibt es 11.419.124 Hektar Wald, von denen fünf Prozent, also rund 570.000 Hektar für die Zielsetzung in der NBS unbelassen werden müssten. Der Bundes-Wald umfasst 403.464 ha, bei dem das Nationale Naturerbe bereits 80.000 von der Nutzung herausgenommen hat. Damit hat der Bund allein auf seinen Flächen das Ziel bereits zu 20 Prozent umgesetzt.
Für die Umsetzung der NBS müssten für das Fünf-Prozent-Ziel 570.000 ha aus der Nutzung genommen werden. Beim öffentlichen Wald auf der linken Seite der Grafik (5.933.446 Millionen ha) müssten 593.000 ha aus der Nutzung raus. Das entspricht dem 10-Prozent-Ziel und deckt alleine schon das Ziel für den gesamten Wald ab.
Aktuell sind rund 220.000 ha in Deutschland (etwa zwei Prozent) naturbelassen, so dass noch 350.000 ha für die Erfüllung der NBS fehlen. „Demnach könnten Bund, Länder und Kommunen als Waldeigentümer der öffentlichen Hand zusammen alleine das 5-Prozent-Ziel – und damit die fehlenden rund 350.000 ha – erfüllen“, heißt es aus dem Ministerium.
Im Rahmen der Naturschutzoffensive will das Bundesumweltministerium mit den Kommunen über eine weitere Beteiligung an den Umsetzzielen der NBS im Gespräch bleiben.
Waldmanagement der Zukunft
Ob die Diskussion damit verstummt bleibt fraglich. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts verschärfen sich. Die Göttinger Forstwissenschaftler Prof. Dr. Max Krott und Dr. Michael Böttcher beteiligen sich deshalb an einer neuen europäischen Verbundforschung zur Entwicklung von Modellen für ein Waldmanagement der Zukunft. Das Projekt „Alternative models and robst decision-making for future forest management“ (ALTERFOR) startet in diesem Monat und läuft bis September 2020. Die Göttinger übernehmen das Segment des effektiven Wissenstransfers in die Praxis. ALTERFOR insgesamt will neue Ansätze für die dynamische Entwicklung globaler Märkte, die zunehmende Nutzung der Bioenergie, dem Klimawandel und der wachsenden Bedeutung des Waldes für die Gesellschaft entwickeln.
„Dialogforum Wald“
„Multifunktionale Waldwirtschaft am Ende“ – Wie verkraften der Wald und seine Eigentümer die neue Leidenschaft am Waldbesuch?“ So lautet das Motto des dritten „Dialogforums Wald“ der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) am 20. Und 21. April in Berlin. Es geht um die Waldstrategie 2020, die den verschiedensten Bedürfnissen gerecht werden soll.
Lesestoff:
[1] Streit um Steigerwald geht weiter
Programm und Anmeldung „Dialogforum Wald“: https://waldstrategie2020.info
Roland Krieg; Grafik: 3. Bundeswaldinventur